Erfolgreicher dank Intoleranz und Veganismus

Neulich an der Käsetheke. Ich: „Der Käse da, ist der eher mild oder eher würzig?“ Statt einer „Ja, der schmeckt so und so und passt hervorragend zu einem sommerlichen Pinot Meunier“, blafft mich die Verkäuferin an: „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin Laktose-Intolerant!“ Das Wort „intolerant“ spricht sie dabei politisch-aggressiv aus, als sprechen wir hier nicht über Rohmilchprodukte, sondern unsittliche Verhaltensweisen. What I do, in so einer Situation? Ich versuche das Ganze mit einem Scherz zu überspielen: „Dann haben sie ja ihrem Traumjob!“ Doch die Verkäuferin bleibt stinkig, so wie der Käse für den ich mich dank der inkompetenten Beratung entscheide.

Man kann sich seinen Job nicht immer aussuchen, rede ich mir auf dem Heimweg ein und lese dann dort: „Ex-Veganer werden zu Metzgern.“ Was wie eine geile Headline für einen Krimi daherkommt, ist wörtlich gemeint. Die New York Times hat mal wieder den latest hipster shit in Ihrer Trendmetropole erspäht. Angeblich eröffnen immer mehr Veganer und Vegetarier Metzgereien im Städtchen. Immer mehr ist dabei allerdings eine fragliche statistische Angabe. Hier greift eher das Prinzip Eins plus Eins sind Viele. Würde man die realen Zahlen der Fleischverweigerer erheben und den Gute-Story-MetzgerInnen im Artikel gegenüber stellen, wäre die Zahl mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht exponentiell. Doch zurück zu Traumjobs für Leute die immer schon was mit tierischen Produkten machen wollten.

Bei der Vorstellung, dass VeganerInnen Schinken verkaufen, habe ich wieder die Dame an der Käsetheke vor Augen. „Wollen Sie echt eine Leiche in ihrem Mund stecken?!“ Denn sooo stelle ich mir Vegane Fleischfachverkäuferinnen vor. 

Die Einzelfall-Ex-Vegannerin-Goes-Metzgerin in den USA schlachtet aber, weil sie damit aktiv etwas gegen Massentierhaltung tun möchte und die Missstände, die sie einst vom Fleisch weg trieben. Aus Liebe zum Tier erlegt, zerlegt und verkauft sie das jetzt mit Liebe und Wertschätzung.  Mord mit Happy End, weil der Mörder ja ein Guter ist. Das irritiert mich, aber alle anderen scheinen glücklich: Die Ex-Veganerin, weil ihr liebstes Grünzeug in Wahrheit schon immer der Fleischsalat war, die NYT weil solche Storys richtig viele Klicks bringen und sogar die Kunden, die sich freuen nicht irgendwo ihrer Fleischeslust nachzugehen, sondern bei einer Ex-Vegannerin, die sogar in der Zeitung war. Bei den Schweinen bin ich mir allerdings nicht sicher, ob sie es wirklich lieber haben wertgeschätzt zu Würstchen gemacht zu werden.

Nur eins ist eindeutig: Dass der Stinkekäse, den ich während der Lektüre der NYT esse, in mir auch Intoleranzen weckt, zumindest emotionale. Es wäre in meinem Fall durchaus sinnvoll gewesen, wenn die Frau an der Theke mit Leidenschaft statt Unverträglichkeiten bei der Arbeit gewesen wäre. Vielleicht schafft sie es aber auch irgendwann noch als „Laktose-Intolerante Käsefachverkäuferin“ in die Zeitung. Bis auf immerabgelenkt.de ist sie ja nun schon gekommen.

MOMTASTIC – Das Mamabuch des Jahres

Wir hatten es so satt. All die Bücher rund um Geburt, Schwangerschaft und Erziehung, in denen es immer nur darum ging, was man alles für sein Kind machen und lassen soll. Ich glaube, eine gute Mutter ist jemand, der ein guter Mensch ist. Happy me, Happy Family! Aber das ist gar nicht so einfach. Denn für’s gut und glücklich sein, gibt’s keine allgemein-gültige Checkliste. Was für A passt, geht für B überhaupt nicht und C missversteht die Anleitung komplett.

Darum haben meine Mama-Meeting-Mit-Gründerin Sarah und ich beschlossen, wir brauchen eine andere Art Buch. Und schwups, nur ein paar Monate, viele schlaflose Nächte und unendliche Diskussionen später, gibt es jetzt MOMTASTIC – Frau sein, Mama werden, cool bleiben. MOMTASTIC ist kein Ratgeber, sondern eine Inspiration und Motivation zum individuellen Lifestyle-Entwickeln als Mom. Denn Mamawerden verändert alles. Und Veränderungen sind gut. Wie man diesen Wendepunkt im Leben nutzt noch mehr Glück, Lebensfreude und Zufriedenheit zu finden, haben uns 24 fabelhafte Moms im Buch erzählt.

Dazu gibt es in den 228 Seiten Erhellendes und Aufklärendes dazu, was hinter dem berühmten Mom Guilt steckt, warum man als Mama auf einmal schwallartig anfängt zu heulen, wenn im Fernsehen traurige Kinderaugen auftauchen und wieso die Work-Life-Balance schon als Begriff einfach keinen Sinn macht.

Letzte Woche kamen unsere Probedrucke. Nach einer letzten Korrekturphase wird es jetzt Ernst. Wer das Buch dann unbedingt SOFORT im Briefkasten haben möchte, kann es seit HEUTE über https://mamameeting.de/buch-momtastic/ ordern!

MOMTASTIC - Das Buch!

Zu schwer für ein Huhn

Als Mama lernt man jeden Tag etwas Neues. Da meint man, so ein Kind sei eine leere Festplatte, die darauf wartet, dass man sie mit Wissen und Funktionen fülle. Fehler im System. Tatsächlich lernt man als Mama fucking viel dazu. Nicht nur so Sachen wie Multitasking, Auskommen ohne Schlaf und Nahrung, sondern auch was man ganz grundlegend im Alltag richtig oder falsch macht.

Meine offensichtlich nicht frei beeinflussbare Gen-Festplatte wird bald zwei. Seit über einem Jahr kann er selbst laufen. Leichter wird so ein Mensch mit zunehmendem Größenwachstum auch nicht. Und so lerne ich: Ich trage (ihn) zu viel*; hoch in den dritten Stock; zur Bahn; über die Straße. Ich schleppe ihn, wenn immer mir seine kleinen Füße alleine nicht schnell genug rennen oder ich das Terrain für zu gefährlich halte. Eigentlich voll logisch, vielleicht sogar nachvollziehbar.

ABER mir fallen mehr und mehr Situationen auf, in denen ich nicht nur IHN trage, sondern auch andere: FreundInnen, KollegInnen, Leute, die mir zu langsam oder unfähig vorkommen etwas zu tun. Ich trage diese Personen natürlich nicht tatsächlich. Ich bin ja auch nur 1,70 groß und nach Box-Gewichtsklassen Bantam-Gewicht. (Heißt wirklich so im Kampfsport. Ein Bantam ist übrigens in der realen Welt ein super niedliches Huhn! Googelt es! Jetzt! Und kommt dann zurück! Ich warte hier und picke weiter vor mich hin!) Ich Huhn mache das auch nicht absichtlich, sondern bis vor kurzem Unbewusst und vor allem aus Ungeduld und aus Ungeduld; und aus UNGEDULD(!!!). Ganz ehrlich glaube ich daran, dass auch meine Mitmenschen Sachen können, oft sogar besser als ich, aber eben nicht SCHNELLER.

Meinen Sohn zu tragen, bereitet mir Rückenschmerzen. Davon andere Menschen zu tragen (metaphorisch), kriege ich Kopfschmerzen. Dagegen kann ich nun also Schmerztabletten einwerfen, oder mein Verhalten ändern, das System umprogrammieren. Für so eine Systemtransformation ist aber eine Sache ganz wichtig: Geduld. Hab ich ja nun mal nicht. Kriegt man nicht in der Apotheke. Das wird also Arbeit. Habt ihr Tipps, wie man geduldiger wird und dabei Kopf und Rücken schont?

 

 

*Jajaja, Tragen ist gut für’s Baby und die Bindung sagen Eltern-Kind-Ratgeber. Aber mein Sohn ist nun mal kein Baby mehr und Händchenhalten tut ja auch was für die Bindung.

Vorsatz 2019? – Fuck your Vorurteile!

Auch in diesem Jahr geht’s heiter weiter auf Mama Meeting, darum folgt mir hier entlang für die ganze Story.

 

Hier ein Ausschnitt:

Vor kurzem unterhielt ich mich mit einem Bekannten, über den Personalbedarf in seinem Unternehmen. Er beschrieb eine vakante Stelle, die viel Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein, Sorgsamkeit aber auch Kreativität und Know-How in einem eher technischen Bereich forderte. „Ich kenne DIE ideale Besetzung für Euch!“, platze es aus mir heraus. Ich dachte an eine Mutter, die ich bei einem unserer Mama Meetings kennengelernt hatte. Die suchte zwar nicht aktiv nach einem neuen Job, hatte aber erzählt, dass sie seit ihrer Rückkehr aus der Elternzeit unterfordert war, nur redaktionell arbeiten sollte, obwohl sie sich für die technischen Aspekte ihres Jobs stärker interessierte. Ich wollte sie meinem Bekannten beschreiben, doch kaum hatte ich gesagt: „Ich kenne eine Mutter, die P-E-R-F-E-K-T für Euch wäre“ unterbrach er mich mit den Worten: „Wir hätten lieber jemanden, der jung und hungrig ist.“

Boom, fiel meine Kinnlade auf den Parkettboden. Jung und …

Der wahre Grund, warum Babys weinen

Ja, es ist mal wieder Zeit für einen richtigen Immerabgelenkt-Post. Kommt bald! Noch dieses Jahr! Versprochen. Ansonsten nächstes! 🙂

Bis dahin lest ihr mich auf Mama Meeting. Diesmal mit diesem Text:

Sich mit einem Kind in der Öffentlichkeit zu bewegen ist nicht leicht. In Geschäften und Boutiquen ist kaum Platz für den sperrigen Kinderwagen und lässt man die Kleinen frei laufen, räumen sie die Regale aus. Im Restaurant wird Mamas Essen kalt, während sie hinter dem kleinen Sonnenschein her hetzt. Sitzen er oder sie brav im Hochstuhl, fliegt das Besteck durch die Luft. Im Café läuft’s ähnlich. Wieder nur kalter Kaffee und im schlimmsten Fall noch ein “Pffzz, sie haben ihr Kind wohl nicht unter Kontrolle?”-Blick vom (kinderlosen) Nebentisch. Vor kurzem musste ich meinen eineinhalbjährigen in einer Bahn mit vier (!!!) Stunden Verspätung beschäftigen. Die Mitfahrerin neben mir beschwerte sich darüber, dass sie die Kinderserie auf meinem Ipad mithören könne. “Echt jetzt? Sie haben hier die Wahl zwischen Peppa Wutz und dem Geschrei meines Kindes? Das sind die beiden Optionen. Wählen sie weise!”, raunte ich zurück.

 

Während die Aussage “Boys will be boys” als Legitimation für das seltsamste Fehlverhalten von erwachsenen Männern zugelassen wird, sehen noch immer zu wenige Menschen ein, dass Kinder …

 

ZUM WEITERLESEN BITTE HIER ENTLANG… 

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Hunderte enthauptete Schwangere

Wir suchen ein neues Bild für unsere Mama Meeting Home. Das derzeitige Bild war als Platzhalter gedacht und weilt nun schon zu lange an dieser exponierten Position. Doch ein gutes Mamabild zu finden ist sau schwer. Für jedes Vorurteil, das man zum Muttersein im Internet verbildlicht findet, fehlen fünf Schwangeren die Köpfe. What? Ja. Ich sag’s nochmal, in anderen Worten: Im Netz werden Schwangere reihenweise enthauptet. Die Täter: Der böse Bildausschnitt. Mögliche Mittäter: Photoshop und Co.

Mit Mama Meeting wollen wir starken, ambitionierten Frauen Möglichkeiten bieten an der Verwirklichung ihrer Träume zu arbeiten. Das kann der Einstieg in den Traumjob sein, die Gründung eines Unternehmens oder einfach eine entspannte Work-Life-Balance.

Je tiefer ich mich nun aber durch die Bilddatenbanken dieser digitalen Welt klicke, desto mehr schreien mir die Bildbotschaften zu: „Du bist kein Mensch mehr, sondern nur noch Bauch oder Baby!“ Ich sehe überall Bäuche und Arme, die Kinder halten, aber selten Köpfe. Vom Hals aufwärts sind die Damen auf den Bildern guillotiniert, wie das französische Adelshaus 1789. Dabei handelt es sich nicht um einen Klassenkampf. Bei den kostenlosen Datenbanken ist die Bandbreite der reinen Bäuche genauso beschämend, wie bei den teuersten für High Quality Werbebilder.

Das ist ziemlich scheiße. Nicht nur für meine Suche nach einem neuen Bild für unsere Homepage. Sondern auch gesamtsozial. Denn, wenn immer es nun um Schwangere oder Mütter im Netz geht, sieht man nur einen kleinen Teil von ihnen. Und den dann auch noch in überhöht ästhetisierter Darstellung als Superbabybauch.

Ein Lichtblick zum Schluss: Ich habe nun den Fehler gefunden. Er liegt natürlich bei mir. Ich habe einfach die falschen Suchbegriffe eingegeben. Denn Suche ich nach Vätern, finde ich ganz viele Köpfe, Gesichter, verschiedene Situationen: Freizeit, Arbeit, Urlaub, das Leben in all seinen Facetten.

Copy von Mamameeting.de – „Danke für den Free Sex, Edition F“

Ich bin nicht anständig geworden, nur gerade mehr „ImmerMama“ als „Immerabgelenkt“. Darum gibt’s Aktuelles aus diesem Kosmos momentan auf Mama Meeting.

Wenn ihr mir also zu meinen Erfahrungen auf dem #fffday (Female Future Force Day von Edition f) folgen mögt, bitte hier entlang. Aber bitte Schuhe ausziehen vor dem Betreten, wir wollen die Kinder ja von den Keimen fern halten:

Mit der Mission, die coolsten Moms des Landes zu finden, haben wir unsere Kids in Köln gelassen und sind nach Berlin geflogen, zum FFFDay. Keins der Fs steht für Fucking, aber trotzdem gab’s nen Vibrator geschenkt. Das finden wir sehr aufmerksam und bedanken uns herzlich bei den Organisatorinnen des Female Future Force Days. Auch unabhängig vom batteriebetriebenen Gastgeschenk waren die Vibes des Tages mehr als befriedigend und mit multiplen Höhepunkten versehen. Für Hautkontakt und Reibung sorgten die langen Schlangen und überfüllten Räume und damit bei so vielen Frauen in den Hallen das Oströgen nicht Überhand nehmen konnte, standen Körbe voller phallischer Würstchen…

Bitte kein Babybullshit mehr für mich

 

Ich bin gerne Mutter, aber langsam reicht mir der Babybullshit. Ich kann den Singsang nicht mehr ertragen. Das immer gleiche Spiel, der stets tröge Smalltalk, die Komplitzenschaft aufbauenden Komplimente und das Pseudo-Netzwerken. Eine Diskussion als Teufelskreis:

„Wie alt ist er/sie?“ Ich möchte hinzufügen „es“, denn in vielen Fällen kann man sich dem Geschlecht eines Babys nicht über primäre visuelle Marker annähern. Rosa oder blaue Kleidung torpediert die Parolen des Feminismus, ist aber auf einem Spielplatz eine super Sache. Denn Mama will ja nicht, dass ihr Kind verkannt wird, nicht in seinem Geschlecht, noch in seinen Talenten. So folgt dann auf die Frage nach dem Alter eine Anerkennung der Fähigkeiten des kleinen Gefährten. „Der läuft ja schon toll!“, kann auch wahlweise ersetzt werden mit krabbelt, robbt, spielt im Sand, hält die Schippe, lächelt oder was einem gerade auffällt. Erscheint das Kind völlig unbegabt, ist da gottseidank immer noch die Kleidung, über die man Nettigkeiten los werden kann. Ist selbst da nix zu zusagen, lässt man einfach ein „Der/die/(das) ist ja zuckersüß!“ fallen. Geht immer, selbst bei den hässlichsten Blagen. Warum man das macht? Das frage ich mich auch. Jeden Tag in Kindercafes, auf Spielplätzen und in den unzähligen Frühkindlichen Förderkursen, die ich mit meinem Sohn besuche, um aus dem Haus zu kommen. Das war und ist der Modus Operandi dieser Milieus, ist meine These. Denn ich erfahre das nicht nur, sondern beobachte es auch. Am Nebentisch und an der Rutsche findet tagtäglich genau dieses Annäherungsritual zwischen zwei sich fremden Müttern statt. Ich sage „Mütter“ inkludierte in diesem Begriff auch alle Väter, denn die spielen da genauso mit.

 

Hat man diese Hürde genommen und sich als Mamas kennen gelernt, geht es intellektuell leider nur weiter bergab. Das liegt nicht daran, dass die Frauen so dumm wären, aber scheinbar wird man nach einer Geburt verbal unkreativ. Denn mit den Damen, die ich als „Dem Jona seine Mama“ und „Mama von Lisabeth“ in mein Handy einspeichere, sprach ich über Wochen ausschließlich über Babybullshit. In diese Kategorie fallen in chronologischer Reihenfolge: Stillerfahrungen, dann Beikosterfahrungen, dann Entwicklungsschritte (Rollen, Robben, Krabbeln, Laufen, Sprechen) und schließlich die katastrophale Betreuungssituation in der Großstadt. Da letzteres ja fast als Diskussion zu politischen Themen zählt, könnte man hoffen, nun ging doch noch auf über den Kindertellerrand. Doch die Lage scheint in Köln so mau, dass wir Mamas unter uns nur darüber meckern können. Ein Kontinuum aus „Oh, wie toll“ und „Ach, wie schlimm“ bildet die Bandbreite der Unterhaltungen, denen ich lieber entgehen will.

 

Leider sabotiert mein Nachwuchs Versuche den Müttern dieser Welt auszuweichen. An jedem Spielplatz fängt er an zu weinen und zu toben. Er will auf die Schaukel oder die Rutsche oder einfach jemandem seinen Ball klauen. Das will ich auch lieber tun. Stattdessen stehe ich hinter ihm, schubse in an und antwortet: „13 Monate. Ja, er hat schon früh mit dem Laufen angefangen. Ach die Hose, die haben wir geschenkt bekommen. Nein, wir haben noch keinen Kita-Platz, aber vielleicht was bei einer Tagesmutter in Aussicht. Ja, es ist echt furchtbar. Ich kenne auch keinen, der bei den Städtischen was bekommen hat.“

 

An den meisten Orten der Großstadt kann man sich aufhalten, ohne mit anderen Menschen interagieren zu müssen, selbst, wenn man sich ganz nah ist, z.B. in Fahrstühlen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich hier lebe. Je näher sich Menschen sind, desto weniger scheinen sie miteinander kommunizieren zu wollen. Doch auf Spielplätzen scheint die Verhaltensbiologie auszusetzen. Hier wird man immer angequatscht und dann geht’s wieder los: „Wie alt ist er/sie/(es)?“… Ich glaube es liegt nicht an den Müttern, ich mache das ja auch. Ich mache da ja auch mit. Nagut, ein bisschen liegt es dann vielleicht an mir. Aber es reicht. Darum habe ich mit einer Freundin einen Babykurs zur frühmütterlichen Förderung ins Leben gerufen: Mama Meeting.

Regel Nr. Eins des Mama Meetings: Es wird nicht über Kinder gesprochen.

Regel Nr. Zwei des Mama Meetings: Es wird wirklich nicht über Kinder gesprochen, egal was Dein Kind kann, gegessen oder gerade ausgeschieden hat.

Regel Nr. Drei: Zu jedem zweiten Mama Meeting gibt’s Wein oder ähnliches. Dann muss ich den nicht mehr im Bio-Wiederverwendbaren-Bambus-Supermom-To-Go-Becher auf den Spielplatz schmuggeln.

Man kann mit Kindern auch keinen Spaß haben

Kinder sind ein Wunder, jedes einzelne. Eltern wiederum sind in 9 von 10 Fällen ein Grund, um sich zu wundern. Die eine Ausnahme bin natürlich ich; weil ich perfekt bin und ALLES, wirklich ALLES absolut und immer richtig mache. Dass das alle anderen Eltern auch von sich denken, ist mir schon klar und in die Statistik eingerechnet. Einen Beweis dafür erhielt ich am vergangenen Wochenende beim Besuch eines Familienfreundlichen aka Kindercafés. Normalerweise kann an diesen Orten der Lautstärkepegel gemessen werden, bei dem jede Heavy Metall Rockband, die auf der Start- und Landebahn des Frankfurter Flughafens während vollen Flugbetriebes spielt, neidisch wird. Es wird geschrien, gelacht, geweint, mit harten Gegenständen auf den Boden geklopft, mit Essen und Geschirr geschmissen, Mobiliar und andere Kinder umgeschubst, getanzt, gehüpft, gespuckt und sogar laut gepupst. All das gleichzeitig. Beim Verlassen dieser oft dennoch süßen und bunten Lokale, kommt mir das Lärmen der nächsten Autobahn vor wie meditatives Meeresrauschen.

Doch diesmal herrschte Stille im Café, als ich reinkam; nicht weil es leer gewesen wäre, oder weil meine Mitmenschen endlich mal erkannt hätten, dass man auch mal vor Staunen erstarren kann, wenn ICH, ICH HÖCHSTPERSÖNLICH, den Raum betrete. Fast auf jedem Stuhl saß jemand. Doch kein einziger und keine einzige unter 36. Selbst für demonstrativ junggebliebene ist der Besuch eines Kindercafés ohne Anhängsel unter 12 Jahren seltsam. Noch skurriler war, dass sich niemand der Anwesenden in einer Konversation betätigte. Ein selbst für ein kinderfreies Cafe nicht ortsgerechetes Verhalten. Stattdessen wurde müde auf Smartphones und Tablet herum gewischt und ab und an, auch mal ein Blick durch den Raum geschmissen, aber ohne jede Bewegung der Mundwinkel. Ich fragte darum die hinter der Theke zusammengescharrten Cafetanten, was denn los sei, ob heute vermutlich keine Kinder im Kindercafé erlaubt seien.

„Nee, gerade läuft nur noch das Casting von Verstehen Sie Spaß“, erklärte mir die nette Dame, hinter der Vitrine voller Kuchen und Muffins. Kurz wachte meine Paranoia auf. Casting? Kameras? Verstehen Sie Spaß? Ich? Nein, ehrlich nicht. Spaß mag ich gar nicht und daran gibt’s auch nichts zu verstehen.  Oh shit, bin ich da in irgendwas reingelaufen, das mir peinlich sein sollte? „Sucht euch doch einfach einen Platz, gleich kommen noch Kinder. Der normale Betrieb startet heute etwas später“, empfahl man mir dann. Nagut, nagut. Mit Kind sitzt man sowieso immer auf dem Boden. Ich bestellte mir also meinen Cappuccino in die Spielecke und kam meinem mütterlichen Auftrag der frühkindlichen Förderung nach, in dem ich meinem kleinen Schatz ein Spielzeug nach dem nächsten zum Anlecken reichte. Während wir da so unserem Babybusiness as usual nachgingen, schoss doch immer mal wieder ein skeptischer Blick zu uns runter. Wie jede verantwortungsvolle Mutter, schnupperte ich kurz an meinem Baby. Vielleicht hatte er ja gepupst und man sah uns deswegen so komisch an. Nein, scheinbar noch alles frisch. Ich schnupperte kurz an mir. Auch alles okay. Ich zog mein Smartphone aus der Tasche und kontrollierte, ob ich Karottenbrei-Strähnchen im Haar hatte. Auch hier schien mir alles clean.

Was war nur los? Ich meinte eine Frau ein paar Meter weiter leise flüstern zu hören: „Die werden auch immer jünger.“ Was denn? Wie bitte? Eigentlich werden Babys immer älter, jeden Tag, und dazu noch größer und dicker. So wie wir alle, bis wir irgendwann 200 Jahre alt, vier Meter groß und kugelrund sind. Circle of Life, Baby. Ich fühlte mich so unwohl, dass ich meinen entkoffeinierten Kaffee wie ein vollalkoholisches Destillat, in einem Schluck, meine Kehle runterspülte.  Den Drang der Kellnerin zuzurufen: „Noch einen, einen doppelten, bitte!“ musste ich unterdrücken. Wir spielten noch eine Weile in die Stille hinein. Die Augenpaare um uns herum, lösten sich eins nach dem anderen von ihren leuchtenden Endgeräten. Als dann doch eins meinen Blick traf, fragte ich: „Sie sind also hier wegen des Castings?“ Nur ein Nicken, statt einer verbalen Antwort kam über den Tisch neben uns. Der Mann sah sich sogar um, um zu überprüfen, ob er denn wirklich gemeint war oder sich noch jemand anderes fände, der sich auf die Unterhaltung einlassen könnte. „Und was passiert da?“, fragte ich weiter. Er sah nochmal zur Seite. Da wurde aber nur schnell weggeguckt, wie in der Schule, wenn der Lehrer oder die Lehrerin so unverschämt werden, jemanden ungemeldet dranzunehmen. „Wissen wir nicht“, antwortete der Herr für’s schweigende Kollektiv. Die Fragezeichen in meinen Augen, veranlassten ihn dann noch zu einem weiteren halb genuschelten Satz: „Wir durften nicht mit rein.“ Die Fragezeichen blieben in meinen Pupillen. Selbst mein kleiner Begleiter sah kurz vom Spielzeug auf. Was war denn hier los. „Eltern sollten draußen bleiben“, wurde mir erklärt. Und da fiel das Bauklötzchen. Achso! Ein Kindercasting! Und das hier waren alles wartende Eltern! Deswegen redete hier keiner. Im Showbusiness spricht man ja nur über die Konkurrenz und nicht mit ihr!

„Und sie hatten gehört, dass hier ein Casting ist und dachten, da gehen wir mal vorbei. Ist ja vielleicht lustig?“, wenn man schon den Fehler begeht, in ein Gespräch mit mir zu plumpsen, kommt man da nur mit einem Abschleppseil und einem Jepp wieder raus. Der Vater des zukünftigen Filmsternchen schüttelte den Kopf und belehrte mich: „Die Agentur hat uns hergeschickt. Unser Sohn ist bei einer Agentur!“

Während über meinem Kopf Gedankenblasen mit „Aha! Aha! Aha!“ emporschwebten, öffnete sich dann auch die Tür zum Nebenraum und ein Mann vom Fernsehen (zu erkennen an der schwarzen Hose mit vielen Taschen, dem schwarzen Hoodie, vermutlich mit schwarzem T-Shirt darunter – von den Farben her die Uniform eines Architekten, aber dann doch viel zu schlunzig umgesetzt) betrat die Bühne bzw. das Cafe. Es folgte eine Gruppe von Kindern, gerade zu alt für die Grundschule, oder nicht mehr? Oder doch älter? Auch als Mutter, fällt es mir super schwer zu sagen, wie alt Kinder sind. Die, die da kamen konnte zumindest schon laufen, sprechen und hatten noch keine Pickel, aber etwas zu große Füße für ihr Körpergesamtformat.

„Ist die Mutter von Philipp* hier?“ rief der Fernsehmann in den Raum. (*Name von mir geändert, nicht um irgendjemandes Privatsphäre zu schützen. Ich hab mir den Namen schlicht mal wieder nicht gemerkt, tue ich nie. Ich bin schon froh, wenn ich den Namen meines Sohnes richtig treffe.) Eine sehr gut gekleidete Mutter sprang auf und verbreitete ihr sehr gut riechendes, vermutlich sehr teuren Parfüm. Vielleicht war es aber auch nur der pure Stolz, der da von ihr aufstieg. Denn ihre Augen funkelten, bereit sofort in den Flieger nach Hollywood einzusteigen. „Wir haben mit Wasser hantiert und ihr Sohn hat da an der Hose einiges abbekommen. Wollte ich ihnen nur sagen, nicht dass sie denken, dass das, naja, was anderes ist,“ holte sie der Fernsehmann auf den Boden der Economy Class zurück. Von 100 auf Null fiel ihre stolze Brust zusammen.

Kaum waren die Kinder aka Jungdarsteller da, stieg die Lautstärke wieder auf die Dezibelwerte eines Vulkanausbruchs und der Vater, mit dem ich mein zähes Pläuschchen geführt hatte, ergriff die Flucht ohne mir Tschüss zu sagen. So konnte ich meine brennenste Fragen nicht mehr stellen: Wissen Kinder eigentlich noch was Fernsehen ist? Wo kann ich mein Baby für seine Youtube-Karriere anmelden? Und darf ich dann als Mutter in Kindercafés auch keinen Spaß mehr haben? Oder bestelle ich mir lieber einfach ein Stück Kuchen?

7 Regeln für die Ansprache von Müttern

In meiner Facebook-Timeline taucht ein Hinweis zu einer Krabbelgruppe ab 3 Monate auf. Darunter ein Kommentar: „Welche Rabeneltern schieben ihr 3 Monate altes Baby ab?“ Wenn man das in dem Kurs wirklich könnte, wäre der Kurs vielleicht noch überbuchter als sowieso schon. Kurz darauf taucht in meinem Newsfeed ein Artikel auf, in dem ein Psychologe erklärt, Eltern würden ihre Kinder in Zeiten der Digitalisierung mehr verhätscheln als je zuvor. Denn um den Blick nicht zu lange vom Handydisplay abzuwenden, erhielten die Kleinen schon nach kurzem Quengeln was immer sie wollten. Ich hörte nun, dass es Eltern gibt, die überlegen, sich statt einem zweiten Kind lieber einen Secondscreen anzuschaffen.

Offensichtlich ist die Welt voll von Mütter und Väter, die als schwarze Vögel oder Helikopter über ihren Babys kreisen. Während ich mich also naiv darüber freue, dass mein Schatz täglich neues entdeckt (gestern waren es seine Zehen! Spektakulär!), muss ich zusehen, wie die Liste der Dinge, die ich falsch mache schneller wächst als mein Sohn.  

Das wäre noch okay, wenn es sich bei dieser Erfahrung um eine rein digitale handelte. Denn im Internet ist bekanntlich alles 100mal lauter als auf der Straße. Im Netz ist jeder Fehltritt gleich ein Verbrechen und eine Horde von pöbelnden Laienrichtern steht twentyfour-seven bereit, um eine öffentliche Exekution durchzuführen, gegen die die französische Revolution wie eine Bergische Kaffeetafel aussieht.

Das schöne war bisher: Schaut man doch auf vom Display, gucken alle anderen schnell peinlich berührt zu Boden. ABER NICHT, wenn man ein Baby dabeihat! Auf einmal starren mich Menschen länger an, als die in der Großstadt tolerierten 2 Sekunden oder sprechen mich sogar an!!! Diese sozialen Interaktionen wären vielleicht, ganz vielleicht ganz nett, wenn nicht immer irgendwelche Ratschläge nach den obligatorischen drei Fragen nach Geschlecht, Alter und Gewicht kämen. Scheinbar gibt es (noch) keine Small-Talk-Regeln für die Ansprache von Müttern. Dem kann ich gerne Abhilfe schaffen:

Regel Nr. 1 – Wenn du den Blick nicht von mir und meinem Baby lassen kannst, lächle wenigstens dabei. Vielleicht lächeln wir zurück und der Tag ist für uns alle ein bisschen sonniger geworden.

 

Regel Nr. 2 – Wenn du nicht anders kannst, als uns anzusprechen, sag etwas Nettes. Wir mögen Komplimente; beide.

 

Regel Nr. 3 – Wenn das Baby im Kinderwagen liegt, sag mir nicht, ich würde mein Kind vernachlässigen, weil es so weit von von meinem Körper weg ist.

 

Regel Nr. 4 – Wenn das Baby in der Trage sitzt, erzähl mir nicht, ich würde mein Baby verhätscheln und es wollte dann für IMMER auf den Arm, bis er 18 ist.

 

Regel Nr. 5 – Wenn du danach fragst, wie lange mein Baby schläft, mach dich darauf gefasst, auch über deine Schlafgewohnheiten ausgefragt zu werden? „Wie schläfst du denn so? Wie lange? In welcher Position? In was für einer Art Bett? Abgedunkelt oder bei Tageslicht? Mit was für einer Decke? Aha, aha, aha.“ Egal, was du antwortest, ich werde dann sagen: „Oh, das ist aber ganz, ganz schlecht! Ganz ungesund!“

 

Regel Nr. 6 – Fass das Baby nicht an. Es kann zwar noch nicht beißen, ich aber schon.

 

Regel Nr. 7 – Wenn mein Baby plötzlich in der Öffentlichkeit schreit, guck mich nicht so an, als läge es an mir. Viel wahrscheinlicher ist, dass es an dir liegt.

Über meine nun offenbar öffentlichen Brüste

Ich dachte immer, meine Brust in der Öffentlichkeit zu entblößen würde sich seltsam anfühlen. Viel komischer kommen mir jetzt die Unterhaltungen, die ich darüber führen muss, vor.

„Stillen Sie?“, fragte mich eine weißhaarige, kleine und nette Dame an der Käsetheke neben mir. Auch die Verkäuferin beim Bäcker wollte wissen, ob ich meinem Kind die Brust gebe, bevor sie das Brot rüberreichte. Schon vor der Geburt erkundigte sich ein Freund, ob ich vorhabe zu stillen und selbst die Nachbarin meiner Eltern interessierte sich für die Ernährung meines Babys. „Stillst du?“, scheint das neue „Hallo“ zu sein, seit ich ein Kind dabeihabe.

Würde man mich damit konfrontieren, wenn mir gerade der Busen aus dem Shirt hängt, wäre es ja okay. Dann wäre es eine freundliche Nachfrage in Richtung: „Haben sie nicht was vergessen? Haben sie mit der Brust noch was vor heute oder hängt die da nur so?“ Ob ich gerade stille und nicht gestört werden möchte, wäre auch noch passabel. Aber sich während der Kleine im Kinderwagen liegt und schlummert zu erkundigen, was ich so den Tag über mit meinen Titten tue, überschreitet die Grenze zu meiner Intimsphäre.

Die Nachfragen allein wären vielleicht noch zu ertragen, hätte sie nicht eine implizierte Aufforderung und folgte nicht IMMER die Belehrungen, wie gut Muttermilch sei, dass es das allerallerbesteste für’s Baby ist und JAJAJAJAJAJA…. weiß ich alles, habe ich alles vorher schon gehört und 1000 mal gelesen. Wenn man 10 Monate Schwanger war, dann ist dieses Thema nicht gerade Big News. Dann hat man schon parallel zum Wehenabständemessen, ausgerechnet wie viele Portionen Eis und Gummibärchen man dank Stillernährung zukünftig extra essen kann (- fünf Kugeln oder eine Tüte, mindestens…wenn das Kind viel trinkt sogar noch mehr. Yeah!). Dann findet man Stillen längst selbst super, weil man auf einmal doppelt soviel Holz vor der Hütte hat, wie zuvor, weil man im Bett liegen und abnehmen kann, weil man keine Fläschchen spülen muss und weil man, solange man das Baby nicht zu Hause vergisst, für sein Wohl eigentlich schon alles eingepackt hat. Zur Sicherheit schaue ich bei jedem Aus-dem-Haus-gehen, aber nochmal nach, ob die Brüste wirklich da sind.

Wir sind uns also alle einig, dass Stillen super ist. Warum muss ich mich der Frage dann ständig wieder stellen? Weil es in dieser neuen Welt, in der ich mich nun bewege, der Welt als Mutter, nur schwarz und weiß gibt, nur richtig oder falsch. Es ist nur ein schmaler Grad zum Rabenmuttertum und wer sein Kind nur in die Nähe einer Flasche bringt, als handele es sich um einen trockenen Alkoholiker statt eines Neugeborenen, der steht schon mit einem Fuß auf der dunklen Seite.

Der Druck zur Brust ist nur eins der Dogmen, die mir derzeit begegnen. Über Schnuller reden wir ein andermal und das Fass über’s Impfen machen wir lieber gar nicht erst hier auf. Aber es ist sehr seltsam, dass so viele Babys zu gesunden Erwachsenen Menschen werden, die ihre Zeit dann mit Diskussionen über’s Stillen verschwenden können, wenn man doch so leicht alles falsch macht als Mutter.

Schrei einmal für Ja und zweimal für Nein

Mein Baby ist da. Glücklicherweise schon seit vier Wochen. Ansonsten wäre ich doch sehr drüber gewesen und geplatzt. Und seit er da ist, gucke ich öfter auf’s Baby als auf’s Handy. Währenddessen schwanke ich zwischen „Du bist ja sooooo süß!“ und „Könntest du doch bitte schnell mal sprechen lernen!“ hin und her. Denn ganz ehrlich, menschlicher Nachwuchs ist toll, aber kommt mit SEHR eingeschränkten Features.

Wie Iphones kommen Babys beispielsweise alle mit dem gleichen Klingelton. Kaum erklingen diese „Geräusche“, schauen sich alle Mütter in der Nähe um und sind dann erleichtert, wenn sie merken, dass nicht das eigene Kind diesen Lärm produziert. „Diesmal muss ich nicht rangehen“, denkt man dann beruhigt. Das Iphone hat dem Baby allerdings die Lautstärke-Regelung voraus; und den Vibrationsalarm. Damit steht es 1:0 für Apple vs. Evolution. Aber der Akku vom Baby hält viel länger, selbst wenn es mehrere Stunden auf voller Lautstärke spielt. Damit steht es wieder 1:1.

In Führung bei diesem Vergleich geht das Baby dann schließlich, weil man sich die Suche nach Steckdosen zum Aufladen spart. Ja gut, man muss schon wissen, wo die mobilen Powerbanks für’s Kind bei der Mutter sind: In der Regel oberhalb des Bauchnabels. (In der Regel…nicht immer.) Aber dafür klappt’s ganz kabellos und überall.

Was die Stoßsicherheit angeht, gibt’s für beide keinen Punkt. Beide Geräte sollte man lieber nicht fallen lassen.

In Sachen Reinigungen ist das Baby pflegeintensiver. Dafür sind die Mitarbeiter beim Kinderarzt netter als die Hipster im Apple Store. Aber der größte Vorteil: Man braucht nicht jedes Jahr ein neues. Das Design wächst mit. Damit gewinnt das Baby schließlich und ich widme mich ihm nun gleich wieder. Es wacht nämlich gerade auf.

Geht’s los? Jetzt? … Jetzt? Jetzt aber, oder?

Wenn Nestlé bei dir nachhakt, ob das Baby denn nun endlich da sei, weißt du, dass du echt über deinen Termin bist. Dabei ist es erst eine Woche. Nach 40 Wochen Schwangerschaft, empfinde ich das gar nicht als sooooo lang. Und als jemand, der regelmäßig auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, ist mir auch eine gewisse Toleranz für Verspätung ansozialisiert.

Aber die Welt sorgt sich, ein bisschen um mich und ein bisschen um das Baby aber VOR ALLEM darum etwas zu verpassen, etwas nicht in der Sekunde, in der es passiert mitzubekommen. Egozentrisch wie ich bin, versuche ich mir dennoch weiter einzureden, es ginge nur um MICH, wenn wieder jemand eine Whatsapp mit „Naaa?“ schickt oder mir meine Schwiegermutter mir rät diesen ruhigen Tag noch zu genießen und dabei ganz beiläufig fragt, wie es mir denn so ginge. „Wie geht’s dir?“ ist aber eigentlich Code für „Geht’s schon los?“. Zu lange schwanger zu sein, ist offensichtlich nicht zeitgemäß.

Inzwischen habe ich meinen Whatsapp-Status in „Das Baby ist noch nicht da“ geändert. Das brachte kurz Ruhe. Dann kamen die Nachfragen, ob das denn noch aktuell sei. Besonders beliebt sind auch Prognosen. „Ich glaube heute kommt das Baby?“, wird zahlreich gewettet, aber immer OHNE einen Einsatz zu nennen. Die ersten Pakete Windeln wären ansonsten schon jetzt refinanziert. Oft sind die Nachfragen nett. Stressig wird es, wenn ich nicht mehr antworte und Hypothesen bei mir eingehen, ist sei doch jetzt sicher auf dem Weg ins Krankenhaus. Nein, bin ich nicht. Ich bin noch hier oder beim Sport oder schreibe oder blogge oder backe oder mache so dies und das, was ich eben so mache. Ich bin tatsächlich auch hochschwanger noch busy. Das geht auch nicht anders, das ist Teil meiner Persönlichkeit. Wenn ich aufhöre busy zu sein, wird es angebracht zu fragen, wie es mir geht.

Vielleicht wissen meine Freunde, Familie, Bekannte und die Newsletter-Verschicker bei Nestlé aber auch mehr als ich. Vielleicht hat irgendwo ein Orakel verkündet, dass dieses Baby der Messias ist, der die Lösung für Klimawandel, Krankheiten und den Umstand, dass gutes Essen zu viele Kalorien hat, mitbringt – und für alles andere, was noch so auf dem Weltrettungswunschzettel steht. Dann wäre die ganze Aufregung natürlich legitim. Und dann wäre ich schon jetzt die ignoranteste Mutter Deutschlands. Kein guter Start. Vielleicht will es deswegen nicht raus. Statt zu schreiben, zu backen oder Rückfragen dazu, ob das Baby denn nun da ist zu beantworten, trainiere ich mir also lieber mal schnell den „Mein Kind ist ein Wunderkind“-Habitus an. Hat hierfür jemand Tipps, Ideen oder Erfahrungswerte?

Die wahren Gründe, warum Babys bei der Geburt schreien – Geburtseinleitung mit Google

Der errechnete Entbindungstermin ist vorüber, aber das Baby hat keine Anstalten gemacht sich zu entbinden. Ist vielleicht auch ein bisschen viel verlangt von jemanden, an den die letzten 10 Monate lediglich die Forderung gestellt wurde, größer und dicker zu werden. Mit dem Tag an dem das Baby selbstverständlich nicht kam – weil Babys Zeiten und Kalender pupsegal sind, so wie ihnen alles, außer Brüsten, Brüllen und ihren eigenen Bedürfnissen pupsegal ist (niemand beansprucht das Konzept von pupsegal so für sich, wie Babys) – begann ich, neben den 28.945 Fragen, die man sonst so während einer Schwangerschaft googelt, nach dem Thema Einleitung zu suchen.

Dass mich ein guter Teil der Tipps, die ich fand, ins Krankenhaus bringt, davon bin ich überzeugt. Dass ich damit wirklich auf der Station für Geburtshilfe lande ist nicht ganz sicher.

Denn meinen Recherchen zu Folge ist die natürliche Geburtseinleitung ganz einfach: Ich muss nur Postkoital mit einem in Nelkenöl getränkten Tampon Treppensteigen, dabei extrem scharfes Essen mit Literweise Tee aus Zimt, Eisenkraut und Himbeerblättern runterspülen und meine Nippel reiben. Klingt machbar. Vielleicht sind die Dinge, die man sich so in die Vagina stecken soll aber auch der Grund, warum Babys bei der Geburt schreien.

Lockender klang da schon Folgendes: Die Geburt mit Kaffee anregen. Leider soll man das Aufputschmittel aber nicht trinken, sondern untenrum frei für gute 20 Minuten über aufgebrühtem Kaffee abhängen. Mir kommt dabei die Idee einer Geburt in einer mit Kaffee gefühlten Wanne. Muss es wohl schwarzer Kaffee sein oder sind Milch und Zucker erlaubt?

Doch besonders abartig fand ich folgenden Vorschlag: Fenster putzen. „Schatz, wenn du die Fenster putzt, dann kommt das Baby, du machst das also nicht für den Haushalt, sondern für dich“, höre ich Männer sagen, die dieses Gerücht ins Netz gesetzt haben. „Und wenn das nicht hilft, dann putz doch noch das Auto, mäh den Rasen und tapezier die Küche.“

Spätestens am Punkt mit dem Putzen, habe ich beschlossen, keinen der Tipps zu befolgen. Dann bleibt das Baby halt drin und rund auf dem Sofa. Liebe Krankenkasse: Der Mutterschutz geht noch eine Weile! Ihr könnt das Geld auch direkt in Schokolade schicken.

Die längste Schwangerschaft ever dauerte übrigens angeblich 13 Monate bzw. 53,3 Wochen. Kann das wirklich sein? Und wie sahen die Fenster dieser Dame aus?

Entgegen allen Vorsätzen

Schreiben ist für mich die beste Ablenkung von der seltsamen Nervosität, die mich manchmal überkommt. Diese Zustände, man kann es nicht anders nennen, sind schlimmer als jede Schwangerschafts- oder PMS-Stimmungsschwankung und lassen sich zeitweise durch Sport besänftigen. Dann renne ich zwei Stunden auf dem Laufband vor dem Zuviel in meinem Kopf weg. Doch sobald ich stehe oder sitze, kommt das Zucken zurück. Mit den Fingern auf der Tastatur geht es ganz gut, aber was dabei rauskommt, ist nicht immer besser als der Wahn, der mich treibt.

Darum habe ich heute eine der Figuren im Manuskript getötet, an dem ich gerade sitze. Eigentlich sollte es in der Geschichte nicht um Mord und Totschlag gehen. Doch die blöde Kuh ging mir auf Seite 70 so auf den Keks, dass ich sie habe umlegen lassen. Ich fühlte mich danach besser. Doch den eigentlich Plan, den ich für die Handlung hatte, kann ich jetzt vergessen. Damit kann ich die 6000 Worte, die bisher an der Stelle folgten, an der die Figur nun aus der Geschichte ausscheidet, wegwerfen bzw. weglöschen.

Oder nicht? „Mach doch einen Vampirroman draus und lass sie auferstehen“, rät meine stets lösungsorientierte besser Hälfte. Ein netter Rat, aber ich kann ihn nicht befolgen. Denn statt eines unterhaltsamen Frauenromans, wie anfangs geplant, stehe ich mit diesem Mord nun schon wieder mit einem Bein im Krimi. Mit Untoten wird Fantasy draus. Dabei wollte ich diesmal (und das war mein GROßER Vorsatz für diese Geschichte) ein Buch schreiben, das in EIN Genre passt. Es kann doch nicht so schwer sein, dachte ich. Aber dann lag sie schon blutüberströmt auf dem Boden… und jetzt muss ich mir überlegen, was ich mit der Leiche und dem Rest der Handlung mache.… und das hilft so gar nicht gegen die Unruhe. Es wird also noch eine Weile dauern, bis ich mit diesem Manuskript fertig bin, falls überhaupt jemand bis zum Ende überlebt. Im Moment sieht es, was das angeht, nicht gut aus. Vielleicht sind das doch die Schwangerschaftshormone…

Buchverlosung „SO SEIN WIE SIE“ – noch acht Tage

Der Countdown läuft! Nur noch acht Tage, dann ist es soweit! Und damit meine ich diesmal nicht die Geburt. Keine Ahnung, wann und ob dieses Baby beschließt, sich mal das Wetter hier draußen anzuschauen. Es geht um die Verlosung meines Romans „SO SEIN WIE SIE“.

Ich muss Platz schaffen für die Konsumwelt, die man sich mit einem Kind ins Haus holt. Darum habe meine Schränke ausgeräumt und verlose 20 Printexemplare von „SO SEIN WIE SIE“ auf lovelybooks. Wer eins davon abstauben möchte, kann sich bis zum 30. April an der Verlosung beteiligen. Hier der Link für alle, die mitmachen wollen:

http://www.lovelybooks.de/autor/Juliane-Ungaenz/SO-SEIN-WIE-SIE-1444163717-w/buchverlosung/1443190732/

 

Und hier der Klappentext zum Buch, für alle, die erstmal wissen wollen, welche Katze im Sack sie sich da schenken lassen:

Klara möchte mehr erleben. Mit Anfang dreißig hat sie das Gefühl, dass ihr Leben schon jetzt nur noch “Liebe, Hochzeit, Kinder, Ehe-Gatten-Splitting und Sparen für die Doppelgrabstätte” für sie bereithält. Eine Technologie, die es ihr ermöglicht in den Körper und damit das Leben einer anderen zu schlüpfen, kommt ihr da gerade recht. Bis zu 10 Stunden kann sie sich in eine alternative Realität einbuchen. Doch die Nutzung der Technologie kostet Geld und bald merkt Klara, dass sie entweder in ihr “altes” Leben zurück oder ein unmoralisches Angebot annehmen muss.

„SO SEIN WIE SIE“ ist eine unterhaltsame und spannende Utopie, die in der Jetzt-Zeit spielt und die Möglichkeiten der modernen Wissenschaft mit dem Wunsch verbindet in einen anderen Körper zu schlüpfen.

 

Warum man seine Plazenta nicht pürieren sollte

 

Während der zehn Monate, die eine Schwangerschaft dauert, werden Schwangere zu Kriegerinnen im Kampf zwischen altbewährte Natur und moderne Technik. Denn man kann so eine Geburt und alles, was damit zu tun hat, mit nichts als Ein- und Ausatmen angehen oder das Arsenal moderner Möglichkeiten von Anfang bis Ende ausschöpfen. Beides geht. Nur dazwischen ist zu wenig Platz für einen wachsenden Bauch.

Wie, wo und wem man das neue Leben in die Arme presst, ist ein solches Thema, zu dem es 100 Meinungen gibt und wenig Toleranz. Man kann sich da nicht einfach in der neutralen Mitte verorten. Auch wer keinen Kaiserschnitt will, braucht einen Standpunkt dazu.  

Ob man dem Kind Konservierungsstoffe und Industriekost gefiltert in Muttermilch via den all natural Nippeln einflößt oder direkt die emotionale Connection bei ihm herstellt, dass Trost aus Flaschen kommt, ist ein zweites Diskussionsthema, mit denen man Talkshow-Abende füllen könnte.

Doch es gibt ein Thema, da funktioniert der Natur vs. Technologie/Vergangenheit vs. Zukunft Dualismus einfach nicht, aber so richtig scheint das noch keine der Streitparteien bemerkt zu haben: Beim Plazenta Smoothie.

Wie man eine Hühnersuppe aus Huhn macht und ein Kotelett aus Antibiotika, so ist der Plazenta Smoothie ein Getränk, das aus der Nachgeburt gehäckselt wird. Dazu kommt dann noch Obst, Gemüse und Eis nach Wahl und fertig ist der Kannibalen Fitness-Drink.

Die Plazenta zu verspeisen sei eine der natürlichsten Sachen der Welt, argumentieren die Plazenta-Liebhaber. Das mag sein. Darüber kann man streiten. Das stimmt eigentlich nicht. Denn diese „Naturvölkern“ auf die bei solchen Diskussionen gerne verwiesen wird, sind eigentlich Katzen oder andere Tiere. Zu finden ist eine Häufung von menschlichen Plazenta-Esserinnen vor allem in den westlichen Nationen. So richtig vintage ist am Einverleiben des Mutterkuchens in Form von Braten, Geschnetzeltes oder Lasagne also höchstens die Zubereitungsart. Aber die Nachgeburt zu kochen, ist ja gerade total out. Ist ja auch viel zu aufwendig. Hat ja auch keiner Zeit für, nach einer Geburt. Da muss es schnell gehen. So stoße ich, insbesondere auf englischsprachigen Blogs, rund um Geburt und Schwangerschaft, immer wieder auf den angesprochenen Plazenta Smoothie. Das Wort ist schon so verrückt, dass ich es immer wieder schreiben und sagen will: Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie. Der Schauer, der mir dabei über den Rücken huscht, wird mit jedem Mal besser.

Appetit bekomme ich aber eher nicht. Das liegt nicht einmal an der besonderen Zutat des Drinks, sondern meiner Antipathie für die absolute Abnormität der Kulinarik: Dem Smoothie als solches. An einem Smoothie ist und war noch nie etwas Natürliches! Lebensmittel, die man sowieso roh zu sich nehmen will, erstmal bei 23.000 Umdrehungen pro Minute zu zerhacken ist einfach absurd. Das von jemand anderem machen zu lassen und das Obst und Gemüse dann in Plastikflaschen zu kaufen ist es erst recht. Wer noch keine oder keine Zähne mehr hat, z.B. auf Grund von Alter oder Schlägereien, muss seine Nahrung püriert zu sich nehmen. Freiwillig auf Flüssignahrung umzusteigen ist einfach nur Ausdruck einer Gesellschaft, in der der Wohlstand ein solches Maximum erreicht hat, dass die Menschen zu faul zum Kauen geworden sind.

Und was mache ich nun? Ist es möglich, dass der Anblick meiner Nachgeburt so appetitlich ist, dass ich meinen Liebsten spontan bitte den Grill anzuwerfen? Immerhin ist es meine Plazenta und nicht irgendeine. Ich erwarte also schon einen gewissen Sex-Appeal. Vielleicht sollte ich dazu nochmal im Krankenhaus anrufen, um zu fragen, ob Holzkohle-, Gas- oder Elektrogrillgeräte erlaubt sind. Wahrscheinlicher ist aber, dass ich mit der Plazenta das mache, was ich immer mache, wenn im Lieferumfang meiner Bestellungen zusätzliche Artikel enthalten sind, mit denen ich nichts anfangen kann: Ich verlege und vergesse sie.

Orte, an denen man kein Kind bekommen sollte

Während vermehrt Wettangebote aller „5 Euro auf immerabgelenkt platzt“ bei mir eingehen, bin ich noch immer hier, noch immer rund, runder denn je zuvor. Statt Wehen spüre ich etwas sehr Unheimliches und das mehr bei anderen als mir selbst. Vor einigen Wochen erntete ich noch Komplimente auf offener Straße und strahlende Blicke, die zu sagen schienen: „Oh, das Wunder des Lebens! Schwangere sind ja sooo schön! So, so, so SCHÖN!“  Jetzt sehen mich Menschen an, wie die tickende Bombe, die ich nun einmal bin.

Als ich in ein Taxi stieg, wanderte der Blick des Fahrers von meinem Gesicht zum Bauch, wieder zum Gesicht, wieder zurück zum Bauch, mal kurz auf die Straße und dann wieder zu meinem Bauch und wieder zu meinem Kopf, um sich an Hand meines Gesichtsausdrucks zu versichern, dass ihm nicht gleich eine Ladung Fruchtwasser die Polster versaut. Seine Irritation wurde noch ein bisschen doller als die Adresse, die ich ihm nannte, nicht die eines Krankenhauses war.

In meinem liebsten Wellness-Sauna-Spa-Tempel erhielt ich statt der üblichen „Angenehmen Aufenthalt“-Grußformel diesmal den Ratschlag: „Vorsichtig mit dem Kaiserbad. Das kann Wehen auslösen“ und dazu ein gequältes Lächeln, bei dem Gebete mitschwangen, es möge doch bitte, bitte nicht hier passieren. Dabei denke ich mir, dass die Putzkräfte sicher schon viel Schlimmeres beseitigen mussten.  

Und auch im Gesicht des Barkeepers, der mir einen wunderbaren alkoholfreien Drink servierte und dabei fröhlich fragte, wie lange es noch dauert bis zur Geburt, bildeten sich gleich nach meiner Antwort („8 Tage“) kleine Schockfalten um die Augen, die sein rechtes Augenlied zum Zucken brachten. Dazu bekamen seine lächelnden Mundwinkel diesen Ausdruck, den das Gehirn sendet, wenn es ruft „Wegrennen!!!!!“.

 

Nur eine Personengruppe lässt mein Erscheinen völlig kalt: Grauhaarige Frauen mit den Perlenohrringen und Schnapspralinen in der Handtasche. Vielleicht liegt es an den Pralinen oder an meinem Rassisten-Rentner-Hater Blogpost. Womöglich wildere ich in meinem Zustand auch in ihrem Revier. Schließlich verbringe ich viel Zeit in Wartezimmern und gehe mitten am Tag in den Supermarkt. Oder der Anblick von entstehendem Leben, macht ihnen klar, dass nicht nur meine Bombe tickt, sondern auch ihre Zeit abläuft. Aus all diesen und keinem dieser Gründe, drängeln sich die alten Damen dieser Welt nicht nur an Kassen, sondern auch in Toilettenschlangen an mir vorbei und gucken dabei so böse, als drohte ich ihnen die Rente zu kürzen.

 

Und es hilft nichts gegen dieses Verhalten. Das habe ich gemerkt, als ich plötzlich an der Supermarktkasse aufschreien musste. Es war nur ein Stechen, aber ein sehr sehr unangenehmes, da unten, da wo das Baby mal durch soll. Offensichtlich hat es ein Messer dabei, oder einen Eispickel, vielleicht wird’s auch ein Igel- oder ein Einhornbaby. Das Stechen war kurz, aber so unangenehm, dass ich kurz „Au“ quiekte, heftig atmen musste und mich abstützte. Die Kassiererin griff schon nach dem Telefon („Geburt an Kasse vier, die siebzehn bitte für die zwölf“). Doch die grauen Köpfe vor mir sortierten munter weiter ihre Rabattgutscheine und studierten die Titelseiten der Gala auf dem Kassenband. Sie sahen nur kurz rüber und entschieden dann, dass das englische Königshaus aufregender war als ich.

Nach dem Stich, kam noch einer, aber dann war es auch vorbei. Ich bin immer noch nicht geplatzt und habe kein Einhorn zur Welt gebracht. Aber ich habe erkannt, wenn sich das Kleine auf den Weg macht, möchte ich doch lieber im Taxi, in der Sauna oder einer Bar sein, statt umgeben von Menschen, die mit offensichtlich sehr gut funktionierenden Blutdrucksenden Medikamenten zu gedröhnt sind.

Wie man mit Wahlplakaten Geschichten erzählt… und Albträume bereitet

Wahlplakate sind reale Pop-Up-Werbung. Aus dem Nichts sind sie wieder einmal aufgetaucht. Sechs Wochen vor dem 14. Mai und damit pünktlich am ersten April (welch ironisches Spiel des Kalenders) wurden die Laternen in meinem Städtchen mit diesen bunten Bildern bestückt.

Mein Veedel ist aktuell ein echter Plakatdschungel. Alle paar Meter hängt so ein Pappding mit entsprechenden -nasen. Leider sind die meisten zwar bunt, aber gar nicht fröhlich karnevalesque, sondern erzählen düstere Visionen über die sonnige Welt, in der sie hängen.

FDP_Plakat_NRW2017_DigitaleSchuleGanz vorne beim Wahlkampfplakate-Trauerspiel ist die FDP. Da guckt z. B. Christian Lindner so desillusioniert und schockiert ins Leere, dass ihm sämtliche Farbe aus dem Motiv gerutscht ist und drunter steht: „Das Digitalste in der Schule dürfen nicht die Pausen sein.“ Bisher hörte ich immer, in Schulen gäbe es gar keine Digitalisierung. Nun las ich, während mich Christian Lindner mit seiner Depression anzustecken drohte, dass es nicht nur Digitales, sondern sogar das Digitalste in Schulen gibt. Mega! ‚Ja, dann macht doch mehr von diesen digitalsten Pausen’, dachte ich also! Die Balance zwischen Pause und Lehrstunde fand ich schon als Kind immer völlig verschoben.

 

FDP_Plakat_NRW2017_PendlerNoch trauriger war der arme Christian ein paar Meter weiter: Unterwegs im Auto, immer noch in Schwarz-Weiß und immer noch ziemlich depri. Eine Szene aus einem Hitchcock-Film. Aber statt seinem sicheren Tod entgegen, fährt der ärmste zur Arbeit. Das ist bitter. Arbeit darf ja keinen Spaß machen und auf dem Weg dahin regnet es IMMER, wie das Bild zeigt. Das ist traurig. Noch trauriger ist aber, was helfen soll: Frühaufstehen! Aus eigener Erfahrung als Frühaufsteh-Gegnerin weiß ich, dass Frühaufstehen zu mehr Konflikten als Lösungen führt. Und an solchen düsteren Tagen, wie auf dem FDP-Wahlplakat sollte man am besten ganz im Bett bleiben!

 

Gründen_Plakat_NRW2017_FreiheitGrünen_Plakat_NRW2017_Umwelt

Eine Straße weiter versuchen mich die Grünen mit fröhlich strahlenden Motiven aus dem Film Noir zu reißen, der sich in meinem Kopf abspielt. Die Aufheiterung ist nötig. Aber statt Fröhlichkeit geht mir nur durch den Kopf: Hääähh? Erstens, Zweitens… und dann? Soll das eine Kausalkette sein? Passte kein dritter Aufzählungspunkt mehr auf die Fläche? Umwelt, Freiheit, ja, … hmmm. Aha. Ja, versteh ich nicht. Aber die Farben mag ich. Ich geh dann aber mal weiter.

 

SPD_Plakat_NRW2017_HanneloreKraftSPD_Plakat_NRW2017Und da hing dann Hannelore Kraft, die sich auch nicht sicher schien, ob sie lächeln sollte oder nicht, womöglich ebenfalls von den Lindnerschen 50-Shades-of-Grey traumatisiert. Ein bisschen weiter zeigte mir die SPD dann noch einen Opa im 80er-Jahre-Jogging-Kombi und drei süße Kinder. Na immerhin! Süße Kinder und süße Tiere gehen schließlich immer und trösten meine Seele.

Diese Frühlingsgefühle zerstört leider die Linke nur wenigen Meter weiter und zwingt mich zum rotsehen.  Denn da ist nun die Rede von Kindern, die Hannelore vergessen habe. Dramatisch! Unfassbar! Wo vergessen? Wie vergessen? ‚Aber der nette, schlecht gekleidete Opi ist doch bei den Kindern’, denke ich mir und schaue nochmal zurück zum SPD-Bild. Oder ist das gar kein „lieber“ Opi, sondern schon wieder so ein Brutalo-Rentner, der die Kids womöglich an den Arsch der Welt verschleppt? Denn der wird mir von der Linken einige Meter weiter angedroht. Der Arsch der Welt ist der letzte Ort an den Menschen, die in so einem netten, angesagten Viertel wohnen, erinnert werden möchte. Irgendwo da draußen gibt es diesen Arsch und immer mal wieder hört man von Menschen die dahinziehen und dann hört man nie wieder etwas von ihnen. Der Gedanke an ein Leben am Arsch der Welt ist die städtische Wählerschaft 100mal brutaler als Kriegsbilder aus Syrien und bringt ordentlich Gewitter in mein Wohlstands-Wölkchen. Damit ist es zu viel für mich.

 

Bevor ich mich noch an den Arsch der Welt verlaufe, flüchte ich darum lieber aus dem Plakatwald, zurück ins Internet, wo mich mein Werbeblocker vor derartigen Trauer- und Horrorgeschichten beschützt und es zu Haufe süße Kinder und Tiere gibt!

Ein echter Schriftsteller mit Block statt Blog

Die Architektur der Großstadt verhindert, dass der Frühling überall durchkommt. Doch ab und an gibt es kleine Flecken, die von der Sonne trichterförmig, fast wie von einem Bühnenscheinwerfer ausgeleuchtet werden. An diesen Flecken stellen CafébesitzerInnen Stühle und Tische raus und locken so Menschen an, die sich prompt wie Erdmännchen um die Wärmespots drängen.

Neulich saß ich mit einer Freundin in einem solchen, sehr hippen kleinen Café und hielt meinen Bauch ins Licht. Doch schon nach kurzer Zeit, war ich mir doch nicht mehr so sicher, ob wir von der Sonne oder einem Bühnenlicht angestrahlt wurden.

Der Tisch neben uns war frei geblieben; ein Metalltisch hinter dem ein einzelner Holzstuhl stand. Hierhin setzte sich nun ein mitte-zwanzigjähriger Typ mit blonden, zu einem Dutt im Nacken zusammengebundenen Haaren, lässiger Kleidung aus Bio-Hanf-Baumwoll-Irgendwas aus dem die Markenlabels herausgetrennt waren. Ein Hipster in Reinform, perfekt abgestimmt auf das industriell-urbane Mobiliar. Aber das war nicht alles. Das Kind hat natürlich auch noch Requisiten dabei: Ein altes Buch, so ein richtiges altes Buch, mit Stoffeinband, aus dem die sich langsam auflösenden Seiten herausfallen; ein Buch das man wegen der alten Schriftformen kaum lesen kann, weswegen man solche Bücher als hübsche Erbstücke ins Regal stellt und nicht anfasst. Das Beige des Bucheinbandes passte natürlich perfekt zu seiner sandfarbenen Hose.

Aber er hatte noch mehr dabei: Einen karierten Collegeblock mit vielen losen, vollgeschrieben Seiten, die ihm bei einem leichten Windstoß fast davonflogen. Dann klemmte er sie unter das antike Buch, schlug eine leere Seite seines Blocks auf (ja Block, nicht Blog, verrückt, ich weiß!) und setzte seinen Kugelschreiber (offensichtlich kein Werbegeschenk, eindeutig keine Marke erkennbar) an. Neben mir saß ein zum Leben erwachter Instagram-Filter! Hashtag Schreiben, Hashtag Schriftsteller, Hashtag AchtungKunst.

Doch noch bevor er den ersten Strich machen konnte, kam das letzte Accessoire angeflogen: Ein schwarzer Kaffee, selbstverständlich. Erst jetzt war das Foto wirklich vollständig. Diese Details übersehe ich immer, ich glaube deswegen werde ich nie wirklich gut im Instagrameln.

Ich sah mich um, in der Erwartung, dass ich gleich bei irgendjemandem Eintritt für diese Vorführung zahlen sollte. Aber stattdessen näherte sich die Muse, in schwarzer, an den Knien aufgerissener Jeans und bauchfreiem Top. Die blätterte kurz nach der Begrüßung ganz offensichtlich mehr an ihm als an dem Werk in ihrer Hand interessiert in den alten Seiten herum, kicherte und warf ihre langen, schwarzen Haare zurück. Hashtag TinderInEcht. Und ich dachte mir: Dieser Schriftsteller-Look funktioniert ja krass gut!

Und weil ich mir vorgenommen habe auch mal wieder mehr als Blogposts und Emails zu schreiben, überlege ich nun, ob ich mir auch erstmal ein Schriftsteller-Styling zulegen sollte. Ein paar alte Bücher habe ich, eine Feile, um die Herstellernamen von meinen Kugelschreibern abzukriegen und eine Brille, die ich nie trage. Im Netz fand ich außerdem noch mehr als ein passendes Fashion-Tutorial zum Thema. Da uns aber Wölkchen am Himmel zum nächsten Café getrieben haben, bevor er den Stift wieder aufs Blatt setzen konnte, weiß ich nicht, ob die Show auch wirklich beim Schreiben hilft oder nur beim Frauen aufreißen.