Hunde und Katzen sind die neuen Nackten!

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Für das coolste, spannenste und trendigste Online Lifestylemagazin, das es gerade im Web gibt, für Cotier.de (Nein, das ist hier keine Schleichwerbung, das ist ganz und gar offenkundige Tatsachenbeschreibung!) habe ich gestern ein Interview mit Melody Lewis geführt. Die ist nicht nur Gründerin einer der auf der Britischen Insel erfolgreichsten Haustierbekleidungslabels, sondern inzwischen auch Tiermodelagentin. Das Gespräch war ausgesprochen nett und offen und dabei wurde mir eines klar, das ich nach den letzten Spaziergängen durch Stadt und Fernsehprogramm bereits vermutet hatte: Tiere sind der neue Sex, zumindest in der Werbung. Statt der nackedeischen Hungerhäckchen mit spitzen Knochen in Spitzen Dessous gucken mich in letzter Zeit immer öfter Hunde und Katzen an der Bushaltestelle an, in Übergröße, von den Plakatwänden. Hunde halten die Köpfe aus Autos, Katzen wollen die Rückband nicht mehr hergeben und Hamster fahren Riesenrad. Unsere Werbewelt ist voller Vierbeiner.

Tiermodelagenten wie Melody vermitteln die Models für Werbeaufträge und tragen (und das ist SEHR wichtig!!!) Sorge dafür, dass daran nicht nur die Werbeauftraggeber Spaß haben, sondern auch die tierischen Models gut behandelt werden. Vor uns hinplaudernd, erzählte sie mir, dass die ihre Models heute für Modenschauen, Fotoshootings und Filmsdrehs gebucht werden, bei denen es gerade NICHT um tierrelevante Produkte geht. Designer, Kaufhäuser und Autohersteller setzen Haustiere ein, um etwas vom „Ohhhhhhh“-Effekt abzukriegen. Welpen und Miezen sind süß und darum guckt man hin, guckt länger hin, beschäftigt sich mit der Kampagne und merkt sich das Produkt bzw. die Marke.

Während eines Exkurses in die Redaktion der Bildzeitung während meiner Praktikantinnenjahre erlernte ich nicht nur die Meinungsbildung, sondern auch den wohl wichtigsten Satz in Sachen Zeitungsmachen für die Massen: Kinder und Tiere gehen immer! Das hat nun wohl auch endlich mal jemand den Werbeleuten gesagt. Und tatsächlich gehen sie das Mantra chronologisch ab.

Umwimmelten mich in den letzten Jahren Windelträger, um mir dies und jenes schmackhafter zu machen, sind es nun Haustiere. Demnach haben also nicht die Hunde und Katzen die sexy Models abgelöst, sondern die Babys haben es getan und dann kamen das Pelzgetier. „Sachen, die mit Tieren beworben werden, verkaufen sich besser“, sagte mir auch die Tiermodelexpertin aus London.

fordkampagne_hund2013Das Problem, das ich damit habe ist: Ich LIEBE Tiere! Sie machen mich willenlos! Wenn nun also diese Katze im Fernsehen sagt ich solle losgehen und Dinge kaufen, die ich nicht will und nicht brauche, besteht die Gefahr, dass ich es tatsächlich tue. Zusätzlich zum Produkt komme ich dann möglicherweise auch noch mit 2 Katzen nach Hause. Vielleicht wäre es also doch gesünder für mich und mein Bankkonto, wenn die nackten, dünnen zurück auf die Werbebühne kämen, über die ich mich dann aufregte und den Konsum boykottierte, als stille Kritik dieser Objektivierung von weiblichen Knochen!

Mein Interview zum Thema gibt’s selbstverständlich auf www.cotier.de

Kill Kony Kunstfilmchen

Ein Thema, ach was, ein Mann, ach was, ein Video weht durchs Netz. Und ich bin ganz begeistert. Ich mag Ästhetische Filmkunst, aufwändige Dramaturgie und Zoomeffekte, narrative wie auch visuelle. The Oscar goes to Kony 2012. Ganz sicher. Schönes Werk. Bisschen lang für meine Aufmerksamkeitsspanne, aber schön ausgeleuchtet, schöne Musik, die Darsteller könnte man verbessern, aber Angelina Jolie dreht wohl grad wieder wo anders und war nicht verfügbar. Vielleicht kriegen sie sie für die Fortsetzung. Bezahlen könnte man die Gage über das Merchandising. Das Konzept Kony scheint von Anfang an auf der Vermarktungsebene mitgeplant gewesen zu sein. Kony, das ist kurz und prägnant, eingängig, simpel. Kürzer als King Kong und weniger verwechslungsgefährdet als Osama. Und das Alliterationspotential!!!!!  

Kill Kony, das ist herrlich alliterarisch, das ist kurz, das passt auf T-Shirts. Die dann von Kinderhänden in Asien hergestellt werden, die dafür mies bezahlt werden. Asien, japp. Da leiden auch Kinder. Erwachsene übrigens auch, aber die funktionieren medial nicht so gut wie Kinder. Kinder garantieren Kassenerfolge. Kinder und Tiere. Beides zusammen ist ein Full House. Aber ich will den Filmemachern von Kony 2012 nicht ihre Fortsetzung spoilen, darum weg vom Kontinent im Osten, zu dem im Süden. Afrika. Das hatten wir seit der Fussball-WM schon wieder vergessen. Dabei ist das Land voller Probleme und Nöte, mit denen wir uns im Wohlstandswesten ein bisschen schlechtes Gewissen und damit Moral aneignen können. Wenn wir hier schon nicht leiden, dann können wir wenigstens für ‚die da unten‘ (im Süden, in der Hölle, am ARSCH!) mitleiden. Betroffen sein und uns der Illusion hingeben, dass wir doch noch mehr fühlen als die ständige Gier nach mehr. Wir hungern ja auch, zwischen Frühstück und Mittagessen, wir verstehen also die Probleme des Elends.

Wir teilen die experience! Jawohl! Und dann teilen wir das Kony 2012 Video und haben an der Veränderung teil. Slacktivism ist mehr Trend als tatsächlicher Aktioninismus und bezeichnet eben dieses Teilen und Teilhaben, eine Form des Weltverbessertums für Selbstverbessertum. Wunderbar. Genau meins. Ich kann gemütlich daheim vor dem Computer sitzen und zwischen meiner Soap, einer Email an meine Freundin und dem Newsletter von Zalando kurz politisch aktiv sein. Ach was. Noch mehr! In einer Art altruistischer Apathie lehne ich mich eine halbe Stunde zurück – Stream für die Soap muss eh noch vorladen – und kriege ein Bewusstsein verpasst. Ein Bewusstsein dafür, dass Kinder in Afrika meine Hilfe brauchen und das nicht nur zu Weihnachten. Und helfen kann ich, indem ich kurz nach der Bestellung meiner Schuhe ein paar Cent an die Videomacher überweise.

Karitativer Konsum kontra Kony. Oder kauf ich mir doch lieber noch die Kurzweste, die zu den Schuhen passt? Völkermord gibt’s morgen bestimmt auch noch, das Schnäppchen gilt nur heute!  Die Welt ist ja so ungerecht.