Wie man mit Wahlplakaten Geschichten erzählt… und Albträume bereitet

Wahlplakate sind reale Pop-Up-Werbung. Aus dem Nichts sind sie wieder einmal aufgetaucht. Sechs Wochen vor dem 14. Mai und damit pünktlich am ersten April (welch ironisches Spiel des Kalenders) wurden die Laternen in meinem Städtchen mit diesen bunten Bildern bestückt.

Mein Veedel ist aktuell ein echter Plakatdschungel. Alle paar Meter hängt so ein Pappding mit entsprechenden -nasen. Leider sind die meisten zwar bunt, aber gar nicht fröhlich karnevalesque, sondern erzählen düstere Visionen über die sonnige Welt, in der sie hängen.

FDP_Plakat_NRW2017_DigitaleSchuleGanz vorne beim Wahlkampfplakate-Trauerspiel ist die FDP. Da guckt z. B. Christian Lindner so desillusioniert und schockiert ins Leere, dass ihm sämtliche Farbe aus dem Motiv gerutscht ist und drunter steht: „Das Digitalste in der Schule dürfen nicht die Pausen sein.“ Bisher hörte ich immer, in Schulen gäbe es gar keine Digitalisierung. Nun las ich, während mich Christian Lindner mit seiner Depression anzustecken drohte, dass es nicht nur Digitales, sondern sogar das Digitalste in Schulen gibt. Mega! ‚Ja, dann macht doch mehr von diesen digitalsten Pausen’, dachte ich also! Die Balance zwischen Pause und Lehrstunde fand ich schon als Kind immer völlig verschoben.

 

FDP_Plakat_NRW2017_PendlerNoch trauriger war der arme Christian ein paar Meter weiter: Unterwegs im Auto, immer noch in Schwarz-Weiß und immer noch ziemlich depri. Eine Szene aus einem Hitchcock-Film. Aber statt seinem sicheren Tod entgegen, fährt der ärmste zur Arbeit. Das ist bitter. Arbeit darf ja keinen Spaß machen und auf dem Weg dahin regnet es IMMER, wie das Bild zeigt. Das ist traurig. Noch trauriger ist aber, was helfen soll: Frühaufstehen! Aus eigener Erfahrung als Frühaufsteh-Gegnerin weiß ich, dass Frühaufstehen zu mehr Konflikten als Lösungen führt. Und an solchen düsteren Tagen, wie auf dem FDP-Wahlplakat sollte man am besten ganz im Bett bleiben!

 

Gründen_Plakat_NRW2017_FreiheitGrünen_Plakat_NRW2017_Umwelt

Eine Straße weiter versuchen mich die Grünen mit fröhlich strahlenden Motiven aus dem Film Noir zu reißen, der sich in meinem Kopf abspielt. Die Aufheiterung ist nötig. Aber statt Fröhlichkeit geht mir nur durch den Kopf: Hääähh? Erstens, Zweitens… und dann? Soll das eine Kausalkette sein? Passte kein dritter Aufzählungspunkt mehr auf die Fläche? Umwelt, Freiheit, ja, … hmmm. Aha. Ja, versteh ich nicht. Aber die Farben mag ich. Ich geh dann aber mal weiter.

 

SPD_Plakat_NRW2017_HanneloreKraftSPD_Plakat_NRW2017Und da hing dann Hannelore Kraft, die sich auch nicht sicher schien, ob sie lächeln sollte oder nicht, womöglich ebenfalls von den Lindnerschen 50-Shades-of-Grey traumatisiert. Ein bisschen weiter zeigte mir die SPD dann noch einen Opa im 80er-Jahre-Jogging-Kombi und drei süße Kinder. Na immerhin! Süße Kinder und süße Tiere gehen schließlich immer und trösten meine Seele.

Diese Frühlingsgefühle zerstört leider die Linke nur wenigen Meter weiter und zwingt mich zum rotsehen.  Denn da ist nun die Rede von Kindern, die Hannelore vergessen habe. Dramatisch! Unfassbar! Wo vergessen? Wie vergessen? ‚Aber der nette, schlecht gekleidete Opi ist doch bei den Kindern’, denke ich mir und schaue nochmal zurück zum SPD-Bild. Oder ist das gar kein „lieber“ Opi, sondern schon wieder so ein Brutalo-Rentner, der die Kids womöglich an den Arsch der Welt verschleppt? Denn der wird mir von der Linken einige Meter weiter angedroht. Der Arsch der Welt ist der letzte Ort an den Menschen, die in so einem netten, angesagten Viertel wohnen, erinnert werden möchte. Irgendwo da draußen gibt es diesen Arsch und immer mal wieder hört man von Menschen die dahinziehen und dann hört man nie wieder etwas von ihnen. Der Gedanke an ein Leben am Arsch der Welt ist die städtische Wählerschaft 100mal brutaler als Kriegsbilder aus Syrien und bringt ordentlich Gewitter in mein Wohlstands-Wölkchen. Damit ist es zu viel für mich.

 

Bevor ich mich noch an den Arsch der Welt verlaufe, flüchte ich darum lieber aus dem Plakatwald, zurück ins Internet, wo mich mein Werbeblocker vor derartigen Trauer- und Horrorgeschichten beschützt und es zu Haufe süße Kinder und Tiere gibt!

Neue Vox Show „Politik Queen“ – FDP versucht mit pinken Accessoires die maximale Punkteanzahl zu holen

„Ditt hätt isch dir auch mit Paint machen können, für’n Zwanni,“ werden nicht wenige Betrachter des neuen FDP-Logos dieser Tage sagen. Denn es ist enthüllt. Und mein Nacken tut vom Kopf skeptisch nach links und rechts legen inzwischen weh. Ich weiß einfach nicht wohin die, die sich bis dato Liberale nannten, sich nun aber Freie Demokraten auf‘s wehende Fähnchen schreiben, hin wollen. Vielleicht zu Zielgruppen, die keine fremdwortartigen Begriffe mögen?  So steht nun Blindtext statt Lorem Ipsum auf der Parteirepräsentanz.

Aber bevor man meckert, muss man sich ja eigentlich fragen,

  1. was die FDP mit einem neuen Logo hätte richtig machen können und
  2. was dabei offensichtlich alles falsch lief.

Die Antworten: a) nix und b) Schulterzucken. Wir waren schließlich nicht dabei.

Sprechen wir also lieber über a) und den damit verbundenen Allglauben an die Kraft neuer Logos. Spiegel Online untertitelt „Mit der frischen Optik wollen die Liberalen 15 Monate nach dem Bundestags-Rauswurf moderner und sympathischer wirken.“

Es ist doch wunderbar anzunehmen, dass sich mit einem Rebranding einfach die verbrannte Erde unter den Teppich kehren lässt, während man im Anschluss den Bodenbelag raus reißt und austauscht. Oder ist dies das gesamtsoziale Äquivalent zur Midlife-Crisis, in der man sich unter Einsatz neuer D-Körbchen oberflächlich eine Jugendlichkeit zurückholt, die man vor 20 Jahren gar nicht hatte? So oder so, ich fürchte ein bisschen rosa Lipgloss reicht für eine neue FDP nicht aus, aber das Make-Over scheint ja erst in seinen Anfängen.

Ich bin gespannt auf die große Vorher-Nachher-Show. Die sehe ich beim mentalen Zappen bereits im Nachmittagsprogramm bei Vox. Im rosa Shopping-Queen Bus fahren die Parteivorsitzenden durch die Welt und suchen nach einem passenden Outfit zum Thema: „Modern und sympathisch – Erfinde deine politische Identität neu und sei damit der Hingucker bei der nächsten Landtagswahl“. Dazu wird Maybrit Illner  von der Seite visuell eingeschossen und kommentiert die Versuche, wie dieser Zeit Guido Maria. Und die Protagonist_innen der Show rennen hektisch umher und schreien: „Haben wir noch Zeit? Wie viel Geld haben wir noch?“

Auch bin ich höchst gespannt, wie viele Punkte die FDP mit dem Magenta Logo Accessoire holen kann und ob ihnen nach dieser Anschaffung noch genug Geld für’s Styling bleibt. Ich bleibe dran und genieße die Werbung.

Neu ist alt ist neuer ist älter ist hauptsache sexy

Manchmal beschleicht mich die Angst wir stecken in unseren eigenen Endlosschleifen. Dass der Alltag redundant ist, zeigt sich an so unvorteilhaften Kausalverkettung wie Samstag, Sonntag, Montag, usw. Aber auch darüber hinaus, kommen wir manchmal nicht voran, weder als Individuen noch als Spezies. Ein Trugbild im Hamsterrad ist dabei etwas, mit dem ich berufsbedingt beschäftigen muss: Zielgruppen. An einem durchschnittlichen Tag Montag gehen mir mindestens 9 Zielgruppen-Analyse durch den Kopf und manche auch über die Tastatur durch den Rechner. Ich bin so darauf getrimmt, dass ich die Menschen in der Bahn in Konsumgruppen einteile, je nachdem was sie lesen, essen oder anhaben. Andere Leute vertreiben sich die Zeit mit Kreuzworträtseln, ich mir mit Marktsegementierungen. Das wird durch Magazine, die sich selbst Fachliteratur nennen (KEIN Qualitätsmerkmal!!), angeheizt und in denen immer wieder die Rede von „neuen“ Zielgruppen ist, die irgendwer ganz Leichhardt-gleich entdeckt werden, wie bislang unbekannte Volksgruppen, auf unbetretenen Kontinenten.

Das führt im Übertragenen zu einer chronischen Markenikratitis. Wie sich bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung das Organ selbst verdaut, wird auch eine immer gleiche neu-entdeckte Zielgruppe mit immer gleichen neuen Produkten bis hin zum Exitus überfüttert.

Das ist so, damit Menschen, wie ich auch am Warenzyklus teilhaben können. Denn es gibt viel mehr Menschen, die mit Marketing ihr Geld verdienen, als es zu bewerbende Neuheiten gibt. Ich wünsche mir aber ganz ganz ehrlich NEUES, spannendes, nie dagewesenes, nicht nur zum Anfassen und Aufessen, sondern auch zum Lesen. Darum bin ich sehr traurig, dass ich es in diesem Jahr nicht zur Frankfurter Buchmesse geschafft habe und nun nur Artikel finde, in denen angepriesen wird, wie wunderbar sich Self-Publishing-Autor_innen selbst vermarkten, wie sie die angeblich nächste Daseinsstufe erreichen: Mensch – Marke – und irgendwann kommt das MIRvana, wo sich alles nur noch um sich selbst dreht bis in alle Endlosigkeit.

Ich feiere die Tatsache, dass jede und jeder, der eine Geschichte erzählen möchte, dies nun tun kann als tatsächliche Chance für die Entdeckung von neuen Welten! Ich begrüße die Profitgeilheit Amazons mit offenen Armen, weil ich hoffe, dass trotz aller Lust auf Cash, vielleicht auch ein bisschen Raum für Kunst ist, weil der Hippie in meinem Herzen sich einredet, dass nun Menschen schreiben, die es eben nicht für eine Zielgruppe tun, sondern weil sie etwas sagen wollen. Ich finde aber nur Beiträge in den großen Nachrichtenspalten, in denen beschrieben wird, wie erfolgreich sich die neue Autor_innengeneration vermarketet, indem sie eben den Zahn der Zeit treffen, genau das liefern, was, die neuen Zielgruppen lesen wollen. Sie liefern das wovon ich heute noch nicht weiß, dass ich es morgen haben wollen werde, die Objekte, die ich mir ans Ende der Strecke meines Hamsterrads hängen kann. Die Zeit ist ziemlich zahnlos und neue Zielgruppen gab es noch nie und wird es auch nie geben. Es gibt Menschen, denen etwas gefällt oder nicht und es gibt Menschen, die bereit sind für etwas Geld auszutauschen oder eben nicht. Alles, was ich zu den Autor_innen, zu denen ich nun selbst auch gehöre, grade lese, besorgt mich sehr. Denn ich kann mit dem Erwartungsdruck etwas liefern zu müssen, dass ja eigentlich gar keiner will, nicht umgehen, zumindest nicht privat. Wenn man mir dafür ein gutes Gehalt zahlt natürlich schon, darauf bin ich getrimmt.

Vielleicht lese ich aber auch nur die falschen Zeitungsdomains. Hat jemanden einen Tipp oder einen alternativen Erlebnisbericht für mich, etwas für die Zielgruppe Immerabgelenkt?

Cupcakes, Konsum, Kritik und der Grund dafür, dass ich diese Worte mit Kommas trennen muss

Dieser Blogpost sollte eigentlich eine Konsum-Sozial-Kritisches Analyse der Erfahrungen des Tages des Guten Lebens werden, mit dem Fazit, dass sämtliche Menschen dieser Gesellschaft, oder doch zumindest meiner nicht-repräsentativen, slightly überhipsterten, aber alternden Nachbarschaft, mit latenter Konsumparanoia infiziert sind. Erst hätte ich die Symptome beschrieben. Im Zuge dessen meine Anamnese bewiesen und letztlich DAS Heilmittel vorgeschlagen und auf diesem Wege mein glutenfreies Cupcake Backbuch schleichwerblich angepriesen. Es wäre die perfekte Verknüpfung von Konsum-Sozial-Kritik und Kaufaufforderung gewesen! Erst Awareness schaffen bis sich alle hungrig fühlen und dann Abverkauf. So sollte das laufen!

Doch das Internet hat mich überlistet. Um zu überprüfen, ob nicht schon jemand anderes, die von mir erfundene Erkrankung beschrieben hat, gerne auch mit einem schöneren Titel als Konsumparanoia, tippte ich die Worte Konsum+Paranoia in die heiligste aller Suchmaschinen. Und jetzt denkt Google ich hätte ein Drogenproblem und verfolgt mich mit Ratschlägen dazu, wie ich meinen Rauschgiftkonsum minimieren kann. Dass mir Mittel und Dienste, die dabei helfen sollen, nun quer durchs Web folgen, ist für die mir von der Suchmaschine zugeschriebenen Paranoia nicht dienlich. Erst Awareness schaffen und so lange drauf einwerben bis zum Abverkauf. Google kennt das Spiel. Aber ich auch. So einfach, lasse ich mich nicht beeinflussen! An einem Donnerstag oder Freitag vielleicht, aber nicht an einem Montag!

Versuche ich links abzubiegen, zu Onkel Maike und meinen Cupcakes zum Karma-Cleaning, um von da aus in Ruhe, ohne Drogen und Verfolgungswahn doch noch meine Story zu tellen, steige ich im Radar der Neo-Stasis der NSA von der Konsumentin zur Produzentin auf. Dabei waren in den Küchlein doch nur drogenfreie und glutenfreie Zutaten! Okay, der alkoholfreie Cocktail, den der Onkel und ich verschenkt haben, hatte Alkohol, aber dafür hat er ja nicht geschmeckt! Und Rhabarbersekt ist legal! Was er, gemessen am Geschmack, vielleicht nicht sein sollte, liebes Verfassungsgericht! Ihr lest ja sicher auch längt mit.

Nicht legal schien es hingegen an diesem Straßenfesttag vielen Kund_innen unserer antikapitalistischen Ehrenfelder Enklave, dass wir für Cupcakes und Getränke kein Geld wollten. Das Prinzip des „Verschenkens statt Handelns“ initiierte statistisch nicht evaluiert in 8,36 von 10 Fällen Verwirrung. Es wäre wissenschaftlich durchaus interessant zu erforschen, wie viel Menschen bereit sind für etwas zu zahlen, das man ihnen schenken will und wie hoch die Einnahmen ausfallen, wenn man, wie in unserem Falle, kein Geld annimmt. Unsere Einnahmen belaufen sich auf gut 5 Euro. Damit sind wir 10000000% über dem Umsatzziel von den angepeilten 0,00 Euro. Ein voller Erfolg!

 

Wer am Tag des Guten Lebens keinen glutenfreien Cupcake abbekommen hat oder einen abbekommen hat, aber nicht damit klar kommt, dass er/sie dafür kein Geld eintauschen konnte, sollte für 9,95 bei Amazon mein Cupcake-Buch kaufen. Das gibt es nicht geschenkt!

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Die Rezepte sind mindestens so lecker, wie das Cover!

Ich fühl mich schuldig

Wir leben in der „Hat-schon-alles“-Epoche und dennoch müssen wir uns alle immer irgendwas aus irgendeinem Nichtanlass schenken, um uns gegenseitig unserer Sympathie für einander zu versichern. Es wird ja immer stereotypisiert, dass die Menschen in asiatischen Ländern so lustig sinnlose Rituale hätten, deren strikte Ausführung dennoch von höchster Wichtigkeit für den Frieden zwischen den Völkern dieses Globus sei. Als jemand, die noch bevor sie „Nein, danke“ zu sagen lernte mit Werbebeschenkungen beehrt wurde, darf ich sagen: Wir sind keinen kostenlosen Kugelschreiber besser hier in Europa!

Über nutzlosen Kram, den man auf Messen zugesteckt kriegt,  wie pappige Hostien beim kirchlichen Namensequivalent der Kaufen-Verkaufen-Veranstaltungen, habe ich schon mal geschrieben. Und was passierte dann? Ich bekam eine Tasse zugeschickt, die ich nicht wollte und für die ich mich dementsprechend nicht bedankte und damit ist der bis dato nicht existente friedliche Kontakt zwischen mir und dem unbekannten Verschenker des Werbeobjektes zerbrochen. Manchmal macht man sich mit dem Schenken also auch Feinde, statt Freunde. Was gut ist, denn die lassen einen dann in Ruhe.

Nun bin ich beruflich in einer Situation, in die ich NIE geraten wollte. Ein großes Unglück hat mich heimgesucht, vermutlich angelockt von meinem miesen Karma, ausgelöst durch das Nicht-Danke-Sagen für die Nicht-Gewollte-Tasse. Ich sitze umzingelt von Kartons, gefüllt mit sechs  der sieben Symbole der Kreise der Werbemittelhölle:

Postkarten

Aufkleber

Kühl-schrank-mag-ne-te

But-tons… diese Ansteckkreise, die Löcher in Blusen machen und klappern

Luftballons (immerhin kann man die zerstechen)

und Fähnchen.

Ich dachte immer Werbefähnchen gäbe es nur in der Sparkassenwerbung. Und das schlimmste: Ich habe die berechtigte Befürchtung, dass auch der siebte Hokrux noch geliefert werden wird: Einkaufswagen-Chips.

Schuld an meiner Lage ist Mix aus Demokratie und Haben-wir-immer-so-gemacht-Mentalität. Ich bin also nicht nur umgeben von diesen auf Grund ihrer absoluten Sinnlosigkeit verteufelten Gegenständen, sondern auch noch von Menschen, die sowas ernst meinen. Wo bin ich hier nur gelandet? Wer will diesen ganzen Schrott? Und wer denkt mal an all das Papier, Blech und Plastik, das hier dafür missbraucht wird, unschuldigen Menschen etwas in die Hand zu drücken, zu deren Annahme sie sich dann von Sozialisationswegen her verpflichtet fühlen und das sie sich dann lange Zeit nicht trauen wegzuwerfen, denn Geschenktes wirft man nicht einfach weg, das wäre unhöflich!! Und so schleichen sich Unternehmen, Marken und Parteien in die Haushalte der armen Beschenkten, die fortan in Schuld leben müssen, weil sie ja ein Geschenk angenommen haben und dafür sozialkonform auch etwas zurückgeben müssten.

Das kann ich nicht zulassen. Eigentlich müsste ich den ganzen Schrott verbrennen, bevor jemand zu schaden kommt und einen Button an seine/ihre Bluse hängt, die dann ein hässliches Loch hinterlässt – ein Loch das auf EWIG die Schuld des/der Beschenkten aufzeigt. Doch das darf ich nicht. Denn auch wir haben diesen Mist in mindestens 1000 Stück Abnahmeauflage selbst nur getauscht,  gegen eine andere Art Geschenk: Geld. Vielleicht ist die Kette also einfach zu lan( genau wie dieser Blogpost). Vielleicht sollten Unternehmen, Marken und Parteien einfach Geld verteilen, statt Fähnchen und Buttons. Geld macht keine Löcher in Blusen und verranzt nicht am Kühlschrank! Aber möglicherweise hätten wir dann alle zu viel Geld und Geld allein macht ja nicht glücklich und dann würden sich alle Leute selbst Fähnchen und Einkaufswagen-Chips kaufen, weil sie nicht wüssten wohin mit der baren Münze.

 

Es ist nicht einfach, wirklich nicht. Ich schreibe Kapitulation auf eins der Fähnchen halte es aus dem Fenster.

Hunde und Katzen sind die neuen Nackten!

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Für das coolste, spannenste und trendigste Online Lifestylemagazin, das es gerade im Web gibt, für Cotier.de (Nein, das ist hier keine Schleichwerbung, das ist ganz und gar offenkundige Tatsachenbeschreibung!) habe ich gestern ein Interview mit Melody Lewis geführt. Die ist nicht nur Gründerin einer der auf der Britischen Insel erfolgreichsten Haustierbekleidungslabels, sondern inzwischen auch Tiermodelagentin. Das Gespräch war ausgesprochen nett und offen und dabei wurde mir eines klar, das ich nach den letzten Spaziergängen durch Stadt und Fernsehprogramm bereits vermutet hatte: Tiere sind der neue Sex, zumindest in der Werbung. Statt der nackedeischen Hungerhäckchen mit spitzen Knochen in Spitzen Dessous gucken mich in letzter Zeit immer öfter Hunde und Katzen an der Bushaltestelle an, in Übergröße, von den Plakatwänden. Hunde halten die Köpfe aus Autos, Katzen wollen die Rückband nicht mehr hergeben und Hamster fahren Riesenrad. Unsere Werbewelt ist voller Vierbeiner.

Tiermodelagenten wie Melody vermitteln die Models für Werbeaufträge und tragen (und das ist SEHR wichtig!!!) Sorge dafür, dass daran nicht nur die Werbeauftraggeber Spaß haben, sondern auch die tierischen Models gut behandelt werden. Vor uns hinplaudernd, erzählte sie mir, dass die ihre Models heute für Modenschauen, Fotoshootings und Filmsdrehs gebucht werden, bei denen es gerade NICHT um tierrelevante Produkte geht. Designer, Kaufhäuser und Autohersteller setzen Haustiere ein, um etwas vom „Ohhhhhhh“-Effekt abzukriegen. Welpen und Miezen sind süß und darum guckt man hin, guckt länger hin, beschäftigt sich mit der Kampagne und merkt sich das Produkt bzw. die Marke.

Während eines Exkurses in die Redaktion der Bildzeitung während meiner Praktikantinnenjahre erlernte ich nicht nur die Meinungsbildung, sondern auch den wohl wichtigsten Satz in Sachen Zeitungsmachen für die Massen: Kinder und Tiere gehen immer! Das hat nun wohl auch endlich mal jemand den Werbeleuten gesagt. Und tatsächlich gehen sie das Mantra chronologisch ab.

Umwimmelten mich in den letzten Jahren Windelträger, um mir dies und jenes schmackhafter zu machen, sind es nun Haustiere. Demnach haben also nicht die Hunde und Katzen die sexy Models abgelöst, sondern die Babys haben es getan und dann kamen das Pelzgetier. „Sachen, die mit Tieren beworben werden, verkaufen sich besser“, sagte mir auch die Tiermodelexpertin aus London.

fordkampagne_hund2013Das Problem, das ich damit habe ist: Ich LIEBE Tiere! Sie machen mich willenlos! Wenn nun also diese Katze im Fernsehen sagt ich solle losgehen und Dinge kaufen, die ich nicht will und nicht brauche, besteht die Gefahr, dass ich es tatsächlich tue. Zusätzlich zum Produkt komme ich dann möglicherweise auch noch mit 2 Katzen nach Hause. Vielleicht wäre es also doch gesünder für mich und mein Bankkonto, wenn die nackten, dünnen zurück auf die Werbebühne kämen, über die ich mich dann aufregte und den Konsum boykottierte, als stille Kritik dieser Objektivierung von weiblichen Knochen!

Mein Interview zum Thema gibt’s selbstverständlich auf www.cotier.de

Immer mehr post-traumatische Erfahrungen mit der Post

Zu Werbung haben die meisten Menschen ja sowieso schon ein tendenziell eher boah-hau-doch-ab-Verhältnis. Außer den Menschen, die Werbung hauptberuflich machen. Die sind meist auf dem Scheiße-zu-Gold-Ego-Trip. Über Geschmack kann man streiten, über Werbung nicht. Dennoch erwischt man sich irgendwann doch dabei den beworbenen Markenmist zu kaufen. Aber dabei zählt natürlich nicht nur, wie Produkte an Mann und Frau gebracht werden –  ob mit Niedlichkeit (Tierbilder), Sex (Frauenbilder) oder „Seriosität“ (Produktbilder) – sondern auch WO. Werbeplacement ist wichtig. Darum findet man in Zeitungen für Kinder keine Zigarettenwerbung und an den Tabakautomaten keine Babybilder. Einfaches Prinzip. Denkt man. Außer bei der Post.

Das ist ja nicht mein erster wunderlicher, grenz-eskalatöser Zwischenfall mit den Herren mit den gelben Taschen. (Remember the story of: Wie ich dem DHL-Boten in die Autotür trat)

Nun bin ich ja vor einigen Wochen umgezogen und habe nun heute, endlich mal einen Nachsendeantrag bei der Post geordert. Dass das online ging und dazu noch richtig flott und bequem hat mich richtig beeindruckt! So richtig! Meine Vorurteile gegenüber der Post waren grad dabei friedlich davon zu segeln…. doch dann… dann haben sie es wieder verbockt! Dabei waren wir auf einem sooooo guten Weg!!

Denn bevor ich den Nachsendeantrag final abschließen konnte, wurden mir noch ein paar super sinnvolle Produkte empfohlen, die ich doch gleich mitbestellen könnte. Und damit sind wir wieder beim Werbeplacement. Moment, ich muss euch das zeigen, dass glaubt ihr sonst nicht:

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Wieso? Sind BMI-Maßband, eine hässliche Leuchte, ein paar bunte Stift und ne Rolle Klebeband das neue „Brot und Salz“? Hat da jemand dran gedacht, dass ich umgezogen bin? Welcher demografischen Angabe haben ich das zu verdanken??? Oder sind das einfach die „beliebtesten Artikel“?

Ikea kann das. Bei Ikea will ich nur nen Kaffee trinken und noch schnell die Knaufe für die Schranktüren holen und wenn ich draußen stehe, halte ich einen 150cm langen Rechnungszettel in der Hand und muss wieder rein, um mir den Hänger auszuleihen. Produktplatzierung ist effektiv, wenn sie gut ist. Aber der Gedanke „Ach cool, nehm ich noch ne Rolle Tesafilm und ein BMI-Armband mit“ sorgt in meinem Konsumköpfchen dann doch eher für Irritation als Attraktion.

Eines Tages werde ich es tun. Eines Tages schreibe ich der Post einen Brief.

Freiheit ist jetzt abgeschafft

Käfig

Das Internet wird immer anstrengender. Es begann alles mit diesen sinnlosen Nummern-Buchstaben Captcha-Feldern. Egal wie schief ich meinen Kopf legte und wie sehr ich die Augen zusammen kniff, in 8 von 10 Fällen schaffte ich es nie, das krumme und ineinanderfließende Wortgewirr zu entziffern. Angeblich sind die Dinger dazu erfunden worden, um Mensch und Maschine auseinander zu halten. In einer Welt, in der ich daran gewöhnt wurde, dass mir Maschinen lästige Arbeiten abnehmen, kommt mir etwas, das derart viel Interaction von mir fordert, unglaublich unverschämt vor. Aber wie das meist ist, mit den Dreistigkeiten, war das nur die Kirsche auf der Sahnetorte, der Hügel des Maulwurfs, die erste Schneeflocke des Blizzards, oder kurz: der Anfang vom Ende.

Denn eben musste ich mir, um meinen Lokalisten.de-Online-Account (ein Netzwerk, das ich gerne in Sexisten.de umbenennen würde) zu löschen ein 3MINUTEN (3 Minuten!!! In Internetzeit sind das 6 Jahre!!!!!!) Video ansehen und dann eine inhaltliche Frage dazu beantworten! Ich sollte also auch noch aufpassen. Bei einem Werbevideo im Internet! Verdammt ist das fies. Und clever. Glücklicherweise ist mein Gedächtnis, auf Grund meines Internetkonsums von Kindheit an, nicht dafür trainiert sich irgendwas zu merken. Darum weiß ich jetzt, eine halbe Stunde nach dem Video schon nicht mehr, worum’s eigentlich ging. Puh. Grad noch mal gerettet.

Werbeinformationen sind das LETZTESTE wofür ich in meinem Köpfchen ein Regal frei machen will.

Was kommt als nächstes??? Oje oje.

Es wird kälter, kauft mehr Bücher

Dies ist eine offizielle Werbepause. Japp. Ich kann grad nichts anderes bloggen. Ich bin zu abgelenkt…und beschäftigt und…naja…ach…das erzähl ich demnächst. Ganz bald. Versprochen. Darum für jetzt:

KAUFT/LEST MEIN BUCH!!! Echt jetzt, Leute. Es lohnt sich! Hier geht’s zu Amazon…

 

Was das Bild mit dem Buch zu tun hat? KAUFT DAS BUCH!!!! .…Ja, das könnte ein leeres Werbeversprechen sein. Aber wie wollt ihr das ohne Buch in Händen wissen? Na?! Ja, siehste. Also ab zu Amazon und Buch bestellen. Moin könnte es dann schon da sein.

 

Nichts sagen hilft… irgendwie auch nicht

„Wie erfahren denn jetzt eigentlich Leute von dem super Buch?“ wurde ich heute gefragt. Gute Frage. Schwere Frage. Meine Problem ist, dass ich meinen Glauben an die Werbung verlor, bevor ich den Glauben an die Menschheit verlor. Also irgendwann vor gestern.

Als Kind des Internets wählte ich für die Veröffentlichung meines inzwischen in Amazon-Kritiken umstrittenen Werkes vollautomatisch den schnellsten, anti-autoritärsten und selbstredend digital verfügbaren Weg: Selber Machen aka Self Publishing aka Book on Demand.

Als eine von den Guten, also von denen die ihr Fahrrad vor dem Biomarkt parkt, um ihr mitgebrachtes Jutebeutelchen für möglichst viel Geld mit möglichst wenig künstlichkulinarischen Zusatzstoffen zu fühlen, hätt ich’s am liebsten ganz digital gemacht. ABER, ich mag Bücher. Ich fass sie gerne an, blättere in ihnen rum, knicke Seiten um, stappele sie und sortiert sie nach AutorInnennamen, Titel, Farben und Größen. Bei Book on Demand wird immerhin nur so viel gedruckt, wie angefordert. Da sterben schon mal ein paar Bäumchen weniger.

Darum liegen aber auch keine Baumleichen in irgendwelchen Buchhandlungen rum. Dafür besteht aber das Risiko, dass keiner den Baum, aka meine Facebook-Satire mit den blauen Herzchen auf dem Cover, umfallen hört. Das wirft mich in eine kleine existenzialistische Krise. Könnte ich, so würde ich jetzt gern Satre antweeten. Denn ich komm nicht weiter. Wenn ein Buch nämlich erst mal kein Buch ist, weil noch nicht gedruckt und nicht in Buchhandlungen im Regal ist, aber dann doch ein fertiges Buch ist, ist es dann noch Essenz oder schon Existenz?

Für‘s Werben ist das egal. Werbung ignoriert den Existenzialismus einfach und sagt dass alles super ist, selbst wenn’s gar nicht da ist. Und schon kaufe ich KEINE Zusatzstoffe, gebe Geld aus, für etwas, das etwas nicht ist. Ein Buch ohne gedruckte Auflage ist dann doch auch nicht viel anders. Ein facebook-Kommentator meinte neulich zu mir „selbstverlegt ist kein Buch weil kein Verlag“. Aber ein Kommentar ohne Grammatik ist doch auch ein Kommentar, oder?

Ich würde Satre gern zutweeten, dass das Nichts ein Sein sein kann, wenn es nur die richtige Marketingstrategie hat.

Aber sie hat schon Recht, die Freundin, die mich fragte „Wie erfahren denn jetzt die Leute von dem super Buch?“. Jetzt gerade, ganz ehrlich, weiß ich’s nicht.

Neue Freiheiten

Wir fanden ja kürzlich heraus, dass ich mit meiner Nahrungsaufnahmestörung aka Zöliakie voll trendy bin. Zöliakie, das ist Getreidezölibat, für alle, die es nicht wikipedian wollen. Getreide hat nämlich ein Eiweiß, dass in meinem Inneren für Chaos sorgt. Und nun, nun hat auch die Werbe- und Frauenzeitschriftenindustrie das gemeine Gluten als Gift entdeckt. Mit dem sie jetzt dem Mainstream die Brötchen unter der Butter wegnehmen. Auch REWE hat plötzlich, kurz nach den Promis, die glutenfreien Güterinnovationen für sich entdeckten und ein ganzes glutenfreies Sortiment aus Reismehl und Co. gezaubert. Mich sollte es eigentlich freuen und nicht frustrieren, dass so Aufmerksamkeit auf mein bis dato Nischenproblem geschleudert wird und ich lauter neue Dinge vor den Einkaufswagen gesetzt bekomme, die ich kaufen und kotzfrei konsumieren kann. Aber irgendwie blubbert’s in meinem Bauch kritisch, wenn ich daran denken nun Unterhaltungen zu überhören, in denen es um die Modeerscheinung glutenfrei geht und ich von Ernährungstipps lese, die Glutenverzicht als Abnehmtrend loben.

Glutenfrei ist das neue Diätsiegel. Das wurde mir denn auch heute morgen explizit erklärt, als Du Darfst (Du Darfst, das Epizentrum der Kernkompetenz Kalorienkunde Konsumbewegung) im Fernsehen verkündete “Fuck the Diet”. Fehlte nur noch die Meldung in den Nachrichten, dass Berlusconi nun gegen Korruption vorgehen will und dabei von der Mafia unterstützt würde. Und selbst das kommt noch nicht an das Oxymoron Du Darfst und Fuck the Diet ran.

Aus Erfahrungswerten weiß ich, dass man als WerbetexterIn kaum Zeit hat, sich wirklich mit den Produkten, um die es geht zu beschäftigen. Aber hier müssen doch Unterlagen vertauscht worden sein??!

Aber gut, nehmen wir es als Fakt, hypothetischen Fakt, vorerst, Du Darfst praesumitur bonus donec probetur Malus, ausnahmsweise. Zurück also zum Gedankenspiel, zur potentiellen Parallelwelt, die sich den diätgeschulten Einkäuferinnen und Einkäufern nun bietet: Die Jagd auf leere Diätversprechungen durch Lebensmittelüberwachungsorganisationen wie z.B. Foodwatch (alias die Guten) hat dazu geführt, dass Diet nicht länger als kühlregalfähiges Label funktioniert. Denn wider erwarten des Verpackungsetiketts werden wir davon nicht dünner.

Auf den Plan treten darum die Gluten! Das klingt fast wie “die Guten”, das sind aber die Bösen. Zumindest in dieser Werbewelt. Denn der Großteil der Menschheit hat kein Problem mit Weizen, Roggen, Gerste und all den Gewächsen aus denen Teigwaren hergestellt werden. Nur Menschen wie ich und noch ein paar wenige andere, die müssen davon kotzen und andere eklige Dinge tun. Ganz eklige Dinge. Stundenlang. Nächtelang. Zöliakie ist nicht Halma, meine Lieben. Wirklich nicht. Ich wünsche diese Krankheit niemanden und würde keiner/keinem Zöliakie als Lebensstil empfehlen. DAS aber machen Medien (die ich natürlich nur zufällig in die Hände bekommen und NIE regulär lesen würde) wie Bild und fit for fun.

Kranksein ist der neue Gesundheitstrend. Weil Kranke besser auf ihre Gesundheit achten? Oder weil wir vom Überangebot an Nahrungsmitteln so gelangweilt sind, dass wir uns nach Einschränkungen sehnen? Dann sind wir tatsächlich krank. Übel krank. Mir ist auch schon wieder ganz schlecht….

Durchgepielt und durchgespült

Vielleicht funktioniert Social Media mit zu viel Privatsphäre nicht. Vielleicht sind meine Freunde und Freundinnen aber auch gar nicht verschwiegener geworden, sondern unspektakulärer. Oder abwesender. Oder beschäftigt mit wichtigen Dingen wie Masterarbeiten, Promotionen, Betreuung von Waisenkindern auf dem afrikanischen Kontinent, Arbeiten oder Urlaub machen. Vielleicht haben wir facebook und co. aber auch einfach durchgespielt. Und so aufgeräumt und ästhetisch Google+ auch wirkt, auch das finde ich im Moment nicht erhellend oder spannend genug, um mitzuspielen. Nachdem ich auf Twitter verfolgt habe, wie AOL erst die Huffington Post und dann TechCrunch aufgekauft hat und dann grundlegende personelle Änderungen vorzunehmen, um sicher zu stellen, dass die Nutzer weiter mit dem versorgt werden, was diese Seiten erfolgreich gemacht hat, ohne zu wissen was das eigentlich ist, aber man kann’s ja mal mit Werbung versuchen… Werbung passt immer noch irgendwo rein und das war’s doch, was den Nutzern sagt was sie wollen. So war’s beim Fernsehen doch auch und beim Iphone und schicken Autos und Leggins und Schulterpolstern. Wer hätte je gedacht, dass wir das alles man wollen würden. Aber man weiß vorher eben nicht, was man sich wünscht, bevor man es in der Werbung gesehen hat. Aber ohne den/die ein oder andere/n, der doch mal auf eine neue Idee kommt, steht das Konsumkarussell still. Und damit das Internet, das wie der Feuerwehrwagen auf dem Konsumkarussell zum Einsteigen einlädt. Warum das Internet der Feuerwehrwagen ist? Wegen der Sirene natürlich. Der Feuerwehrwagen auf’m Karussell gibt einem wenigstens das Gefühl man könne selbst was bewirken. Nämlich Licht an und aus machen und scheußliche Geräusche aus einem Horn erklingen lassen. Bei den anderen Sachen setzt man sich nur rein und lässt sich im Kreis rumschaukeln. So war das eben auch bei Radio und Fernsehen. Aber das Internet schien mehr zu bieten. Doch jetzt. Jetzt bekomme ich immer mehr das Gefühl, dass wir im Feuerwehrwagen Pony und Kutsche nie überholen werden, so sehr wir auch hupen. Es bricht eben nichts aus, sondern wiederholt sich nur alles. Google + wirbt damit, das du bieten was es eh schon getan hat: Gemeinschaftliches Arbeiten, Vernetzung, Auffinden von Dingen, aber jetzt halt zentral in Google+, statt vormals zentral in Google unter Texte, Maps, Email, und so weiter und so fort- und rückschreitend. Und auch bei facebook gibt’s lauter neue Einstellungsmöglichkeiten und Funktionen, aber eigentlich kennt man das doch alles schon irgendwoher. Ein bisschen ist das so, als hätte jemand den Hebel umgedreht und jetzt fährt das Karussell halt mal eine Runde rückwärts. Im ersten Moment scheint dann alles anders, aber man kommt schnell darauf, dass man das ja doch alles schon mal gesehen hat. Und in dieser Richtung wird einem vom Drehen noch schneller übel.

So zappe ich inzwischen ein bisschen im Internet rum, aber entdecke nichts wirklich Neues und beginne mich zu langweilen. Und wenn man sich erst mal langweilt, dann ist es kein großer Schritt mehr, bis man aussteigt, und sich was anderes sucht. Vielleicht mal die Achterbahn? In den Autoscooter? Oder doch ins Gruselkabinett? Aber auch alles nicht neu, nicht innovativ, alles schon mal durchgespielt.

Das wirklich Doofe daran, wenn man nicht gelernt hat selbst Wünsche zu entwickeln, sondern sich dafür an der Werbung orientierte, ist: Man wünscht sich nichts, aber ist auch nicht wunschlos glücklich. Oder sind wir nur zu abgedreht, um es zu merken?

Langsam bin ich übersättigt, Zeit zum Überge(b)hen?

Eins der treibenden Maxime des kapitalistischen Miteinanders ist ja bekanntlich das Prinzip „Keeping Up with the Joneses“. Zu Deutsch: Das was der/die hat will ich auch, brauch ich auch, muss ich haben. Oder in vier Buchstaben: NEID. Über dessen Gesundheitswert wird sich gern und viel gestritten. Die einen verherrlichen ihn als Ehrgeiz und arbeiten, arbeiten, arbeiten, um kaufen, kaufen, kaufen zu können. Andere sagen er störe das innere Gleichgewicht und meditieren, wobei sie die Augen zu machen, damit sie nicht sehen, was der/die neben ihnen wieder tolles, neues hat. Dabei macht es für den persönlichen Umgang mit diesem Gefühl einen Unterschied, wer der/die Joneses ist/sind. Für Freunde freuen wir uns und gratulieren ihnen zu ihren ausgesprochen glücklichen Geschmack, ihrem erfolgreichen Einkauf, der Verbesserung ihrer Lebensqualität durch dies oder jenes Objekt. Meistens belassen wir es dann dabei. Aber nicht immer. Ich kenne Freundschaften, die daran zerbrochen sind, dass sich B, die Schuhe von A nachgekauft hat, die sie wiederum dem Modell in irgendeiner Frauenzeitschrift nachgekauft hat, das wiederum hat sie Schuhe gar nicht gekauft, sondern von einem großen Modeunternehmen geschenkt bekommen, damit sie nicht barfuß rumlaufen muss und sich noch verletzt. Glaub ihr nicht? Ja, ich auch nicht. Große Modeunternehmen sind nicht wirklich nett, die geben ihren Modellen ja nicht einmal etwas zu Essen. Warum dann aber Schuhe? Naja, Essen sieht man nicht, wenn es einmal im Körper verschwunden ist, Schuhe aber werden außen getragen und feuern so den Kaufanreiz ‚Neid‘ an.

Und weil facebook ja bei allem mit macht, macht es auch dabei mit. Erst interessiert, dann irritiert und jetzt indigniert entdeckte ich folgendes:

Ich kann dank der Foto-Tag-Funktion nun nicht mehr nur neidisch auf den gutaussehenden Kerl neben meiner Freundin sein, sondern auch auf alles was sich noch im Bild befindet. Und dann losgehen und mir das auch besorgen. Also die Klamotten, nicht den Mann. Leider. Selbstverständlich.

Für Unternehmen ist das bestimmt super, weil sie so ganz einfach mehr Aufmerksamkeit und vermutlich auch mehr Umsatz machen. Aber damit wird jedes Foto zu einer Werbeanzeige. Das gefällt mir nicht facebook. Das gefällt mir garnicht. Und statt Neid, verursacht diese Entwicklung bei mir Angst und sogar anti-kapitalistischem Sentiment. Vielleicht holt mich Hollywood ja zurück auf die dunkle Seite, ich schaue mir jetzt erst einmal den Film „The Joneses“ an. Nicht wegen den attraktiven Konsumgütern, sondern dem gutaussehenden Kerl daneben, David Duchovny. Wann facebook wohl die Methode Sex Sells implementiert?

SehSchwäche – Teil 3 des Brillenkampagnenkonflikts

Ich bin die, die gerade feststellt, dass sie ein Loch in der linken Socke hat. Ich bin die, die das Loch, mit 99 prozentiger Wahrscheinlichkeit, wieder vergisst und die kaputte Socke dann doch wieder mitwäscht. Ich bin die, die falls sie dran denkt die kaputte linke wegzuwerfen, nicht dran denkt auch die rechte auszusortieren und später den gesamten Kleiderschrank ausräumt, auf der Suche nach der anderen Socke mit den blauen Streifen. Ich bin die, für die es keine Welt mehr außerhalb der medialen Milchstraße gibt.
Auf meinem kleinen Exkurs in die „reale Welt“, diesem mystischen Ort irgendwo zwischen meiner Wohnung und der Innenstadt – der nicht mit www. beginnt und .de oder .com endet, diesem Ort, an dem man sich nicht plötzlich an einer anderen Stelle wiederfindet, wenn man gegen ein Werbeplakat klopft (denkt nicht, ich hätte es nicht versucht) – steht er plötzlich vor mir. Auf Konfrontationskurs. Real, in Farbe und zum Anfassen. Ein Werbeaufsteller mit Plakaten der aktuellen Apollo-Kampagne. Ich hatte ja schon mal erwähnt (so nebenbei), dass ich die Aussage des TV-Spots „Ich bin die, die auf der Rolltreppe liest“ ähnlich spannend finde, wie besagtes Loch in meiner Socke. Aber wie die Geschichte mit dem Loch, endet auch das Apollo-Abenteuer noch lange nicht. Vielleicht bin ich verdorben verwöhnt von der Sprache des Spektakels, in der das Tagesgeschehen sonst an mich herangebracht wird, aber die Copy des Plakats ringt mir nur ein „a….ja“ ab:

Wir sehen einen Mann am BECKENRAND bzw. AUßERHALB(!!!) des Wassers in Badesachen bzw. Kleidung, mit der er nicht in der Fußgängerzone stehen sollte, auch nicht auf einem Plakat (nackich ist nackich, ob nun mit Blutzirkulation oder ohne), begleitet von den Worten: „Ich bin der, dem kaltes Wasser nichts ausmacht.“ Ist das so? Hm. Seh ich nicht. Es heißt ja immer Werbung lüge, aber so direkt muss das nun auch nicht umsetzen. Von diesem Problem mal abgesehen, ist in kaltem Schwimmbadwasser schwimmen nicht gerade Extremsport und damit nicht wirklich eine Qualität, die den Dargestellten als einzigartig erscheinen lässt, und das will die Anzeige ja scheinbar, wenn es dann heißt „Ich bin der, für den diese Brille gemacht ist“.
Ich bin die, die die Anzeige immernoch doof findet, aber die sich langsam fragt, ob hier eigentlich das Produkt das Problem sein könnte. Tatsächlich abenteuerlich ist nämlich die Zeichenevolution, die Brillen in den letzten Jahren durchlaufen haben. Ferdinand de Saussure, seines Zeichens Schweizer und schon fast ein Jahrhundert ohne Blutzirkulation, aber dennoch unsterblich dank seines Beitrags zur Sprachwissenschaft, verdanken wir u.a. die Unterscheidung in Signifikant und Signifikat. Saussure hat das viel ausführlicher und schöner, weil französischer erklärt, aber damit wir alle auf einem Level sind eine kurze Zusammenfassung: Es gibt immer ein Ding (aus Plastik, Metall und Glas zum Beispiel) und eine Bezeichnung dafür (Brille zum Beispiel), die aber eben nicht nur auf das eine Ding aus Plastik, Metall und Glas verweist, sondern auch auf andere (z.B. Brille -> Klobrille). Drum denken wir bei Brillen eben nicht nur an was zum besser sehen, sondern auch an Brillenträger. Und das waren früher eben genau die Jungs, die am Beckenrand rumsaßen, weil sie darauf warteten, dass sie doch noch jemand in sein Team wählen würde. Die, die im Unterricht keine kleinen Briefchen mit Multiple-Choice-Liebesbekenntnissen erhielten. Die, die nach der Schule ihre Hausaufgaben machten, statt Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Die Streber, die Außenseiter, die mit der Brille eben.
Statt sich mit den Folgen zu früh und zu unerfahren gemachter sexueller Aktivitäten aufhalten zu müssen, sind die mit der Brille aber nach der Schulzeit an die Spitze der Trenddiktatur geklettert und verkünden die neue Glaubensbotschaft: content matters.

Der Nerd (englisch für Sterber) ist das aktuelle männliche Ideal einer Generation von Antihelden. Früher verschriene Brillen werden heute von Menschen getragen, die gar keine brauchen, weil es Ihnen aber genau diesen verkorkst, tiefsinnigen Akzent verleiht, den Apollo als Macken, die uns ausmachen zu präsentieren versucht. Content matters, aber design halt doch auch, denn in Wirklichkeit ist der „moderne Nerd“ eben nicht der komische dürre blasse Junge, der von Mama-ausgesuchte T-Shirts trägt und unangebracht lacht, wenn er merkt, dass das süße Mädchen garnicht ihn angelächelt hat, sondern den großen mit dem breiten Kreuz. Der Nerd ist auch nicht die Version 2.0 dieses Strebers, sondern die Version 2.0 der Jungs, die auch früher schon cool waren, und sich nun einfach eine coole Brille aufsetzen. Der Nerd ist eben gerade keiner, der den ganzen Tag zu Hause sitz, sondern eher ein Bohemian der in Gesellschaft sein Individualität kund tut. Einer, der in Aufmerksamkeit baden will, statt in kaltem Wasser. Der, der viel zu arrogant und von sich selbst überzeugt ist, um sich irgendwelche Macken einzugestehen.

Die Brille ist Teil eines neuen Kontexts, aber die Anzeige, die, die mich verfolgt, ist und bleibt im alten und im neuen Bedeutungsgeflecht ein kauziger, komisch riechender Außenseiter.

Am Anfang schuf ich Himmel und Erde

Ich möchte von vorneherein warnen: dieser Text wird lang, richtig lang und er wird Fortsetzungen haben. Solltet ihr euch mental und emotional nicht in der Lage fühlen, das Warten, Bangen, Rätseln und Zweifeln zu ertragen, solltet ihr es einfach nicht aushalten, sondern wollt sofort wissen, wie es weitergeht. Dann empfehle ich jetzt hier aufzuhören und in den nächsten Tagen, wenn dann auch die Fortsetzung online ist wiederzukommen. Tschöö! Bis die Tage!

Willkommen zurück heute, am welchen-Tag-wir-auch-immer-grad-haben-mögen. Was zerriss mir nun also meine Beiträge und spaltete mein schöpferisches Schaffen in mehrere Teile? Was war die Wurzel einer kleinen Blogpost-Serie? a) Krieg b) Radioaktive Verstrahlung c) das Zusammenbrechen unseres Wirtschaftssystems d) Werbung. Antwort d natürlich. Was sonst. Ich hatte ja bereits angemerkt, dass mir gute Werbung lieber ist, als schlechtes Fernsehen. Und nun habe ich Werbung gefunden, die zwar weder gut noch schlecht ist, aber einen Nerv bei mir trifft, weil sie ein Phänomen aufgreift, das mir inzwischen den letzten Nerv raubt: Individualität. Das Damoklesschwert einer Generation, die Religion, Politik und die Suche nach dem Sinn des Lebens aufgegeben hat, um sich mit vollem Herzen dem Narzissmus zu widmen. Sich selbst nicht nur für Gottes Geschenk an die Welt, sondern für die eine, einzige wahre Gottheit überhaupt und sowieso zu halten, verursacht aber blöderweise ein paar grundlegende Probleme. Entweder man gibt den Monotheismus auf und akzeptiert, dass es mehr als einen von der eigenen Art gibt, oder man sucht nach Bestätigung für die eigene Einzigartigkeit. Früher hat man das gemacht, indem man sich jemanden anderes gesucht hat, dem man dann lauter negative Sachen nachsagte, um selbst besser dazustehen. Mit ‚früher‘ meine ich den Verlauf der Menschheitsgeschichte (Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Otherness und das Alles) und zugleich früher im Sandkasten (Die Nora ist doof!). Jetzt mit Liberalismus, political correctness und Co. schreiben wir die negativen Eigenarten nicht mehr den anderen zu, sondern uns selbst. Und tun dann so, als wären sie was Tolles, was Besonders, eben die „Macken, die uns einzigartig machen“. Und genau das greift die aktuelle Kampagne von Apollo-Optik auf. Da sagt eine wirklich gut, aber nicht einzigartig, sondern mainstream-ideal-perfekt-schlank-lange-beine-lange-haare-tolle-haut-das-komplett-packet-eben aussehende Frau: „Ich bin die, die auf der Rolltreppe liest.  …Ich bin die, die nie weiß, ob das Licht noch brennt. Ich bin die, die sich im Taxi umzieht. Ich bin die, für die diese Brille gemacht ist.“ (I’m paraphrasing. Kein wörtliches Zitat, ich hab was ausgelassen. Verklagt mich nicht.) Auf einem Poster sehen wir einen ebenfalls idealtypischen Kerl und die Copy: „Ich bin der, der seine Platten nach Farben sortiert.“ Ich möchte dazu aufrufen, dass der Kommentar eines Horizont-Lesers bitte in die Plakatkampagne implementiert wird: „Ich bin der, der sagt das dieser Spot Müll ist.“ High-Five!

Aber es gibt auch Kommentare, die den Spot nicht ‚verspotten‘ (hö!hö! Ja, ja, finde nur ich lustig. Wiedermal.), sondern loben. Der moderne Kunde/Konsument findet Macken nämlich nicht mehr anstrengend, sondern angesagt. Macken machen uns zu Marken, meine These. Drum scheinen Marotten auch als Legitimation und Kerninhalt des Bloggens obligatorisch zu sein. Sie sind ‚part and parcel‘ (wie die Amerikanistin sagt), wenn man zu Ruhm und Reichtum gelangen will. Das belegt zumindest mein Blick in die Listen der beliebtesten Blogs. Besonders gern gelesen wird nicht nur über Internet-Thema Nummer Eins „Sex“, sondern über Menschen die ihre Fehler nicht verbergen, sondern in ihrer ganzen Fülle ausbreiten und darin schwimmen gehen. Menschen mit komischen Berufen, komischen Hobbies und besonders gern Neurosen und Eigenarten. Das reicht von echten Krankheiten, wie allerlei Essstörung (Chew-and-Spit. WTF?? Essen ohne Schlucken!! Wie viele Leute da wohl landen, die eigentlich nach Pornographie gesucht haben? Hö!Hö! Ja, finde wieder nur ich lustig. Nicht komisch. Ja,ja,ja.), bis hin zum Faible für Fotos von Müsliflocken (da schau an, die sind auch alle einzigartig. Eine Parallele!). Individualismus funktioniert also. Und funktioniert über: Besonderheiten. Da mein Blog aber nun mal gerade das Weitverbeitete thematisiert, muss ich mir wohl auch einen Fimmel zulegen, wenn ich es hier zu was bringen will. Da ich mich aber außer Stande fühle allein zu entscheiden, was aus mir eine ‚Individuelle‘ machen könnte, habe ich eine zweite Meinung hinzugezogen:

….. Fortsetzung folgt….