
Meine neue, liebste Wochenendbeschäftigung ist Wohnungen besichtigen. Wäre meine bessere Hälfte nicht dagegen, würde ich zu diesen Events Popcorn mitnehmen. Aber er will süßes Popcorn und ich salziges. Wir können uns einfach nicht einigen und mit zwei Tüten Popcorn bei einer Wohnungsbesichtigung aufzutauchen wirkt seltsam. Jeder mit seinem eigenen Popcorn vermittelt nun nicht das, was Vermieter/Verwalter/Makler sehen wollen. Die wollen glückliche, sich einige, langfristig gebundene Pärchen, am liebsten Eheleute ohne Kinder und Tiere, mit viel Geld und noch mehr Arbeit, die nie zu Hause sind. Vielleicht würden zwei Popcorn-Portionen aber auch unseren Marktwert steigern. Schließlich können wir uns zwei Tüten leisten! Jawohl! Und was haben die anderen Interessenten dabei? Nichts! Ha! Ja, danke, danke, aber nehmen sie den Vertrag wieder weg. Wie gesagt, wir sind ja gar nicht wegen der Wohnung hier.
Denn bei diesen „Events“, bei denen für eine knappe Stunde Kölner Wohnungstüren geöffnet werden, gibt es mehr Spannung, Intrigen, Verrat, Kummer, plötzliche Wendung und auf ewig zerstörte Existenzen zu beobachten, als in den Soaps, die von Montag bis Freitag auf den öffentlich-rechtlichen Laufen. Man riecht förmlich die Feindseligkeit zwischen den Interessenten und Interessentinnen, mag man meinen. Vielleicht kommt der Geruch auch von den Überresten der Messie-Vormieter. Die muss der Anbieter der Wohnung nicht mal wegräumen, denn die Wohnungsnachfrage ist so groß, dass Ratten schon die Kölner Kanalisation untervermietet haben. Ernsthaft, da war neulich ein spannendes Objekt, das fast der Student aus gutem Hause bekommen hätte, hätte ihm die Neurochirurgin nicht, mit ihrer polizeilichen Bestätigung darüber, dass sie ein nicht-akustisch-vernehmbaren Sexualleben vorzuweisen hat, in letzter Minute die unterirdische Nasszelle nördlich von Niehl weggeschnappt.
Um die vorhandene Spannung dennoch zu erhöhen, lasse ich gerne, in Gegenwart der potentiellen Mietermeute, Wortfetzen fallen, wie „den Wasserschaden sieht man ja kaum noch“, „Asbest war das? Achso, also doch Asbest…“, „Die zentrale der rechtsradikalen Szene, eine Etage weiter oben, hat schon die schönere Aussicht“, „Schlösser wurden doch nicht gewechselt? Achso, na dann ist die Wohnung ja vielleicht bald wieder frei. Oder haben die ihn endlich gefasst?“, „die Spurensicherung hat da nen Fleck übersehen. Da muss man dann doch zweimal drüber streichen, sonst sieht man das Blut durch.“ „Achso, ich hatte gehört, die hätte ein Baby…oh guck mal Schatz, die Blumentöpfe sind im Preis mit drin.“
Dabei gibt es mehr zu sehen, als bei jedem Museum- oder Theaterbesuch und der Eintritt ist frei! Vielleicht sollte ich Touren anbieten? Gegen Geld. Für Touristengruppen. Und da gibt’s dann auch Popcorn. Und Cola. Und Bier.
Wenn das mit dem Schreiben nichts wird, ist das mein Plan C!
Gefällt mir:
Like Wird geladen …