Warum man seine Plazenta nicht pürieren sollte

 

Während der zehn Monate, die eine Schwangerschaft dauert, werden Schwangere zu Kriegerinnen im Kampf zwischen altbewährte Natur und moderne Technik. Denn man kann so eine Geburt und alles, was damit zu tun hat, mit nichts als Ein- und Ausatmen angehen oder das Arsenal moderner Möglichkeiten von Anfang bis Ende ausschöpfen. Beides geht. Nur dazwischen ist zu wenig Platz für einen wachsenden Bauch.

Wie, wo und wem man das neue Leben in die Arme presst, ist ein solches Thema, zu dem es 100 Meinungen gibt und wenig Toleranz. Man kann sich da nicht einfach in der neutralen Mitte verorten. Auch wer keinen Kaiserschnitt will, braucht einen Standpunkt dazu.  

Ob man dem Kind Konservierungsstoffe und Industriekost gefiltert in Muttermilch via den all natural Nippeln einflößt oder direkt die emotionale Connection bei ihm herstellt, dass Trost aus Flaschen kommt, ist ein zweites Diskussionsthema, mit denen man Talkshow-Abende füllen könnte.

Doch es gibt ein Thema, da funktioniert der Natur vs. Technologie/Vergangenheit vs. Zukunft Dualismus einfach nicht, aber so richtig scheint das noch keine der Streitparteien bemerkt zu haben: Beim Plazenta Smoothie.

Wie man eine Hühnersuppe aus Huhn macht und ein Kotelett aus Antibiotika, so ist der Plazenta Smoothie ein Getränk, das aus der Nachgeburt gehäckselt wird. Dazu kommt dann noch Obst, Gemüse und Eis nach Wahl und fertig ist der Kannibalen Fitness-Drink.

Die Plazenta zu verspeisen sei eine der natürlichsten Sachen der Welt, argumentieren die Plazenta-Liebhaber. Das mag sein. Darüber kann man streiten. Das stimmt eigentlich nicht. Denn diese „Naturvölkern“ auf die bei solchen Diskussionen gerne verwiesen wird, sind eigentlich Katzen oder andere Tiere. Zu finden ist eine Häufung von menschlichen Plazenta-Esserinnen vor allem in den westlichen Nationen. So richtig vintage ist am Einverleiben des Mutterkuchens in Form von Braten, Geschnetzeltes oder Lasagne also höchstens die Zubereitungsart. Aber die Nachgeburt zu kochen, ist ja gerade total out. Ist ja auch viel zu aufwendig. Hat ja auch keiner Zeit für, nach einer Geburt. Da muss es schnell gehen. So stoße ich, insbesondere auf englischsprachigen Blogs, rund um Geburt und Schwangerschaft, immer wieder auf den angesprochenen Plazenta Smoothie. Das Wort ist schon so verrückt, dass ich es immer wieder schreiben und sagen will: Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie. Der Schauer, der mir dabei über den Rücken huscht, wird mit jedem Mal besser.

Appetit bekomme ich aber eher nicht. Das liegt nicht einmal an der besonderen Zutat des Drinks, sondern meiner Antipathie für die absolute Abnormität der Kulinarik: Dem Smoothie als solches. An einem Smoothie ist und war noch nie etwas Natürliches! Lebensmittel, die man sowieso roh zu sich nehmen will, erstmal bei 23.000 Umdrehungen pro Minute zu zerhacken ist einfach absurd. Das von jemand anderem machen zu lassen und das Obst und Gemüse dann in Plastikflaschen zu kaufen ist es erst recht. Wer noch keine oder keine Zähne mehr hat, z.B. auf Grund von Alter oder Schlägereien, muss seine Nahrung püriert zu sich nehmen. Freiwillig auf Flüssignahrung umzusteigen ist einfach nur Ausdruck einer Gesellschaft, in der der Wohlstand ein solches Maximum erreicht hat, dass die Menschen zu faul zum Kauen geworden sind.

Und was mache ich nun? Ist es möglich, dass der Anblick meiner Nachgeburt so appetitlich ist, dass ich meinen Liebsten spontan bitte den Grill anzuwerfen? Immerhin ist es meine Plazenta und nicht irgendeine. Ich erwarte also schon einen gewissen Sex-Appeal. Vielleicht sollte ich dazu nochmal im Krankenhaus anrufen, um zu fragen, ob Holzkohle-, Gas- oder Elektrogrillgeräte erlaubt sind. Wahrscheinlicher ist aber, dass ich mit der Plazenta das mache, was ich immer mache, wenn im Lieferumfang meiner Bestellungen zusätzliche Artikel enthalten sind, mit denen ich nichts anfangen kann: Ich verlege und vergesse sie.

Baking for Attention – ein Hilferuf

Es ist ein Fluch, der mich jedes Jahr wieder einholt, ungefähr um diese Jahreszeit. Wenn es kalt und dunkel draußen ist, drehe ich den Ofen auf und kurz darauf bin ich in der Küche gefangen. Ich leide unter einer Krankheit, die ich selbst BFA-Syndrom nenne: Baking for Attention. Meist beginnt es schleichend, am ersten oder zweiten Adventswochenende, mit ein paar Keksen. „Das macht ja jeder, das ist ja ganz normal“, rede ich mir dann selbst noch zu.

Dann kommen die Festtage, an denen Cupcakes und Kuchen gern gegessene Nachspeisen sind. „Solange keiner was merkt, gibt es auch keinen Grund zur Unruhe“, beschwichtigt das Teigknetende Ego mein Über-Ich. Das packt schon mal den Koffer guter Hoffnungen für den Weg nach unten.

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Es folgen Geburtstage von FreundInnen und spätestens hier spüre ich, wie die quickenden „Oh, wie süß! Oh, wie lecker!“-Rufe mein nach Aufmerksamkeit und Komplimenten lechzendes Ego aufgehen lassen, wie einen Hefeteig. Das wäre nicht weiter problematisch, könnte ich denn einfach aufhören. Aber eben das kann ich nicht. Tatsächlich kann ich andere Dinge ganz besonders gut, besser und schneller als andere, weil ich das eine eben nicht kann: aufhören.

Das war nicht immer so. Früher habe ich nicht gebacken. Ich glaube ich fand backen sogar doof. Als ich mit Anfang zwanzig kein Getreide mehr verdauen konnte, versuchte ich die Herstellung glutenfreien Gebäcks und scheiterte furchtbar. Aber beim ersten Zug an der Kippe, schmeckt es ja auch nicht und der erste Schluck Alkohol ist immer bitter.

Dann hatte ich es plötzlich raus. Ich erinnere mich noch an meinen ersten gelungen fluffigen Cupcake. Und was passierte dann? Ich backte weiter und weiter und weiter. Zwei Monate später hatte ich meinen Freundeskreis über Wochen mit bunten Küchlein in allen Geschmacksrichtungen versorgt und genug Rezepte für ein glutenfreies Cupcake-Backbuch zusammen.

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Dieses Jahr fühlt es sich noch schlimmer an, als je zuvor und schuld ist Instagram. Die Likes für meine Backbilder sind direkt mit dem Belohnungszentrum in meinem Gehirn gekoppelt. Das verstärkt das BFA enorm. Außerdem hatte ich mich bisher immer an die lockeren, gesellschaftsfähigen Stoffe gehalten: Cupcakes, Kuchen, Kekse. Doch gestern kam dann das krasse Zeug aus meinem Ofen: Zitronen-Baiser-Tartelette. Heute backte ich schon glutenfreien Hefeteig. Ich hege die begründete Befürchtung, dass es nur ein ganz kleiner Schritt zu Soufflé oder gar Croquembouche ist.

Das muss aufhören. Aber ich weiß noch nicht wie. Mein innerer Therapeut argumentiert, ich solle mir einen Ersatz für das Backen suchen, vielleicht MDMA oder Heroin. Aber vermutlich lande ich auch dann wieder in der Küche, weil es für glutenfreies Ecstasy auf Instagram bestimmt noch mehr Likes gibt. Ich brauche ein besseres Rezept für meinen Entzug, aber weder Chefkoch noch Pinterest sind was das angeht besonders inspirierend. Was mach ich nur? Kennt jemand von euch, lieben Leserinnen und Lesern, eine geheime Zutat, die mir helfen könnte? Ich hätte gerade glutenfreie Mohnschnecken im Tausch anzubieten.

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Bitte baut mir ein Iphone mit Human-Akku!

Innovation um Innovation fällt dieser Tage vom Applebaum. Sorry, mieser Wortwitz. Doch ich darf das, denn Blogger_innen dürfen 1. Alles und 2. hat es das amerikanische Fallobstnamensunternehmen wieder nicht die Neuheit vorgestellt, die ich mir Wünsche. Ich hoffe bis Weihnachten kriegt ihr das hin, liebe Apple-Entwickler.

Ein größeres Iphone und ein kleineres Ipad sind weltverändernd und ein Betriebssystem, das gestalterisch nun erstmal weniger rund und mehr eckig ist, das  finde ich wirklich alles ganz, ganz, ganz „nett“. Und natürlich muss man auch die Technik dahinter sehen, die ist besser, ja ja, besser als die anderen. Aber noch nicht gut genug.

Ich will ein Human-Akku-Iphone. Eines, das meine Körperkalorien verbrennt, während ich es nutze. Surfen und dabei abnehmen, das wäre mal eine Innovation! Denn ich fürchte, ich surfe und telefoniere immer mehr und bewege mich immer weniger. Es reden doch immer alle von der Ressource Mensch! Und irgendwo müssen die Kalorien doch hin. Wäre es nicht schön, wenn der kleine Akku-Balken auch ein Abnehmbalken wäre? Vielleicht baut dann noch jemand eine App, die mir vor der langen Telko eine Currywurst bestellt. Endlich hätte Essen wieder eine richtige Funktion und nicht nur eine soziale, gemeinschaftliche Erlebnisse schaffende! Endlich hätten unsinnige Lebensmittel, wie Bubble Tea und Frozen Yogurt, eine Funktion! Es wäre eine Weltveränderungen und eine Weltverbesserung! Es ist der unausweichliche technologische, nächste Fortschritt der übersättigten Wohlstandsgesellschaften. Ihr schafft das, liebe Apple-Menschen. Es sind noch gut 10 Wochen bis Weihnachten, bis dahin erwarte ich den ersten Prototypen!

Cocktails + Cupcakes = mein neues Buch!

Gerade rasen zwei sich jährlich wiederholende Feiertäglichkeiten mit ganz klar definierten Verhaltenskodexen auf uns zu. Die Erste verlangt von uns, dass wir Unmengen von Plätzchen, Gans, Kartoffelsalat, Rotkohl, Plätzchen, Klößen, Plätzchen, Glühwein, Gans, Rotkohl und so in alle Besinnlichkeit weiter, in unsere Mägen füllen. Bei der zweiten geht es liquider zu, mit Feuerwerk und Champagner. Zu beiden passt mein Rezeptbuch, das nun ENDLICH verfügbar ist! Denn das verbindet Cupcakes und Cocktails zu glutenfreien Törtchen der Geschmacksrichtungen: Bellini, Gin Tonic, Tequila Sunrise und vielem weiteren.

So hoffe ich, dass die lieben Buchhändler rechtzeitig für die Festlichkeiten liefern und wünsche euch grandiose Feiertage, guten Appetit und Cheers!

Zu kaufen gibt’s das Buch zum Beispiel HIER bei Buecher.de und natürlich bei Amazon.de (auch, wenn die leider sagen, sie brauchen etwas länger zum liefern.)

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Ich glaub es hackt!

Schöne Fotoaufnahmen machen alles appetitlicher. Alles. Der passende Winkel und eine gute Lichtsetzung, schon läuft Quasimodo Matthew McConaughey den Rang als Sexiest Man Alive ab, eine 20qm-Ein-Zimmer-Wohnung im Souterrain wird zum lichtdurchfluteten Loft und aus Jogurt und Keksresten ein Trifle, garniert mit karamellisierten Erdbeerscheibchen.

Food Porn ist eins der Dinge, die heute viele Internetnutzer und vielleicht sogar noch mehr Internetnutzerinnen, in ihrem Menü haben. Seit 2011 stehe zwar  Social Media auf Platz eins, der am häufigsten abgerufenen „Services“ im Netz, aber das heißt noch lange nicht, dass wir mit unseren Netz-Kontakten nur aktuellste, gesamtgesellschaftsbetreffende Informationen teilen. Bei den meisten Meldungen, die wir hin und her schicken, die wir veröffentlichen, posten, teilen und liken steht gerade das „ME“ in Social MEdia im Mittelpunkt. Oder das MEiiiau. Aber darum geht’s mir heut nicht. Denn ich hab keine Katze zu Weihnachten bekommen, sondern eine Auflaufform. Bis gestern war diese Form mit Gummibärchen gefüllt und hatte damit einen Nutzen für mich. Jetzt ist sie leer und erinnert mich mahnend an ihre massenproduktionell-mitgebenene Funktion: Aufläufe kochen.

Zum einen, bin ich keine große Köchin, weswegen man mich wohl mit einer solchen Form, für die „einfache Küche“, bedacht hat. Zum anderen, habe ich aber extrem hohe Ansprüche an meine Nahrung. Und Auflauf ist. nicht. sexy. Null. Saltimbocca! Das klingt nach Genuss. Ebenso Ratatouille. Und sogar Curry-Kürbissüppchen mit Kokosschaum, klingt alliterarisch appetitlich. Aber Auflauf? Nope.

Ich hab mich quer durch’s Netz geklickt, durch alle Rezeptcommunities, von Chefkoch über Kochbar bis hin zu Yummly, dem amerikanischen Hollywood-gleichen-High-Class-Food-Porn-Netzwerk (sicher sind da einige Sachen auch gemacht! Also, bitte, diese Brioche sind doch nie natürlich!!), aber Auflauf bleibt altbacken. Egal von welcher Seite fotografiert, egal ob mit viel oder wenig Licht.

Noch unattraktiver wird’s, wenn man sich die Zutatenlisten für mögliche Auflaufrezepte durchliest, bei denen, meist an vorderster Stelle, das zweit-hässlichste Lebensmittelwörtchen überhaupt und ever steht: Hack. Hack und Auflauf. Hack-Auflauf. Oje. Wenn also Food Porn, das kulinarische Äquivalent zu „traditioneller“ Pornographie ist, in welches perverse Untergenre verstauen wir dann den Hackauflauf?

Ich glaub ich gehe morgen Gummibärchen kaufen und fülle die wieder in die Schale. Oder ich stelle sie aus. Leer. Ein Ready Made. Ganz große Kunst in der kaltbleibenden Küche.

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