MOMTASTIC – Das Mamabuch des Jahres

Wir hatten es so satt. All die Bücher rund um Geburt, Schwangerschaft und Erziehung, in denen es immer nur darum ging, was man alles für sein Kind machen und lassen soll. Ich glaube, eine gute Mutter ist jemand, der ein guter Mensch ist. Happy me, Happy Family! Aber das ist gar nicht so einfach. Denn für’s gut und glücklich sein, gibt’s keine allgemein-gültige Checkliste. Was für A passt, geht für B überhaupt nicht und C missversteht die Anleitung komplett.

Darum haben meine Mama-Meeting-Mit-Gründerin Sarah und ich beschlossen, wir brauchen eine andere Art Buch. Und schwups, nur ein paar Monate, viele schlaflose Nächte und unendliche Diskussionen später, gibt es jetzt MOMTASTIC – Frau sein, Mama werden, cool bleiben. MOMTASTIC ist kein Ratgeber, sondern eine Inspiration und Motivation zum individuellen Lifestyle-Entwickeln als Mom. Denn Mamawerden verändert alles. Und Veränderungen sind gut. Wie man diesen Wendepunkt im Leben nutzt noch mehr Glück, Lebensfreude und Zufriedenheit zu finden, haben uns 24 fabelhafte Moms im Buch erzählt.

Dazu gibt es in den 228 Seiten Erhellendes und Aufklärendes dazu, was hinter dem berühmten Mom Guilt steckt, warum man als Mama auf einmal schwallartig anfängt zu heulen, wenn im Fernsehen traurige Kinderaugen auftauchen und wieso die Work-Life-Balance schon als Begriff einfach keinen Sinn macht.

Letzte Woche kamen unsere Probedrucke. Nach einer letzten Korrekturphase wird es jetzt Ernst. Wer das Buch dann unbedingt SOFORT im Briefkasten haben möchte, kann es seit HEUTE über https://mamameeting.de/buch-momtastic/ ordern!

MOMTASTIC - Das Buch!

Mamawerden ist ein Change Prozess

Jeder hat eine Meinung zum Thema Kinderkriegen und -großziehen. Das merkt man schon als Schwangere. Ist das Kind auf der Welt werden die Ratschläge häufiger, aber nicht besser. Auch wildfremde Menschen auf der Straße, meinen nun Dich darauf ansprechen zu müssen, was Dein Kind an, in der Hand oder im Mund hat. „Hat Dir Deine Mama bei diesem Wetter etwa keine Mütze angezogen?“, unterhielt sich eine Frau vor kurzem mit meinem 16 Monate alten Kind an der Supermarktkasse. Klein-Henri antwortete nicht. Warum auch. War ja offensichtlich eine rhetorische Frage. Da über mich in dieser Konversation in der dritten Person gesprochen wurde, hielt ich es ebenfalls für unnötig, mich daran zu beteiligen. Auf der Senderseite schien die Unterhaltung aber noch nicht vorbei. „Na, kocht Deine Mama gut für Dich?“, wurde mein Kind erneut ausgefragt. Mein Sohn winkte aus dem Kinderwagen. Der Monolog ging weiter: „Du musst viel Fleisch essen, das macht Dich groß und stark.“

Ich rollte mit den Augen, zahlte und ging. Solche Do’s and Dont’s des Elternseins bekommt man nicht nur in der Öffentlichkeit spontan um die Ohren gehauen. Im Internet ist es noch schlimmer und selbst Ernährungs- und Erziehungsratgeber sind voll damit. 

„Wenn Du Dein Kind nicht lange genug stillst, bekommt es Allergien“, geht eine Weisheit. „Wenn Du Dein Kind zu lange stillst, wird es niemals selbstständig“, geht eine andere. Das blöde an diesen Fake News ist, sie schleichen sich in das Gehirn der frischen Mutter und nisten sich dort ein.  

Zum Mamasein gibt’s …(Weiter zum Rest des Textes geht’s auf Mama Meeting, – einfach auf den Text klicken)

Hunderte enthauptete Schwangere

Wir suchen ein neues Bild für unsere Mama Meeting Home. Das derzeitige Bild war als Platzhalter gedacht und weilt nun schon zu lange an dieser exponierten Position. Doch ein gutes Mamabild zu finden ist sau schwer. Für jedes Vorurteil, das man zum Muttersein im Internet verbildlicht findet, fehlen fünf Schwangeren die Köpfe. What? Ja. Ich sag’s nochmal, in anderen Worten: Im Netz werden Schwangere reihenweise enthauptet. Die Täter: Der böse Bildausschnitt. Mögliche Mittäter: Photoshop und Co.

Mit Mama Meeting wollen wir starken, ambitionierten Frauen Möglichkeiten bieten an der Verwirklichung ihrer Träume zu arbeiten. Das kann der Einstieg in den Traumjob sein, die Gründung eines Unternehmens oder einfach eine entspannte Work-Life-Balance.

Je tiefer ich mich nun aber durch die Bilddatenbanken dieser digitalen Welt klicke, desto mehr schreien mir die Bildbotschaften zu: „Du bist kein Mensch mehr, sondern nur noch Bauch oder Baby!“ Ich sehe überall Bäuche und Arme, die Kinder halten, aber selten Köpfe. Vom Hals aufwärts sind die Damen auf den Bildern guillotiniert, wie das französische Adelshaus 1789. Dabei handelt es sich nicht um einen Klassenkampf. Bei den kostenlosen Datenbanken ist die Bandbreite der reinen Bäuche genauso beschämend, wie bei den teuersten für High Quality Werbebilder.

Das ist ziemlich scheiße. Nicht nur für meine Suche nach einem neuen Bild für unsere Homepage. Sondern auch gesamtsozial. Denn, wenn immer es nun um Schwangere oder Mütter im Netz geht, sieht man nur einen kleinen Teil von ihnen. Und den dann auch noch in überhöht ästhetisierter Darstellung als Superbabybauch.

Ein Lichtblick zum Schluss: Ich habe nun den Fehler gefunden. Er liegt natürlich bei mir. Ich habe einfach die falschen Suchbegriffe eingegeben. Denn Suche ich nach Vätern, finde ich ganz viele Köpfe, Gesichter, verschiedene Situationen: Freizeit, Arbeit, Urlaub, das Leben in all seinen Facetten.

Bitte kein Babybullshit mehr für mich

 

Ich bin gerne Mutter, aber langsam reicht mir der Babybullshit. Ich kann den Singsang nicht mehr ertragen. Das immer gleiche Spiel, der stets tröge Smalltalk, die Komplitzenschaft aufbauenden Komplimente und das Pseudo-Netzwerken. Eine Diskussion als Teufelskreis:

„Wie alt ist er/sie?“ Ich möchte hinzufügen „es“, denn in vielen Fällen kann man sich dem Geschlecht eines Babys nicht über primäre visuelle Marker annähern. Rosa oder blaue Kleidung torpediert die Parolen des Feminismus, ist aber auf einem Spielplatz eine super Sache. Denn Mama will ja nicht, dass ihr Kind verkannt wird, nicht in seinem Geschlecht, noch in seinen Talenten. So folgt dann auf die Frage nach dem Alter eine Anerkennung der Fähigkeiten des kleinen Gefährten. „Der läuft ja schon toll!“, kann auch wahlweise ersetzt werden mit krabbelt, robbt, spielt im Sand, hält die Schippe, lächelt oder was einem gerade auffällt. Erscheint das Kind völlig unbegabt, ist da gottseidank immer noch die Kleidung, über die man Nettigkeiten los werden kann. Ist selbst da nix zu zusagen, lässt man einfach ein „Der/die/(das) ist ja zuckersüß!“ fallen. Geht immer, selbst bei den hässlichsten Blagen. Warum man das macht? Das frage ich mich auch. Jeden Tag in Kindercafes, auf Spielplätzen und in den unzähligen Frühkindlichen Förderkursen, die ich mit meinem Sohn besuche, um aus dem Haus zu kommen. Das war und ist der Modus Operandi dieser Milieus, ist meine These. Denn ich erfahre das nicht nur, sondern beobachte es auch. Am Nebentisch und an der Rutsche findet tagtäglich genau dieses Annäherungsritual zwischen zwei sich fremden Müttern statt. Ich sage „Mütter“ inkludierte in diesem Begriff auch alle Väter, denn die spielen da genauso mit.

 

Hat man diese Hürde genommen und sich als Mamas kennen gelernt, geht es intellektuell leider nur weiter bergab. Das liegt nicht daran, dass die Frauen so dumm wären, aber scheinbar wird man nach einer Geburt verbal unkreativ. Denn mit den Damen, die ich als „Dem Jona seine Mama“ und „Mama von Lisabeth“ in mein Handy einspeichere, sprach ich über Wochen ausschließlich über Babybullshit. In diese Kategorie fallen in chronologischer Reihenfolge: Stillerfahrungen, dann Beikosterfahrungen, dann Entwicklungsschritte (Rollen, Robben, Krabbeln, Laufen, Sprechen) und schließlich die katastrophale Betreuungssituation in der Großstadt. Da letzteres ja fast als Diskussion zu politischen Themen zählt, könnte man hoffen, nun ging doch noch auf über den Kindertellerrand. Doch die Lage scheint in Köln so mau, dass wir Mamas unter uns nur darüber meckern können. Ein Kontinuum aus „Oh, wie toll“ und „Ach, wie schlimm“ bildet die Bandbreite der Unterhaltungen, denen ich lieber entgehen will.

 

Leider sabotiert mein Nachwuchs Versuche den Müttern dieser Welt auszuweichen. An jedem Spielplatz fängt er an zu weinen und zu toben. Er will auf die Schaukel oder die Rutsche oder einfach jemandem seinen Ball klauen. Das will ich auch lieber tun. Stattdessen stehe ich hinter ihm, schubse in an und antwortet: „13 Monate. Ja, er hat schon früh mit dem Laufen angefangen. Ach die Hose, die haben wir geschenkt bekommen. Nein, wir haben noch keinen Kita-Platz, aber vielleicht was bei einer Tagesmutter in Aussicht. Ja, es ist echt furchtbar. Ich kenne auch keinen, der bei den Städtischen was bekommen hat.“

 

An den meisten Orten der Großstadt kann man sich aufhalten, ohne mit anderen Menschen interagieren zu müssen, selbst, wenn man sich ganz nah ist, z.B. in Fahrstühlen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich hier lebe. Je näher sich Menschen sind, desto weniger scheinen sie miteinander kommunizieren zu wollen. Doch auf Spielplätzen scheint die Verhaltensbiologie auszusetzen. Hier wird man immer angequatscht und dann geht’s wieder los: „Wie alt ist er/sie/(es)?“… Ich glaube es liegt nicht an den Müttern, ich mache das ja auch. Ich mache da ja auch mit. Nagut, ein bisschen liegt es dann vielleicht an mir. Aber es reicht. Darum habe ich mit einer Freundin einen Babykurs zur frühmütterlichen Förderung ins Leben gerufen: Mama Meeting.

Regel Nr. Eins des Mama Meetings: Es wird nicht über Kinder gesprochen.

Regel Nr. Zwei des Mama Meetings: Es wird wirklich nicht über Kinder gesprochen, egal was Dein Kind kann, gegessen oder gerade ausgeschieden hat.

Regel Nr. Drei: Zu jedem zweiten Mama Meeting gibt’s Wein oder ähnliches. Dann muss ich den nicht mehr im Bio-Wiederverwendbaren-Bambus-Supermom-To-Go-Becher auf den Spielplatz schmuggeln.

Man kann mit Kindern auch keinen Spaß haben

Kinder sind ein Wunder, jedes einzelne. Eltern wiederum sind in 9 von 10 Fällen ein Grund, um sich zu wundern. Die eine Ausnahme bin natürlich ich; weil ich perfekt bin und ALLES, wirklich ALLES absolut und immer richtig mache. Dass das alle anderen Eltern auch von sich denken, ist mir schon klar und in die Statistik eingerechnet. Einen Beweis dafür erhielt ich am vergangenen Wochenende beim Besuch eines Familienfreundlichen aka Kindercafés. Normalerweise kann an diesen Orten der Lautstärkepegel gemessen werden, bei dem jede Heavy Metall Rockband, die auf der Start- und Landebahn des Frankfurter Flughafens während vollen Flugbetriebes spielt, neidisch wird. Es wird geschrien, gelacht, geweint, mit harten Gegenständen auf den Boden geklopft, mit Essen und Geschirr geschmissen, Mobiliar und andere Kinder umgeschubst, getanzt, gehüpft, gespuckt und sogar laut gepupst. All das gleichzeitig. Beim Verlassen dieser oft dennoch süßen und bunten Lokale, kommt mir das Lärmen der nächsten Autobahn vor wie meditatives Meeresrauschen.

Doch diesmal herrschte Stille im Café, als ich reinkam; nicht weil es leer gewesen wäre, oder weil meine Mitmenschen endlich mal erkannt hätten, dass man auch mal vor Staunen erstarren kann, wenn ICH, ICH HÖCHSTPERSÖNLICH, den Raum betrete. Fast auf jedem Stuhl saß jemand. Doch kein einziger und keine einzige unter 36. Selbst für demonstrativ junggebliebene ist der Besuch eines Kindercafés ohne Anhängsel unter 12 Jahren seltsam. Noch skurriler war, dass sich niemand der Anwesenden in einer Konversation betätigte. Ein selbst für ein kinderfreies Cafe nicht ortsgerechetes Verhalten. Stattdessen wurde müde auf Smartphones und Tablet herum gewischt und ab und an, auch mal ein Blick durch den Raum geschmissen, aber ohne jede Bewegung der Mundwinkel. Ich fragte darum die hinter der Theke zusammengescharrten Cafetanten, was denn los sei, ob heute vermutlich keine Kinder im Kindercafé erlaubt seien.

„Nee, gerade läuft nur noch das Casting von Verstehen Sie Spaß“, erklärte mir die nette Dame, hinter der Vitrine voller Kuchen und Muffins. Kurz wachte meine Paranoia auf. Casting? Kameras? Verstehen Sie Spaß? Ich? Nein, ehrlich nicht. Spaß mag ich gar nicht und daran gibt’s auch nichts zu verstehen.  Oh shit, bin ich da in irgendwas reingelaufen, das mir peinlich sein sollte? „Sucht euch doch einfach einen Platz, gleich kommen noch Kinder. Der normale Betrieb startet heute etwas später“, empfahl man mir dann. Nagut, nagut. Mit Kind sitzt man sowieso immer auf dem Boden. Ich bestellte mir also meinen Cappuccino in die Spielecke und kam meinem mütterlichen Auftrag der frühkindlichen Förderung nach, in dem ich meinem kleinen Schatz ein Spielzeug nach dem nächsten zum Anlecken reichte. Während wir da so unserem Babybusiness as usual nachgingen, schoss doch immer mal wieder ein skeptischer Blick zu uns runter. Wie jede verantwortungsvolle Mutter, schnupperte ich kurz an meinem Baby. Vielleicht hatte er ja gepupst und man sah uns deswegen so komisch an. Nein, scheinbar noch alles frisch. Ich schnupperte kurz an mir. Auch alles okay. Ich zog mein Smartphone aus der Tasche und kontrollierte, ob ich Karottenbrei-Strähnchen im Haar hatte. Auch hier schien mir alles clean.

Was war nur los? Ich meinte eine Frau ein paar Meter weiter leise flüstern zu hören: „Die werden auch immer jünger.“ Was denn? Wie bitte? Eigentlich werden Babys immer älter, jeden Tag, und dazu noch größer und dicker. So wie wir alle, bis wir irgendwann 200 Jahre alt, vier Meter groß und kugelrund sind. Circle of Life, Baby. Ich fühlte mich so unwohl, dass ich meinen entkoffeinierten Kaffee wie ein vollalkoholisches Destillat, in einem Schluck, meine Kehle runterspülte.  Den Drang der Kellnerin zuzurufen: „Noch einen, einen doppelten, bitte!“ musste ich unterdrücken. Wir spielten noch eine Weile in die Stille hinein. Die Augenpaare um uns herum, lösten sich eins nach dem anderen von ihren leuchtenden Endgeräten. Als dann doch eins meinen Blick traf, fragte ich: „Sie sind also hier wegen des Castings?“ Nur ein Nicken, statt einer verbalen Antwort kam über den Tisch neben uns. Der Mann sah sich sogar um, um zu überprüfen, ob er denn wirklich gemeint war oder sich noch jemand anderes fände, der sich auf die Unterhaltung einlassen könnte. „Und was passiert da?“, fragte ich weiter. Er sah nochmal zur Seite. Da wurde aber nur schnell weggeguckt, wie in der Schule, wenn der Lehrer oder die Lehrerin so unverschämt werden, jemanden ungemeldet dranzunehmen. „Wissen wir nicht“, antwortete der Herr für’s schweigende Kollektiv. Die Fragezeichen in meinen Augen, veranlassten ihn dann noch zu einem weiteren halb genuschelten Satz: „Wir durften nicht mit rein.“ Die Fragezeichen blieben in meinen Pupillen. Selbst mein kleiner Begleiter sah kurz vom Spielzeug auf. Was war denn hier los. „Eltern sollten draußen bleiben“, wurde mir erklärt. Und da fiel das Bauklötzchen. Achso! Ein Kindercasting! Und das hier waren alles wartende Eltern! Deswegen redete hier keiner. Im Showbusiness spricht man ja nur über die Konkurrenz und nicht mit ihr!

„Und sie hatten gehört, dass hier ein Casting ist und dachten, da gehen wir mal vorbei. Ist ja vielleicht lustig?“, wenn man schon den Fehler begeht, in ein Gespräch mit mir zu plumpsen, kommt man da nur mit einem Abschleppseil und einem Jepp wieder raus. Der Vater des zukünftigen Filmsternchen schüttelte den Kopf und belehrte mich: „Die Agentur hat uns hergeschickt. Unser Sohn ist bei einer Agentur!“

Während über meinem Kopf Gedankenblasen mit „Aha! Aha! Aha!“ emporschwebten, öffnete sich dann auch die Tür zum Nebenraum und ein Mann vom Fernsehen (zu erkennen an der schwarzen Hose mit vielen Taschen, dem schwarzen Hoodie, vermutlich mit schwarzem T-Shirt darunter – von den Farben her die Uniform eines Architekten, aber dann doch viel zu schlunzig umgesetzt) betrat die Bühne bzw. das Cafe. Es folgte eine Gruppe von Kindern, gerade zu alt für die Grundschule, oder nicht mehr? Oder doch älter? Auch als Mutter, fällt es mir super schwer zu sagen, wie alt Kinder sind. Die, die da kamen konnte zumindest schon laufen, sprechen und hatten noch keine Pickel, aber etwas zu große Füße für ihr Körpergesamtformat.

„Ist die Mutter von Philipp* hier?“ rief der Fernsehmann in den Raum. (*Name von mir geändert, nicht um irgendjemandes Privatsphäre zu schützen. Ich hab mir den Namen schlicht mal wieder nicht gemerkt, tue ich nie. Ich bin schon froh, wenn ich den Namen meines Sohnes richtig treffe.) Eine sehr gut gekleidete Mutter sprang auf und verbreitete ihr sehr gut riechendes, vermutlich sehr teuren Parfüm. Vielleicht war es aber auch nur der pure Stolz, der da von ihr aufstieg. Denn ihre Augen funkelten, bereit sofort in den Flieger nach Hollywood einzusteigen. „Wir haben mit Wasser hantiert und ihr Sohn hat da an der Hose einiges abbekommen. Wollte ich ihnen nur sagen, nicht dass sie denken, dass das, naja, was anderes ist,“ holte sie der Fernsehmann auf den Boden der Economy Class zurück. Von 100 auf Null fiel ihre stolze Brust zusammen.

Kaum waren die Kinder aka Jungdarsteller da, stieg die Lautstärke wieder auf die Dezibelwerte eines Vulkanausbruchs und der Vater, mit dem ich mein zähes Pläuschchen geführt hatte, ergriff die Flucht ohne mir Tschüss zu sagen. So konnte ich meine brennenste Fragen nicht mehr stellen: Wissen Kinder eigentlich noch was Fernsehen ist? Wo kann ich mein Baby für seine Youtube-Karriere anmelden? Und darf ich dann als Mutter in Kindercafés auch keinen Spaß mehr haben? Oder bestelle ich mir lieber einfach ein Stück Kuchen?

7 Regeln für die Ansprache von Müttern

In meiner Facebook-Timeline taucht ein Hinweis zu einer Krabbelgruppe ab 3 Monate auf. Darunter ein Kommentar: „Welche Rabeneltern schieben ihr 3 Monate altes Baby ab?“ Wenn man das in dem Kurs wirklich könnte, wäre der Kurs vielleicht noch überbuchter als sowieso schon. Kurz darauf taucht in meinem Newsfeed ein Artikel auf, in dem ein Psychologe erklärt, Eltern würden ihre Kinder in Zeiten der Digitalisierung mehr verhätscheln als je zuvor. Denn um den Blick nicht zu lange vom Handydisplay abzuwenden, erhielten die Kleinen schon nach kurzem Quengeln was immer sie wollten. Ich hörte nun, dass es Eltern gibt, die überlegen, sich statt einem zweiten Kind lieber einen Secondscreen anzuschaffen.

Offensichtlich ist die Welt voll von Mütter und Väter, die als schwarze Vögel oder Helikopter über ihren Babys kreisen. Während ich mich also naiv darüber freue, dass mein Schatz täglich neues entdeckt (gestern waren es seine Zehen! Spektakulär!), muss ich zusehen, wie die Liste der Dinge, die ich falsch mache schneller wächst als mein Sohn.  

Das wäre noch okay, wenn es sich bei dieser Erfahrung um eine rein digitale handelte. Denn im Internet ist bekanntlich alles 100mal lauter als auf der Straße. Im Netz ist jeder Fehltritt gleich ein Verbrechen und eine Horde von pöbelnden Laienrichtern steht twentyfour-seven bereit, um eine öffentliche Exekution durchzuführen, gegen die die französische Revolution wie eine Bergische Kaffeetafel aussieht.

Das schöne war bisher: Schaut man doch auf vom Display, gucken alle anderen schnell peinlich berührt zu Boden. ABER NICHT, wenn man ein Baby dabeihat! Auf einmal starren mich Menschen länger an, als die in der Großstadt tolerierten 2 Sekunden oder sprechen mich sogar an!!! Diese sozialen Interaktionen wären vielleicht, ganz vielleicht ganz nett, wenn nicht immer irgendwelche Ratschläge nach den obligatorischen drei Fragen nach Geschlecht, Alter und Gewicht kämen. Scheinbar gibt es (noch) keine Small-Talk-Regeln für die Ansprache von Müttern. Dem kann ich gerne Abhilfe schaffen:

Regel Nr. 1 – Wenn du den Blick nicht von mir und meinem Baby lassen kannst, lächle wenigstens dabei. Vielleicht lächeln wir zurück und der Tag ist für uns alle ein bisschen sonniger geworden.

 

Regel Nr. 2 – Wenn du nicht anders kannst, als uns anzusprechen, sag etwas Nettes. Wir mögen Komplimente; beide.

 

Regel Nr. 3 – Wenn das Baby im Kinderwagen liegt, sag mir nicht, ich würde mein Kind vernachlässigen, weil es so weit von von meinem Körper weg ist.

 

Regel Nr. 4 – Wenn das Baby in der Trage sitzt, erzähl mir nicht, ich würde mein Baby verhätscheln und es wollte dann für IMMER auf den Arm, bis er 18 ist.

 

Regel Nr. 5 – Wenn du danach fragst, wie lange mein Baby schläft, mach dich darauf gefasst, auch über deine Schlafgewohnheiten ausgefragt zu werden? „Wie schläfst du denn so? Wie lange? In welcher Position? In was für einer Art Bett? Abgedunkelt oder bei Tageslicht? Mit was für einer Decke? Aha, aha, aha.“ Egal, was du antwortest, ich werde dann sagen: „Oh, das ist aber ganz, ganz schlecht! Ganz ungesund!“

 

Regel Nr. 6 – Fass das Baby nicht an. Es kann zwar noch nicht beißen, ich aber schon.

 

Regel Nr. 7 – Wenn mein Baby plötzlich in der Öffentlichkeit schreit, guck mich nicht so an, als läge es an mir. Viel wahrscheinlicher ist, dass es an dir liegt.

Aufruf zur Ehrlichkeit oder Wenn Schildkröten vögeln

Aktualisiert: Jetzt mit Beweisvideo! Weil, was nicht auf Youtube ist, ist nicht passiert! 

Fast täglich entdecke ich neuen Handlungsbedarf, um unsere Gesellschaft vor selbst herbeigeführten Katastrophen zu bewahren. Wollte ich all dem nachzukommen, was im Argen liegt, ich müsste noch öfter mein Berufsfeld wechseln, als ich es sowieso schon tue. Auf meiner neusten Visitenkarte stände: Hobby-Pädagogin. Wobei ich mich weniger auf die Kinder als viel mehr auf die Erwachsenenerziehung spezialisieren möchte. Echt mal liebe Eltern, hört auf den Blagen so einen Scheiß zu erzählen!

Mir ist bewusst, dass man die Kleinen, denen als Verkörperungen von Jugend symbolisch Unschuld und Naivität zugeschrieben werden, so lange vor der Realität der Welt behüten möchte, aber euer Bullshit ist dafür kein Mittel. So hörte ich erst gestern nahe eines Pferdestalles folgenden Dialog:

Kind: „Ihhh, hier stinkt es!“

Mutter: „Ja, das ist weil die Pferde sich nicht den Popo abwischen.“

Was soll aus diesem Kind mal werden? Wird es später einmal Toilettenpapier für Pferde erfinden und Huftieren Daumen an züchten?

Auffällig ist, dass Mütter und Väter dann beginnen zu lügen, wenn es in die niederen Regionen der Anatomie geht. Nur wenige Tage vor dem Pferde-Erlebnis, stolperte ich in einen Schildkrötenzoo inkl. Schildkrötenzüchtungsinstitut. Diese Pflicht nahmen die Tiere sehr ernst. Ich hatte einen langweiligen Spaziergang erwartet mit gelegentlichem Betrachten unterschiedlicher Exemplare, die in der Sonne liegen. Meine Vorurteile gegenüber Schildkröten wurden den Tieren nicht gerecht. Tatsächlich wurde in fast jedem der hübsch gestalteten Gehege aufs Heftigste gepoppt. Und das nicht immer nur zu zweit. Und das nicht leise! So eine vögelnde Schildkröte möchte man nicht zum Nachbarn haben!

Diesem animalischen Treiben sah nun nicht nur ich zu, sondern auch eine Kleinfamilie mit einem Mädchen um die 7-8 Jahre. Während die junge Dame dem Spektakel kritisch zusah und in ihrem Gehirn nach möglichen Erklärungen für das Verhalten der Tiere suchte, erläuterte die Mutter bereits: „Die oberen Schildkröte ist so müde und will sich von der unteren tragen lassen. Deswegen stöhnen die auch so.“ Als ob, liebe Mutter. Der Vater hielt das Geschehen derweil begeistert mit der Kamera fest.

Auf die zu den Geräuschen gehörenden Stoßbewegungen gingen sie nicht ein, aber am nächsten Gehege hörte ich sie ihre Lüge wiederholen: „Guck mal, die sind auch gaaaanz müde.“ Die Schildkröten wurden aber überhaupt nicht müde. Kaum fertig mit einer Partnerin sprangen sie prompt auf die nächste, auch zu mehreren. Beeindruckende Ausdauer für jemanden, der nur ein paar Blättchen Salat zum Frühstück hatte.

Vielleicht reagiere ich auch so erzürnt auf diese Märchen, weil ich mich erinnere, wie ich selbst als Kind meiner Mutter auf den Leim ging. Auch dies war eine Pferdegeschichte. Wir standen am Zaun einer Koppel und sahen einem Hengst zu, den unsere Anwesenheit oder einfach nur seine eigene Phantasie ganz offensichtlich erregte. Statt zu erklären, dass die körperliche Erweiterung, die da unter dem Bauch des Pferdes sichtbar wurde, ein Indikator für das Geschlecht des Pferdes war, log meine Mama: „Das Pferd bekommt grade ein Baby.“ Wäre ein anderes weibliches Exemplar des Tieres anwesend gewesen, hätte das langfristig so passieren können. Auch dann wäre aber die Formulierung „machen ein Baby“ besser gewesen. So aber dachte ich meine Kindheit über Pferdebabys sehen aus wie Penisse. Man sollte Kindern nicht so einen Scheiß erzählen. Und wenn man es schon nicht aussprechen kann, dann kann man es wenigstens zugeben. Was soll denn sonst aus diesen Menschen werden? Die Schildkröten waren nicht müde! Aber sie hätten gerne eine Zigarette für danach gehabt!

Wenn Privates öffentlich wird… gibt’s Krawall

Einen großen Anteil meiner Energie verwende ich darauf, Probleme zu lösen. Die von anderen Leuten für Geld oder lustige Unterhaltungen bei Wein und meine eigenen, einfach so, als Discount for myself. Und aktuell hat Juliane ein großes Problem. Sie kann in der Wohnung, in die sie im April einzog, nicht schreiben. Ein weiterer Umzug wäre eine Lösung, aber dafür fehlt das Budget. Also muss eine kostengünstigere Lösung her: Schreiben an anderen Orten. „Könnte ja auch inspirierend sein!“ redete ich mir ein. Jajajajajaja, super Idee. Echt toll. Jetzt sitze ich im Café in Köln und höre der streitenden Familie neben mir zu. Immerhin geht das Cafékonzept auf. Die Besucher fühlen sich scheinbar wie zu Hause. So sehr, dass über Taschengeld und Schulnoten miteinander streiten.

„Eine drei in Mathe“, sagt Papa Streithammel gerade. Und ich fürchte, er ist stolz. Japp, da kommt die Bestätigung: „Ach, eine vier ist doch auch in Ordnung,“ und schiebt nach „ich war ja mal gut in Mathe.“ ,Also dann vier plus oder wie?‘ würde ich gerne Fragen. Aber ich will nicht fragen. Ich will schreiben! Vielleicht sollte ich mir ein anderes Café suchen? Oder eine andere Geschichte schreiben? Eine über Eltern, die ihre Teenie-Kinder im Kaffee bloßstellen, sie anschreien, sie sollen sich mal einen Job suchen…. an öffentlichen Orten.

Privatsphäre ist ein Indikator für Wohlstand, oder für Spießertum, je nachdem an welchem ideologischen Ufer man steht. Leider wirken die beiden Generationen am Nachbartisch weder arm, noch wie Hippies. Der Grund für ihre öffentliche Konfliktaustragung resultiert also kaum aus dem Mangel an Rückzugsraum. Vielleicht ist Caramell Frappuchino Latte und Low-Fat-Blueberry-Muffin aber auch die neue Armenspeisung. Zugegebenermaßen weiß ich wenig über die tatsächliche Lebensweise prekarisierter Bevölkerungsschichten. Die Gruppe neben mir hat Einkaufstaschen dabei, viele. Diese Allegorie ist tricky. Denn dies kann sowohl für Obdachlosigkeit, wie auch Konsumgeilheit stehen. Schön eigentlich, dass diese beiden sozialökonomischen Extreme doch etwas verbindet: Die Akkumulation von Tüten mit Logos drauf ist der kleinste, gemeinsame Nenner.

Die Unterhaltung am Nebentisch wird ruhiger, man unterhält sich über’s Skifahren. Damit geht einher, dass die Stimmung sich insgesamt abkühlt. Gut, gut. Dann können die ja jetzt bitte gehen und die Inspiration Platz nehmen!

 

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