Wie man mit Wahlplakaten Geschichten erzählt… und Albträume bereitet

Wahlplakate sind reale Pop-Up-Werbung. Aus dem Nichts sind sie wieder einmal aufgetaucht. Sechs Wochen vor dem 14. Mai und damit pünktlich am ersten April (welch ironisches Spiel des Kalenders) wurden die Laternen in meinem Städtchen mit diesen bunten Bildern bestückt.

Mein Veedel ist aktuell ein echter Plakatdschungel. Alle paar Meter hängt so ein Pappding mit entsprechenden -nasen. Leider sind die meisten zwar bunt, aber gar nicht fröhlich karnevalesque, sondern erzählen düstere Visionen über die sonnige Welt, in der sie hängen.

FDP_Plakat_NRW2017_DigitaleSchuleGanz vorne beim Wahlkampfplakate-Trauerspiel ist die FDP. Da guckt z. B. Christian Lindner so desillusioniert und schockiert ins Leere, dass ihm sämtliche Farbe aus dem Motiv gerutscht ist und drunter steht: „Das Digitalste in der Schule dürfen nicht die Pausen sein.“ Bisher hörte ich immer, in Schulen gäbe es gar keine Digitalisierung. Nun las ich, während mich Christian Lindner mit seiner Depression anzustecken drohte, dass es nicht nur Digitales, sondern sogar das Digitalste in Schulen gibt. Mega! ‚Ja, dann macht doch mehr von diesen digitalsten Pausen’, dachte ich also! Die Balance zwischen Pause und Lehrstunde fand ich schon als Kind immer völlig verschoben.

 

FDP_Plakat_NRW2017_PendlerNoch trauriger war der arme Christian ein paar Meter weiter: Unterwegs im Auto, immer noch in Schwarz-Weiß und immer noch ziemlich depri. Eine Szene aus einem Hitchcock-Film. Aber statt seinem sicheren Tod entgegen, fährt der ärmste zur Arbeit. Das ist bitter. Arbeit darf ja keinen Spaß machen und auf dem Weg dahin regnet es IMMER, wie das Bild zeigt. Das ist traurig. Noch trauriger ist aber, was helfen soll: Frühaufstehen! Aus eigener Erfahrung als Frühaufsteh-Gegnerin weiß ich, dass Frühaufstehen zu mehr Konflikten als Lösungen führt. Und an solchen düsteren Tagen, wie auf dem FDP-Wahlplakat sollte man am besten ganz im Bett bleiben!

 

Gründen_Plakat_NRW2017_FreiheitGrünen_Plakat_NRW2017_Umwelt

Eine Straße weiter versuchen mich die Grünen mit fröhlich strahlenden Motiven aus dem Film Noir zu reißen, der sich in meinem Kopf abspielt. Die Aufheiterung ist nötig. Aber statt Fröhlichkeit geht mir nur durch den Kopf: Hääähh? Erstens, Zweitens… und dann? Soll das eine Kausalkette sein? Passte kein dritter Aufzählungspunkt mehr auf die Fläche? Umwelt, Freiheit, ja, … hmmm. Aha. Ja, versteh ich nicht. Aber die Farben mag ich. Ich geh dann aber mal weiter.

 

SPD_Plakat_NRW2017_HanneloreKraftSPD_Plakat_NRW2017Und da hing dann Hannelore Kraft, die sich auch nicht sicher schien, ob sie lächeln sollte oder nicht, womöglich ebenfalls von den Lindnerschen 50-Shades-of-Grey traumatisiert. Ein bisschen weiter zeigte mir die SPD dann noch einen Opa im 80er-Jahre-Jogging-Kombi und drei süße Kinder. Na immerhin! Süße Kinder und süße Tiere gehen schließlich immer und trösten meine Seele.

Diese Frühlingsgefühle zerstört leider die Linke nur wenigen Meter weiter und zwingt mich zum rotsehen.  Denn da ist nun die Rede von Kindern, die Hannelore vergessen habe. Dramatisch! Unfassbar! Wo vergessen? Wie vergessen? ‚Aber der nette, schlecht gekleidete Opi ist doch bei den Kindern’, denke ich mir und schaue nochmal zurück zum SPD-Bild. Oder ist das gar kein „lieber“ Opi, sondern schon wieder so ein Brutalo-Rentner, der die Kids womöglich an den Arsch der Welt verschleppt? Denn der wird mir von der Linken einige Meter weiter angedroht. Der Arsch der Welt ist der letzte Ort an den Menschen, die in so einem netten, angesagten Viertel wohnen, erinnert werden möchte. Irgendwo da draußen gibt es diesen Arsch und immer mal wieder hört man von Menschen die dahinziehen und dann hört man nie wieder etwas von ihnen. Der Gedanke an ein Leben am Arsch der Welt ist die städtische Wählerschaft 100mal brutaler als Kriegsbilder aus Syrien und bringt ordentlich Gewitter in mein Wohlstands-Wölkchen. Damit ist es zu viel für mich.

 

Bevor ich mich noch an den Arsch der Welt verlaufe, flüchte ich darum lieber aus dem Plakatwald, zurück ins Internet, wo mich mein Werbeblocker vor derartigen Trauer- und Horrorgeschichten beschützt und es zu Haufe süße Kinder und Tiere gibt!

Neue Vox Show „Politik Queen“ – FDP versucht mit pinken Accessoires die maximale Punkteanzahl zu holen

„Ditt hätt isch dir auch mit Paint machen können, für’n Zwanni,“ werden nicht wenige Betrachter des neuen FDP-Logos dieser Tage sagen. Denn es ist enthüllt. Und mein Nacken tut vom Kopf skeptisch nach links und rechts legen inzwischen weh. Ich weiß einfach nicht wohin die, die sich bis dato Liberale nannten, sich nun aber Freie Demokraten auf‘s wehende Fähnchen schreiben, hin wollen. Vielleicht zu Zielgruppen, die keine fremdwortartigen Begriffe mögen?  So steht nun Blindtext statt Lorem Ipsum auf der Parteirepräsentanz.

Aber bevor man meckert, muss man sich ja eigentlich fragen,

  1. was die FDP mit einem neuen Logo hätte richtig machen können und
  2. was dabei offensichtlich alles falsch lief.

Die Antworten: a) nix und b) Schulterzucken. Wir waren schließlich nicht dabei.

Sprechen wir also lieber über a) und den damit verbundenen Allglauben an die Kraft neuer Logos. Spiegel Online untertitelt „Mit der frischen Optik wollen die Liberalen 15 Monate nach dem Bundestags-Rauswurf moderner und sympathischer wirken.“

Es ist doch wunderbar anzunehmen, dass sich mit einem Rebranding einfach die verbrannte Erde unter den Teppich kehren lässt, während man im Anschluss den Bodenbelag raus reißt und austauscht. Oder ist dies das gesamtsoziale Äquivalent zur Midlife-Crisis, in der man sich unter Einsatz neuer D-Körbchen oberflächlich eine Jugendlichkeit zurückholt, die man vor 20 Jahren gar nicht hatte? So oder so, ich fürchte ein bisschen rosa Lipgloss reicht für eine neue FDP nicht aus, aber das Make-Over scheint ja erst in seinen Anfängen.

Ich bin gespannt auf die große Vorher-Nachher-Show. Die sehe ich beim mentalen Zappen bereits im Nachmittagsprogramm bei Vox. Im rosa Shopping-Queen Bus fahren die Parteivorsitzenden durch die Welt und suchen nach einem passenden Outfit zum Thema: „Modern und sympathisch – Erfinde deine politische Identität neu und sei damit der Hingucker bei der nächsten Landtagswahl“. Dazu wird Maybrit Illner  von der Seite visuell eingeschossen und kommentiert die Versuche, wie dieser Zeit Guido Maria. Und die Protagonist_innen der Show rennen hektisch umher und schreien: „Haben wir noch Zeit? Wie viel Geld haben wir noch?“

Auch bin ich höchst gespannt, wie viele Punkte die FDP mit dem Magenta Logo Accessoire holen kann und ob ihnen nach dieser Anschaffung noch genug Geld für’s Styling bleibt. Ich bleibe dran und genieße die Werbung.

Warum Online-Shopping tot ist

… oder es zumindest mal jemand zur Strecke bringen sollte! Dies ist keine Drohung, sondern eine Bestellung!

Die Weihnachtsmärkte haben noch nicht eröffnet und mein Fest ist schon ruiniert. Darum mache ich mir grade selber Glühwein, als Wärmequelle nutze ich dafür meine flammende Wut. Denn es war einmal eine naive Immerabgelenkt, die sich dachte: „Dieses Jahr bin ich mal früh dran mit den Geschenken.“ und fleißig im Internet zusammensuchte, womit sie glaube ihrem Liebsten eine Freude machen zu können. Klick und angucken. Klick und in den Warenkorb legen. Klick und nochmal vergleichen. Klick und nochwas in den Warenkorb, weil sich mehr Geld ausgeben besser anfüllt als Versandkosten zahlen. Klick und die Bestellung ist abgesendet. Und ich dachte wirklich, nun sei alles gut. Aber nein, diese wahre Weihnachtsgeschichte hat kein Happy End.

Der Grinch hat einen neuen Namen: Re-targeting. Als nur Stunden nach meinem grandiosen Zeitsieg gegen den Adventsstress der Beschenkte das „Device“ nutze, das wir, ganz digital nativistisch „sharen“ (liebe Frauen, die ihr denkt eine gemeinsame Wohnung sei eine große Sache in einer Beziehung, lasst mich euch sagen: Wahre Liebe ist, wenn man von „unserer“ Browserhistorie spricht.), sah er, was ich gekauft hatte, eingeblendet auf jeder einzelnen Seite, die er besuchte und sogar in allen Apps. Hätte ich die Historie nach der Bestellung gelöscht, hätte das auch nichts gebracht. Denn Re-Targeting ist fieser, viel, viel fieser. Re-Targeting bedeutet, dass ein Ziel immer und immer wieder beschossen wird, auch wenn es längst am Boden liegt und ausblutet. Geschossen wird mit der schlimmsten aller Munitionen: Werbung. Und dabei geht das Marketing dahinter so unerbittlich vor, wie die IS. Geheimnisse müssen der Möglichkeit auf mehr Umsatz weichen. In Zukunft wird Weihnachten nicht mehr daraus bestehen, dass wir Kekse backen, sondern Cookies löschen.

Nun könnte man meinen die Technologie hat es nicht so gemeint. Sie konnte ja nichts dafür. Doch kann sie. Sie ist ein fieses Miststück, ein Arschloch, eine dreckige, miese ***************************************************************************************************************************************************************************************************/ZENSIERT. Diese These habe ich experimentell erforscht. Ich hab nämlich einige Tage nach dieser Tragödie, Verlauf und Cookies entfernt und begonnen mir im Internet Dinge genau anzusehen, die ICH mir wünsche. Ich hielt das für ziemlich clever. Doch die Maschinen haben mich durchschaut. Statt Einblendungen des Sportwagens, den ich so gerne hätte, bekommen wir jetzt Empfehlungen für günstige Kredite….

Ein Klugscheißer ist Re-Targeting also auch noch. Wenn das mit Weihnachten also noch was werden soll, muss ich echt raus gehen, in die Innenstadt. Igitt. Nicht mehr heute. Nicht bevor die Glühweinbuden öffnen.

Beitragsbandidos oder Lanz’s Angels? Wie man sich öffentlich rechtlich unbeliebt macht

Ich zahle Geld für qualitative ihren Preis nicht rechtfertigende Dinge, allen voran: Der Rundfunkbeitrag. Obwohl ich das Angebot des öffentlich rechtlichen TV und Radios nur in homöopathischen Dosen konsumiere, weil nur wirklich, wirklich wenig dabei ist, das mir gut tut, bin ich total bereit zum Wohle der Allgemeinheit, meinen Obulus zu entrichten, hoffend, dass es irgendwo vor den Empfangsgeräten Menschen gibt, auf die Schlagerparade und Markus Lanz heilsam wirken. Das sehe ich ganz wie mit unserem Gesundheitssystem. Ich bin froh, wenn ich den richtig schlimmen Sachen entkommen kann, in dem Bewusstsein, dass es dennoch viele Kranke gibt, die auf für mich nicht Relevantes oder sogar Giftiges angewiesen sind.

Dennoch bin ich höchst empört über den Brief, den mir der Beitragsservice schrieb. Statt mir den für meine finanzielle Selbstlosigkeit ausstehenden Dank zu entrichten, erhalte ich Drohungen. That’s not how you do Service, mein liebes Beitragssyndikat! Die ausstehende Summe bin ich im Grunde bereit zu zahlen. Hätte man mir Argumente dafür präsentiert, wie ich mit meinem Beitrag der Privatisierung und Trashisierung entgegenwirken, wäre ich sogar bereit noch mehr zu zahlen. Ich spende regelmäßig an Organisationen, die mir versprechen mit meinem Geld die Welt besser zu machen, während ich es mir in unserer Wohlstandgesellschaft gut gehen lasse. Aber egal, die Chance ist nun verpasst.

Denn der Beitragsservice hat sich verformuliert: „Zu Ihrer Information: Künftig erhalten Sie keine Zahlungsaufforderungen mehr, wenn das Beitragskonto einen Rückstand aufweist. Die Rundfunkbeiträge setzen wir dann jeweils per Gebühren-/Beitragsbescheid fest, mit dem ein Säumniszuschlag erhoben wird.“

immerabgelenkt_beitragsservice

Mich ärgert:

1. Dass man mir droht.
2. Dass man mir im folgenden Satz das Lastschriftverfahren zu verkaufen versucht. „Einfach zahlen Sie die Rundfunkbeiträge im Lastschriftverfahren.“ That is not how you do Marketing, ihr Beitragsbandidos!

Immerabgelenkt goes Unternehmensberatung, so viele geschäftliche Ratschläge teile ich derzeit aus. Wenn auch Sie wissen wollen, wie Sie ihre Produkte und Marken nicht nur hübscher, sondern tatsächlich besser, akzeptierter und wertvoller machen können, können Sie sich gerne an mich wenden. Je nachdem wie stark der Bedarf und ihr Budget ist, antworte ich vielleicht. Alternativ können Sie eine herrchen-/frauchchenlose Katze adoptieren. Das hilft ihrem Unternehmen nicht direkt. Aber das sollte jeder tun. Darum kommen Sie über kurz oder lang eh nicht herum.

Neu ist alt ist neuer ist älter ist hauptsache sexy

Manchmal beschleicht mich die Angst wir stecken in unseren eigenen Endlosschleifen. Dass der Alltag redundant ist, zeigt sich an so unvorteilhaften Kausalverkettung wie Samstag, Sonntag, Montag, usw. Aber auch darüber hinaus, kommen wir manchmal nicht voran, weder als Individuen noch als Spezies. Ein Trugbild im Hamsterrad ist dabei etwas, mit dem ich berufsbedingt beschäftigen muss: Zielgruppen. An einem durchschnittlichen Tag Montag gehen mir mindestens 9 Zielgruppen-Analyse durch den Kopf und manche auch über die Tastatur durch den Rechner. Ich bin so darauf getrimmt, dass ich die Menschen in der Bahn in Konsumgruppen einteile, je nachdem was sie lesen, essen oder anhaben. Andere Leute vertreiben sich die Zeit mit Kreuzworträtseln, ich mir mit Marktsegementierungen. Das wird durch Magazine, die sich selbst Fachliteratur nennen (KEIN Qualitätsmerkmal!!), angeheizt und in denen immer wieder die Rede von „neuen“ Zielgruppen ist, die irgendwer ganz Leichhardt-gleich entdeckt werden, wie bislang unbekannte Volksgruppen, auf unbetretenen Kontinenten.

Das führt im Übertragenen zu einer chronischen Markenikratitis. Wie sich bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung das Organ selbst verdaut, wird auch eine immer gleiche neu-entdeckte Zielgruppe mit immer gleichen neuen Produkten bis hin zum Exitus überfüttert.

Das ist so, damit Menschen, wie ich auch am Warenzyklus teilhaben können. Denn es gibt viel mehr Menschen, die mit Marketing ihr Geld verdienen, als es zu bewerbende Neuheiten gibt. Ich wünsche mir aber ganz ganz ehrlich NEUES, spannendes, nie dagewesenes, nicht nur zum Anfassen und Aufessen, sondern auch zum Lesen. Darum bin ich sehr traurig, dass ich es in diesem Jahr nicht zur Frankfurter Buchmesse geschafft habe und nun nur Artikel finde, in denen angepriesen wird, wie wunderbar sich Self-Publishing-Autor_innen selbst vermarkten, wie sie die angeblich nächste Daseinsstufe erreichen: Mensch – Marke – und irgendwann kommt das MIRvana, wo sich alles nur noch um sich selbst dreht bis in alle Endlosigkeit.

Ich feiere die Tatsache, dass jede und jeder, der eine Geschichte erzählen möchte, dies nun tun kann als tatsächliche Chance für die Entdeckung von neuen Welten! Ich begrüße die Profitgeilheit Amazons mit offenen Armen, weil ich hoffe, dass trotz aller Lust auf Cash, vielleicht auch ein bisschen Raum für Kunst ist, weil der Hippie in meinem Herzen sich einredet, dass nun Menschen schreiben, die es eben nicht für eine Zielgruppe tun, sondern weil sie etwas sagen wollen. Ich finde aber nur Beiträge in den großen Nachrichtenspalten, in denen beschrieben wird, wie erfolgreich sich die neue Autor_innengeneration vermarketet, indem sie eben den Zahn der Zeit treffen, genau das liefern, was, die neuen Zielgruppen lesen wollen. Sie liefern das wovon ich heute noch nicht weiß, dass ich es morgen haben wollen werde, die Objekte, die ich mir ans Ende der Strecke meines Hamsterrads hängen kann. Die Zeit ist ziemlich zahnlos und neue Zielgruppen gab es noch nie und wird es auch nie geben. Es gibt Menschen, denen etwas gefällt oder nicht und es gibt Menschen, die bereit sind für etwas Geld auszutauschen oder eben nicht. Alles, was ich zu den Autor_innen, zu denen ich nun selbst auch gehöre, grade lese, besorgt mich sehr. Denn ich kann mit dem Erwartungsdruck etwas liefern zu müssen, dass ja eigentlich gar keiner will, nicht umgehen, zumindest nicht privat. Wenn man mir dafür ein gutes Gehalt zahlt natürlich schon, darauf bin ich getrimmt.

Vielleicht lese ich aber auch nur die falschen Zeitungsdomains. Hat jemanden einen Tipp oder einen alternativen Erlebnisbericht für mich, etwas für die Zielgruppe Immerabgelenkt?

Cupcakes, Konsum, Kritik und der Grund dafür, dass ich diese Worte mit Kommas trennen muss

Dieser Blogpost sollte eigentlich eine Konsum-Sozial-Kritisches Analyse der Erfahrungen des Tages des Guten Lebens werden, mit dem Fazit, dass sämtliche Menschen dieser Gesellschaft, oder doch zumindest meiner nicht-repräsentativen, slightly überhipsterten, aber alternden Nachbarschaft, mit latenter Konsumparanoia infiziert sind. Erst hätte ich die Symptome beschrieben. Im Zuge dessen meine Anamnese bewiesen und letztlich DAS Heilmittel vorgeschlagen und auf diesem Wege mein glutenfreies Cupcake Backbuch schleichwerblich angepriesen. Es wäre die perfekte Verknüpfung von Konsum-Sozial-Kritik und Kaufaufforderung gewesen! Erst Awareness schaffen bis sich alle hungrig fühlen und dann Abverkauf. So sollte das laufen!

Doch das Internet hat mich überlistet. Um zu überprüfen, ob nicht schon jemand anderes, die von mir erfundene Erkrankung beschrieben hat, gerne auch mit einem schöneren Titel als Konsumparanoia, tippte ich die Worte Konsum+Paranoia in die heiligste aller Suchmaschinen. Und jetzt denkt Google ich hätte ein Drogenproblem und verfolgt mich mit Ratschlägen dazu, wie ich meinen Rauschgiftkonsum minimieren kann. Dass mir Mittel und Dienste, die dabei helfen sollen, nun quer durchs Web folgen, ist für die mir von der Suchmaschine zugeschriebenen Paranoia nicht dienlich. Erst Awareness schaffen und so lange drauf einwerben bis zum Abverkauf. Google kennt das Spiel. Aber ich auch. So einfach, lasse ich mich nicht beeinflussen! An einem Donnerstag oder Freitag vielleicht, aber nicht an einem Montag!

Versuche ich links abzubiegen, zu Onkel Maike und meinen Cupcakes zum Karma-Cleaning, um von da aus in Ruhe, ohne Drogen und Verfolgungswahn doch noch meine Story zu tellen, steige ich im Radar der Neo-Stasis der NSA von der Konsumentin zur Produzentin auf. Dabei waren in den Küchlein doch nur drogenfreie und glutenfreie Zutaten! Okay, der alkoholfreie Cocktail, den der Onkel und ich verschenkt haben, hatte Alkohol, aber dafür hat er ja nicht geschmeckt! Und Rhabarbersekt ist legal! Was er, gemessen am Geschmack, vielleicht nicht sein sollte, liebes Verfassungsgericht! Ihr lest ja sicher auch längt mit.

Nicht legal schien es hingegen an diesem Straßenfesttag vielen Kund_innen unserer antikapitalistischen Ehrenfelder Enklave, dass wir für Cupcakes und Getränke kein Geld wollten. Das Prinzip des „Verschenkens statt Handelns“ initiierte statistisch nicht evaluiert in 8,36 von 10 Fällen Verwirrung. Es wäre wissenschaftlich durchaus interessant zu erforschen, wie viel Menschen bereit sind für etwas zu zahlen, das man ihnen schenken will und wie hoch die Einnahmen ausfallen, wenn man, wie in unserem Falle, kein Geld annimmt. Unsere Einnahmen belaufen sich auf gut 5 Euro. Damit sind wir 10000000% über dem Umsatzziel von den angepeilten 0,00 Euro. Ein voller Erfolg!

 

Wer am Tag des Guten Lebens keinen glutenfreien Cupcake abbekommen hat oder einen abbekommen hat, aber nicht damit klar kommt, dass er/sie dafür kein Geld eintauschen konnte, sollte für 9,95 bei Amazon mein Cupcake-Buch kaufen. Das gibt es nicht geschenkt!

cupcake_Buch.indd

Die Rezepte sind mindestens so lecker, wie das Cover!

Sparsamkeit statt Spannung bitte

Obwohl ich selbst immer wieder normwidrig mit unseren schönen Sprache und ihrer Zeichensetzung umgehe, übe ich gerne Kritik an der Verwendung bestimmter Begriffe, Idiome und der Verwendung meines Vornames am Anfang einer Aufforderung ohne vorgestellte verfreundschaftelnde Begrüßung. Die Bezeichnung für ein derartiges Handeln darf man übrigens ganz Definitionsgerecht als Doppelmoral benennen. Im Moment umschwirrt meine Ohren wieder ein Wort, das ich so häufig bar jedes Kontextes vernehmen muss, dass ich beginne es auch ganz kontextfrei als Füllwort in meine Sätze integrieren. „Spannend“ ist nicht erst seit kurzem en vogue. Doch zur Zeit hat dieses Wort eine verbale Reproduktionrate  in meinem beruflichen Umfeld, an die nicht mal Kaninchen im Kölner Grüngürtel  ran reichen.

Immer häufiger ertappe ich mich dabei, wie ich Dinge mit dem Adjektiv beschreibe, die jeglicher Spannung von Natur aus entbehren, zum Beispiel meine Arbeit. Da ich weder Unfallchirurgin noch Kommissarin bin, ist das, was ich mache nun wirklich nicht „spannend“. Für Spannung in meinem Alltag, müsste ich schon die Finger in die Steckdose halten. Dennoch reden alle mir und sich ein. „Total spannend.“ „Ein ganz spannendes Projekt.“ „Wir sind da in einem ganz spannenden Prozess.“ „Ich bin total gespannt,…“. „Das stelle ich mir spannend vor.“

Nein. Nein. Nein. Nein und wirklich nein.  Solange hier jemand aus ungeklärten Gründen zu Tode kommt, gibt’s hier keine Krimis zu erleben. Das Wort ist derweil in meiner Wahrnehmung verbraucht. Statt spannend höre ich: „Es gibt eigentlich keine Grundlage für unser Gespräch über dieses Thema. Alle Aufgaben sind verteilt und alle Ziele festgelegt, aber um dennoch den Mund nicht schließen zu müssen, aus Angst, dass über die Nase vielleicht nicht genug Sauerstoff in die Lunge kommt, sprechen wir weiter und versichern uns gegenseitig unserer Motivation hinsichtlich der Sache, über die es nichts mehr zu sagen gibt, aber der wir zustimmen. Und während wir weiter so vor uns hin spannen, passiert ja vielleicht tatsächlich was, das dem Adjektiv gerecht wird. Vielleicht wird ja grad draußen eins der Kaninchen von einem Hund gejagt und so eine Treibjagd ist ja immerhin ein Ereignis mit unbekanntem Ausgang und das ist nun wirklich etwas, dass spannend ist. Bis so etwas passiert, behalten wir das Wort im Sprachgebrauch, damit wir es auf der Zunge haben, wenn wir es gebrauchen können.“

Fortsetzung folgt….

Nein, nicht wirklich, ich wollte es nur spannend machen.  Die Geschichte ist hier zu Ende.

Wasser kochen wäre zu einfach

Wenn es so weiter geht, muss ich immerabgelenkt umbenennen, in immenserüberfluss. Nein, nicht weil ich dank des Bloggens so immens reich geworden wäre oder immens berühmt (wobei ich doch immer wieder erstaunt bin, wer alles mitliest…), sondern weil ich immer wieder Dinge finde, die mich nicht ablenken, sondern dazu bringen meinen hübschen, adrett frisierten, blonden Kopf langsam von links nach rechts zu schütteln, während meine Lippen die laute „Ho-ly-shhhiit“ ausrülpsen.

So geschehen, als ich nichtsahnend durch das Netz bummelte und vor einem Teekapselautomaten stehen blieb. Man mag nun argumentieren, wenn Menschen Kaffee in Kapsel konsumieren, dann ist es doch eine logische Folge, dies mit Tee gleichermaßen zu tun. Und dann irgendwann mit Fruchtsäften und Milka Milchkühen. Doch ich wiederspreche, aus Gründen, die subjektiv und nicht nachvollziehbar sind und darum hier nicht näher erläutert werden, denn Argumente können nur wiederlegt werden, Tatsachen nicht. Und somit ernenne ich es zur Tatsache, dass es bescheuert ist den Prozess Wasser-Kochen-Tee-Beutel-in-Tasse-Wasser-drauf durch eine Maschine ersetzen zu wollen. Die Teemaschine gibt es schon. Sie heißt Wasserkocher! Thronfolger des ehrenwerten, allseits bekannten Topfes.

Dazu kommt eine Reihe von Problemen, die man vor dieser Erfindung nicht hatte: Aluminiumkapseln, die nicht kompostieren, ein Teekapselautomat, der rumsteht und immer wieder die Frage: Wieso???

Doch das größte Defizit der Teemaschine: Der fehlende George Clooney! Die Maschine braucht einen berühmten Menschen, der sich daneben positioniert und ein bisschen was von seinem Ruhm auf sie pisst. Nachdem man mir werblich überzeugend weiß gemacht hat, dass der liebe, wenn auch langsam echt in die Jahre kommende, Herr Clooney nur Kapselkaffee eben dieser Weltmarke schlürft, von der nun auch die Teeautomatik vertrieben wird, kann man ihn hier nicht einfach wiederverwenden. Mit einem im rechten Ohr benutzten Ohrstäbchen stochert man ja auch nicht mehr im Gehörhang auf der linken Kopfseite herum.

Es braucht also einen überzeugenden überzeugten, glaubwürdigen Teegenießer bzw. eine Teegenießerin. Doch wer könnte das sein? Wer hat so gar nichts mit dem Produkt Tee zu tun, aber weckt dennoch so unendliches Interesse, dass es scheiß egal ist? Welcher Promi ist fähig völlig unbeteiligt eine Teetasse zu halten? Ich bin ratlos, genau wie die Menschen bei Nespresso.

Vielleicht kann ja jemand da draußen helfen. Wer einen Vorschlag hat, werfe den ersten Teebeutel! 

 

Auch interessant zu diesem Thema: Das Segway-Syndom

Ich fühl mich schuldig

Wir leben in der „Hat-schon-alles“-Epoche und dennoch müssen wir uns alle immer irgendwas aus irgendeinem Nichtanlass schenken, um uns gegenseitig unserer Sympathie für einander zu versichern. Es wird ja immer stereotypisiert, dass die Menschen in asiatischen Ländern so lustig sinnlose Rituale hätten, deren strikte Ausführung dennoch von höchster Wichtigkeit für den Frieden zwischen den Völkern dieses Globus sei. Als jemand, die noch bevor sie „Nein, danke“ zu sagen lernte mit Werbebeschenkungen beehrt wurde, darf ich sagen: Wir sind keinen kostenlosen Kugelschreiber besser hier in Europa!

Über nutzlosen Kram, den man auf Messen zugesteckt kriegt,  wie pappige Hostien beim kirchlichen Namensequivalent der Kaufen-Verkaufen-Veranstaltungen, habe ich schon mal geschrieben. Und was passierte dann? Ich bekam eine Tasse zugeschickt, die ich nicht wollte und für die ich mich dementsprechend nicht bedankte und damit ist der bis dato nicht existente friedliche Kontakt zwischen mir und dem unbekannten Verschenker des Werbeobjektes zerbrochen. Manchmal macht man sich mit dem Schenken also auch Feinde, statt Freunde. Was gut ist, denn die lassen einen dann in Ruhe.

Nun bin ich beruflich in einer Situation, in die ich NIE geraten wollte. Ein großes Unglück hat mich heimgesucht, vermutlich angelockt von meinem miesen Karma, ausgelöst durch das Nicht-Danke-Sagen für die Nicht-Gewollte-Tasse. Ich sitze umzingelt von Kartons, gefüllt mit sechs  der sieben Symbole der Kreise der Werbemittelhölle:

Postkarten

Aufkleber

Kühl-schrank-mag-ne-te

But-tons… diese Ansteckkreise, die Löcher in Blusen machen und klappern

Luftballons (immerhin kann man die zerstechen)

und Fähnchen.

Ich dachte immer Werbefähnchen gäbe es nur in der Sparkassenwerbung. Und das schlimmste: Ich habe die berechtigte Befürchtung, dass auch der siebte Hokrux noch geliefert werden wird: Einkaufswagen-Chips.

Schuld an meiner Lage ist Mix aus Demokratie und Haben-wir-immer-so-gemacht-Mentalität. Ich bin also nicht nur umgeben von diesen auf Grund ihrer absoluten Sinnlosigkeit verteufelten Gegenständen, sondern auch noch von Menschen, die sowas ernst meinen. Wo bin ich hier nur gelandet? Wer will diesen ganzen Schrott? Und wer denkt mal an all das Papier, Blech und Plastik, das hier dafür missbraucht wird, unschuldigen Menschen etwas in die Hand zu drücken, zu deren Annahme sie sich dann von Sozialisationswegen her verpflichtet fühlen und das sie sich dann lange Zeit nicht trauen wegzuwerfen, denn Geschenktes wirft man nicht einfach weg, das wäre unhöflich!! Und so schleichen sich Unternehmen, Marken und Parteien in die Haushalte der armen Beschenkten, die fortan in Schuld leben müssen, weil sie ja ein Geschenk angenommen haben und dafür sozialkonform auch etwas zurückgeben müssten.

Das kann ich nicht zulassen. Eigentlich müsste ich den ganzen Schrott verbrennen, bevor jemand zu schaden kommt und einen Button an seine/ihre Bluse hängt, die dann ein hässliches Loch hinterlässt – ein Loch das auf EWIG die Schuld des/der Beschenkten aufzeigt. Doch das darf ich nicht. Denn auch wir haben diesen Mist in mindestens 1000 Stück Abnahmeauflage selbst nur getauscht,  gegen eine andere Art Geschenk: Geld. Vielleicht ist die Kette also einfach zu lan( genau wie dieser Blogpost). Vielleicht sollten Unternehmen, Marken und Parteien einfach Geld verteilen, statt Fähnchen und Buttons. Geld macht keine Löcher in Blusen und verranzt nicht am Kühlschrank! Aber möglicherweise hätten wir dann alle zu viel Geld und Geld allein macht ja nicht glücklich und dann würden sich alle Leute selbst Fähnchen und Einkaufswagen-Chips kaufen, weil sie nicht wüssten wohin mit der baren Münze.

 

Es ist nicht einfach, wirklich nicht. Ich schreibe Kapitulation auf eins der Fähnchen halte es aus dem Fenster.

Hunde und Katzen sind die neuen Nackten!

23102013_immerabgelenkt_petsells

Für das coolste, spannenste und trendigste Online Lifestylemagazin, das es gerade im Web gibt, für Cotier.de (Nein, das ist hier keine Schleichwerbung, das ist ganz und gar offenkundige Tatsachenbeschreibung!) habe ich gestern ein Interview mit Melody Lewis geführt. Die ist nicht nur Gründerin einer der auf der Britischen Insel erfolgreichsten Haustierbekleidungslabels, sondern inzwischen auch Tiermodelagentin. Das Gespräch war ausgesprochen nett und offen und dabei wurde mir eines klar, das ich nach den letzten Spaziergängen durch Stadt und Fernsehprogramm bereits vermutet hatte: Tiere sind der neue Sex, zumindest in der Werbung. Statt der nackedeischen Hungerhäckchen mit spitzen Knochen in Spitzen Dessous gucken mich in letzter Zeit immer öfter Hunde und Katzen an der Bushaltestelle an, in Übergröße, von den Plakatwänden. Hunde halten die Köpfe aus Autos, Katzen wollen die Rückband nicht mehr hergeben und Hamster fahren Riesenrad. Unsere Werbewelt ist voller Vierbeiner.

Tiermodelagenten wie Melody vermitteln die Models für Werbeaufträge und tragen (und das ist SEHR wichtig!!!) Sorge dafür, dass daran nicht nur die Werbeauftraggeber Spaß haben, sondern auch die tierischen Models gut behandelt werden. Vor uns hinplaudernd, erzählte sie mir, dass die ihre Models heute für Modenschauen, Fotoshootings und Filmsdrehs gebucht werden, bei denen es gerade NICHT um tierrelevante Produkte geht. Designer, Kaufhäuser und Autohersteller setzen Haustiere ein, um etwas vom „Ohhhhhhh“-Effekt abzukriegen. Welpen und Miezen sind süß und darum guckt man hin, guckt länger hin, beschäftigt sich mit der Kampagne und merkt sich das Produkt bzw. die Marke.

Während eines Exkurses in die Redaktion der Bildzeitung während meiner Praktikantinnenjahre erlernte ich nicht nur die Meinungsbildung, sondern auch den wohl wichtigsten Satz in Sachen Zeitungsmachen für die Massen: Kinder und Tiere gehen immer! Das hat nun wohl auch endlich mal jemand den Werbeleuten gesagt. Und tatsächlich gehen sie das Mantra chronologisch ab.

Umwimmelten mich in den letzten Jahren Windelträger, um mir dies und jenes schmackhafter zu machen, sind es nun Haustiere. Demnach haben also nicht die Hunde und Katzen die sexy Models abgelöst, sondern die Babys haben es getan und dann kamen das Pelzgetier. „Sachen, die mit Tieren beworben werden, verkaufen sich besser“, sagte mir auch die Tiermodelexpertin aus London.

fordkampagne_hund2013Das Problem, das ich damit habe ist: Ich LIEBE Tiere! Sie machen mich willenlos! Wenn nun also diese Katze im Fernsehen sagt ich solle losgehen und Dinge kaufen, die ich nicht will und nicht brauche, besteht die Gefahr, dass ich es tatsächlich tue. Zusätzlich zum Produkt komme ich dann möglicherweise auch noch mit 2 Katzen nach Hause. Vielleicht wäre es also doch gesünder für mich und mein Bankkonto, wenn die nackten, dünnen zurück auf die Werbebühne kämen, über die ich mich dann aufregte und den Konsum boykottierte, als stille Kritik dieser Objektivierung von weiblichen Knochen!

Mein Interview zum Thema gibt’s selbstverständlich auf www.cotier.de

Nicht mal geschenkt!!!

01102013_immerabgelenkt_messegeschenkeFür einen Auftraggeber war ich in letzter Zeit viel auf Messen unterwegs.  Dabei entpuppten sich einige als echte Häppchen-Himmel, andere verlangten mir einfach nur Kondition ab. Neben Gestaltung, Beleuchtung und Attraktivität des Personals der Messestände fiel mir aber vor allem eins auf: die Vielfalt der Give-Aways. Give-Aways, zu Deutsch „Weggeber“, sind die kleinen Gummibärchentütchen, die auf Messeständen Besucher anlocken sollen, um sie in ein Verkaufsgespräch zu überführen. Es ist immer dasselbe Spiel: man wollte nur mal fragen, wie viel das Top kostet und schon geht man mit vier Einkauftüten und einem überzogenen Konto aus dem Laden…. Wenn es denn bei Gummibärchentütchen bliebe! Abgesehen von den Helikoptern und Multifunktionskugelschreibern, die mir bisher live und zum in die Messetüte stecken begegnet sind, habe ich im Netz einige Give-Aways gefunden, die so unbrauchbar sind, dass ich ihnen einen Blog-Post widmen muss. Ach was Post! Machen wir eine Worst-Case-Liste draus!

Auf Platz fünf, meine Damen und Herren Geschworenen, bitte ich die Gürteltasche in den Zeugenstand! Mal ehrlich, Gürteltaschen sind korpozentrale textiltumeröse Auswucherungen, deren Erfinder zu ihrem Selbstschutz unbekannt sind. Da investieren internationale Unternehmen wie Gucci und LV Milliarden von Euros in die Aufwertung des Begriffs „Tasche“ und dann sowas. Wer eine Gürteltasche trägt, kann sich auch gleich schon mal für das Zeugenschutzprogramm anmelden, denn du wirst eine neue Identität brauchen! Unternehmen, die ihre Markenlogos auf Gürteltaschen drucken, stellen entweder Gürteltaschen her…oder….oder? Fällt irgendjemandem eine Legitimation für das Tragen derartiger Nicht-Taschen ein?

Also lieber weiter zu Platz 4, der unmöglichsten Werbegeschenke: Reiseadapter. Ein Reiseadapter mag eine praktische Sache sein. Leider ist es aber auch genau die Sache, die man bei jeder Reise zu Hause vergisst, zusammen mit dem Handyladekabel. Ein Reisekabeladapter mit dem Logo eines nicht reiserelevanten Unternehmens ist dann doppelt vergessenswert und landet in der Schublade mit Elektronikmüll, den man in Extraelektronikcontainern entsorgen muss. Der Gang zum Extraelektronikmüllcontainer ist noch unwahrscheinlicher als der zum Beichtstuhl, womit die gut gemeinte Werbegeschenkidee zum Tech-Schrott verkommt.

Das Werbegeschenk auf Platz 3 braucht glücklicherweise keinen Strom, aber dennoch Energie: Das Schweißband. Kleiner Tipp, wenn etwas die Bezeichnung „Schweiß“ trägt, fällt es eher weniger in die von Marketingmenschen so erhoffte Qualifizierung „Sexy“. Darüber hinaus ist das Schweißband eine partielle Vortäuschung falscher Tatsachen. Auch oder gerade mit Schweißband schwitzt man wie ein Schwein.

Möglicherweise wird auch bei Platz 2 meiner skurrilsten Messegeschenke einigen Herren heiß: Samen! Es gibt tatsächlich Unternehmen, die Samen verschenken, in der Regel sind das Pflanzensamen. Über Angebote weiterer reproduktionsrelevanter Ressourcen möchte ich hier nicht sprechen.

Kommen wir also lieber zu Platz 1 der Was-haben-die-sich-nur-dabei-gedacht-Give-Aways: Räucheraalfilet. Wie anders lässt sich die Qualität einer Marke transportieren, als über ein eingeschweißtes Stück Räucheraalfilet auf goldener Pappe? Eine wahrhaft royale Gabe, die stinkt, wenn man sie auspackt.

Was ich aus dieser Erfahrung lernte: Es gibt Dinge, die will man nicht mal geschenkt!

Immer mehr post-traumatische Erfahrungen mit der Post

Zu Werbung haben die meisten Menschen ja sowieso schon ein tendenziell eher boah-hau-doch-ab-Verhältnis. Außer den Menschen, die Werbung hauptberuflich machen. Die sind meist auf dem Scheiße-zu-Gold-Ego-Trip. Über Geschmack kann man streiten, über Werbung nicht. Dennoch erwischt man sich irgendwann doch dabei den beworbenen Markenmist zu kaufen. Aber dabei zählt natürlich nicht nur, wie Produkte an Mann und Frau gebracht werden –  ob mit Niedlichkeit (Tierbilder), Sex (Frauenbilder) oder „Seriosität“ (Produktbilder) – sondern auch WO. Werbeplacement ist wichtig. Darum findet man in Zeitungen für Kinder keine Zigarettenwerbung und an den Tabakautomaten keine Babybilder. Einfaches Prinzip. Denkt man. Außer bei der Post.

Das ist ja nicht mein erster wunderlicher, grenz-eskalatöser Zwischenfall mit den Herren mit den gelben Taschen. (Remember the story of: Wie ich dem DHL-Boten in die Autotür trat)

Nun bin ich ja vor einigen Wochen umgezogen und habe nun heute, endlich mal einen Nachsendeantrag bei der Post geordert. Dass das online ging und dazu noch richtig flott und bequem hat mich richtig beeindruckt! So richtig! Meine Vorurteile gegenüber der Post waren grad dabei friedlich davon zu segeln…. doch dann… dann haben sie es wieder verbockt! Dabei waren wir auf einem sooooo guten Weg!!

Denn bevor ich den Nachsendeantrag final abschließen konnte, wurden mir noch ein paar super sinnvolle Produkte empfohlen, die ich doch gleich mitbestellen könnte. Und damit sind wir wieder beim Werbeplacement. Moment, ich muss euch das zeigen, dass glaubt ihr sonst nicht:

05012013_post-werbeplacement

 

Wieso? Sind BMI-Maßband, eine hässliche Leuchte, ein paar bunte Stift und ne Rolle Klebeband das neue „Brot und Salz“? Hat da jemand dran gedacht, dass ich umgezogen bin? Welcher demografischen Angabe haben ich das zu verdanken??? Oder sind das einfach die „beliebtesten Artikel“?

Ikea kann das. Bei Ikea will ich nur nen Kaffee trinken und noch schnell die Knaufe für die Schranktüren holen und wenn ich draußen stehe, halte ich einen 150cm langen Rechnungszettel in der Hand und muss wieder rein, um mir den Hänger auszuleihen. Produktplatzierung ist effektiv, wenn sie gut ist. Aber der Gedanke „Ach cool, nehm ich noch ne Rolle Tesafilm und ein BMI-Armband mit“ sorgt in meinem Konsumköpfchen dann doch eher für Irritation als Attraktion.

Eines Tages werde ich es tun. Eines Tages schreibe ich der Post einen Brief.

Ketzerei im Kapitalismus. Der, der ohne Dispo ist, werfe den ersten Schein! Oder die, also ich!

Mitten im Satz, als ich grade intensiv an Matthew rumfummelte und überlegte, ob er nicht einen Hauch zu viel Businesskritik transpiriert, blinkte mein Postfach auf, mit der Meldung Google müsse 500 Millionen Dollar Strafe wegen unerlaubter Pharmawerbung zahlen. Als jemand, die den achten Ring der Hölle (hätte es in Dantes Zeiten bereits Pharmamarketing gegeben, hätte er meine Weiterführung unterstützt. Ganz sicher. Ich frag ihn nochmal, wenn wir uns in einem seiner sieben treffen.), genannt Pharmamarketing, persönlich beruflich bereits durchschritten hat, machte mein Herz einen kleinen Sprung. Denn ich nahm an, Google hätte in irgendeiner Form teuflische Werbung gemacht und wäre dafür todesstrafennah abgestraft worden. Einmal der elektrische Stuhl für das große G hier drüben, bitte! Aber NEIN! Ich lag falsch. Google hielt sich an sein biblisches Gebot „Don’t be evil“ und wurde, nach meiner pharmatraumatisierten Sicht völlig zu Unrecht ans Kreuz genagelt. Google blutet als Märtyrer. Denn der ausführliche Horizont-Artikel informiert:

„Hintergrund ist der Streit um Werbung kanadischer Online-Apotheken auf den Seiten des weltgrößten Suchmaschinenkonzerns. Die Anzeigen haben aus Sicht des US-Justizministeriums zum illegalen Import von Medikamenten in die USA geführt und die dortige Pharma-Industrie massiv geschädigt.“

Wie war das noch mit dem freien Markt, der sich ganz von selbst zum Besten für alle entwickelt? Risikolos und ganz nebenwirkungsfrei? Ich glaub ich sollte das nochmal nachschlagen. Gott  Google Wikipedia sei Dank, können Marketingfachleute heute ja am objektiven Wissen mitschreiben und sogar mir (ja, sogar MIR!!) faktisch klar machen, dass Gesetze, Gebote und Gerichte eigentlich zum Schutz der Unternehmen da sind. Achja, da steht’s ja: All brands are created equal and thou shall not compare prices with thy neighbors.