Bitte kein Babybullshit mehr für mich

 

Ich bin gerne Mutter, aber langsam reicht mir der Babybullshit. Ich kann den Singsang nicht mehr ertragen. Das immer gleiche Spiel, der stets tröge Smalltalk, die Komplitzenschaft aufbauenden Komplimente und das Pseudo-Netzwerken. Eine Diskussion als Teufelskreis:

„Wie alt ist er/sie?“ Ich möchte hinzufügen „es“, denn in vielen Fällen kann man sich dem Geschlecht eines Babys nicht über primäre visuelle Marker annähern. Rosa oder blaue Kleidung torpediert die Parolen des Feminismus, ist aber auf einem Spielplatz eine super Sache. Denn Mama will ja nicht, dass ihr Kind verkannt wird, nicht in seinem Geschlecht, noch in seinen Talenten. So folgt dann auf die Frage nach dem Alter eine Anerkennung der Fähigkeiten des kleinen Gefährten. „Der läuft ja schon toll!“, kann auch wahlweise ersetzt werden mit krabbelt, robbt, spielt im Sand, hält die Schippe, lächelt oder was einem gerade auffällt. Erscheint das Kind völlig unbegabt, ist da gottseidank immer noch die Kleidung, über die man Nettigkeiten los werden kann. Ist selbst da nix zu zusagen, lässt man einfach ein „Der/die/(das) ist ja zuckersüß!“ fallen. Geht immer, selbst bei den hässlichsten Blagen. Warum man das macht? Das frage ich mich auch. Jeden Tag in Kindercafes, auf Spielplätzen und in den unzähligen Frühkindlichen Förderkursen, die ich mit meinem Sohn besuche, um aus dem Haus zu kommen. Das war und ist der Modus Operandi dieser Milieus, ist meine These. Denn ich erfahre das nicht nur, sondern beobachte es auch. Am Nebentisch und an der Rutsche findet tagtäglich genau dieses Annäherungsritual zwischen zwei sich fremden Müttern statt. Ich sage „Mütter“ inkludierte in diesem Begriff auch alle Väter, denn die spielen da genauso mit.

 

Hat man diese Hürde genommen und sich als Mamas kennen gelernt, geht es intellektuell leider nur weiter bergab. Das liegt nicht daran, dass die Frauen so dumm wären, aber scheinbar wird man nach einer Geburt verbal unkreativ. Denn mit den Damen, die ich als „Dem Jona seine Mama“ und „Mama von Lisabeth“ in mein Handy einspeichere, sprach ich über Wochen ausschließlich über Babybullshit. In diese Kategorie fallen in chronologischer Reihenfolge: Stillerfahrungen, dann Beikosterfahrungen, dann Entwicklungsschritte (Rollen, Robben, Krabbeln, Laufen, Sprechen) und schließlich die katastrophale Betreuungssituation in der Großstadt. Da letzteres ja fast als Diskussion zu politischen Themen zählt, könnte man hoffen, nun ging doch noch auf über den Kindertellerrand. Doch die Lage scheint in Köln so mau, dass wir Mamas unter uns nur darüber meckern können. Ein Kontinuum aus „Oh, wie toll“ und „Ach, wie schlimm“ bildet die Bandbreite der Unterhaltungen, denen ich lieber entgehen will.

 

Leider sabotiert mein Nachwuchs Versuche den Müttern dieser Welt auszuweichen. An jedem Spielplatz fängt er an zu weinen und zu toben. Er will auf die Schaukel oder die Rutsche oder einfach jemandem seinen Ball klauen. Das will ich auch lieber tun. Stattdessen stehe ich hinter ihm, schubse in an und antwortet: „13 Monate. Ja, er hat schon früh mit dem Laufen angefangen. Ach die Hose, die haben wir geschenkt bekommen. Nein, wir haben noch keinen Kita-Platz, aber vielleicht was bei einer Tagesmutter in Aussicht. Ja, es ist echt furchtbar. Ich kenne auch keinen, der bei den Städtischen was bekommen hat.“

 

An den meisten Orten der Großstadt kann man sich aufhalten, ohne mit anderen Menschen interagieren zu müssen, selbst, wenn man sich ganz nah ist, z.B. in Fahrstühlen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich hier lebe. Je näher sich Menschen sind, desto weniger scheinen sie miteinander kommunizieren zu wollen. Doch auf Spielplätzen scheint die Verhaltensbiologie auszusetzen. Hier wird man immer angequatscht und dann geht’s wieder los: „Wie alt ist er/sie/(es)?“… Ich glaube es liegt nicht an den Müttern, ich mache das ja auch. Ich mache da ja auch mit. Nagut, ein bisschen liegt es dann vielleicht an mir. Aber es reicht. Darum habe ich mit einer Freundin einen Babykurs zur frühmütterlichen Förderung ins Leben gerufen: Mama Meeting.

Regel Nr. Eins des Mama Meetings: Es wird nicht über Kinder gesprochen.

Regel Nr. Zwei des Mama Meetings: Es wird wirklich nicht über Kinder gesprochen, egal was Dein Kind kann, gegessen oder gerade ausgeschieden hat.

Regel Nr. Drei: Zu jedem zweiten Mama Meeting gibt’s Wein oder ähnliches. Dann muss ich den nicht mehr im Bio-Wiederverwendbaren-Bambus-Supermom-To-Go-Becher auf den Spielplatz schmuggeln.

6 Gedanken zu “Bitte kein Babybullshit mehr für mich

  1. Ist es in der Großstadt so schlimm? Auf dem Dorf bin ich mal froh wenn ich ein anderes Kind /Mutter am Spielplatz sehe. Ist doch nett ein bisschen Smalltalk um zugucken ob die Kinder oder Mütter zusammen passen. Viele Erstlingsmütter haben halt noch nicht viele andere Mutterfreundinen.
    Ich denke mal dieses gequatsche muss man irgendwie machen, weil die Kinder in die Privatsphäre eindringen. jeden anderen Menschen würde man einfach ignorieren.

    • Wie bei allem macht wohl die Dosierung das Gift. Ich finde die Mütter, die ich so kennenlernen tatsächlich oft sehr cool, nur leider geht’s eben immer nach dem selben shema und danach nicht weiter. Dann rennt das Kind weg, bevor ich weiß, wie die Mama heißt und bevor wir zu was spannendem gekommen sind.

  2. Bei mir geht das so: Frage an mich: haben Sie Kinder, Nein, dann können Sie das nicht verstehen- hier nicht mitreden und überhaupt.
    Dann berichte ich von den (gelogenen) schweren Jahren nie ein Kind zu bekommen …..in allen Farben- Die Mütter drehen sich von mir ab…. Grüsse tom

  3. Oh, ich bin noch Frisch-Schwangere und es spricht mir jetzt schon so aus dem Herzen. Ich hatte letzte Woche schon überlegt, ob ich einen Artikel schreibe, Titel: „Lasst uns weniger über Kinder reden!“. Denn es ist ja so: Ich habe lange versucht schwanger zu werden, ich freue mich jetzt sehr, ich freue mich auch sehr, wenn andere sich für uns freuen, aber ich will nicht jeden Tag beantworten müssen: „Wie geht es dem Bäuchchen?“, „Alles gut mit dem Krümel?“, „Passt du gut auf mein Enkelchen auf?“
    Ich bin doch immer noch ich. Schreibe Bachelorarbeiten, führe einen Haushalt und eine Beziehung, bin Freundin, Tochter, Kollegin.
    Das Thema Schwangerschaft ist jeden Tag schon bei mir selber im Kopf so präsent, ich würde gern über andere Dinge reden können!

    • Erstmal GLÜCKWUNSCH! Das darf man immer zu einer Schwangeren sagen, finde ich. 🙂 Aber du hast recht, die Spirale fängt schon in der Schwangerschaft an. Und viele meinen es ja auch gut bzw. freuen sich mit oder finden das Thema Schwangerschaft einfach so toll. Aber ich glaube man muss diese Menschen, genau wie sich selbst, dann auch mal dran erinnern, dass man weiterexistiert. 🙂 Darum schreib doch gerne auch einen Blogtext dazu! ich glaube wir können nicht genug davon haben und ich bin gespannt, was du so zu erzählen hast. 🙂

      • Vielen, vielen Dank! 🙂

        Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass sich das erste Gespräch nach der Verkündung nur allein darum dreht und die Leute alles erfragen. Aber danach darf es dann auch gern wieder um andere Dinge gehen. 😀

        Ich versuche mal in den nächsten Tagen meine Gedanken zu dem Thema zu sortieren und schreibe dann dazu etwas. Mal gucken, ob ich danach für undankbar gehalten werde. So ist das nämlich keinesfalls gemeint. Ich finde nur, dass es bei mir und vor allem auch bei meinem Gegenüber doch noch genug anderes gibt. Ich möchte meine Gesprächsthemen einfach nur ERWEITERN und nicht komplett UMÄNDERN.

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