Lieber Herr Gesangsverein, ich bewerbe mich um die Stelle als die mit der Triangel…

ZEIT-Redakteurin Tina Groll hat sich an Katzen-, Pannen- und Make-Up-Tutorialvideos auf Youtube vorbei geklickt, um Arbeitgeber-Bewerbungvideos zu finden. Arbeitgeber-Bewerbungsvideos? Japp. Videos in denen sich Unternehmen als Arbeitgeber bei potentiellen Arbeitnehmern bewerben. Das klingt verdreht. Ist es auch! Hochgradig! Und weil die Arbeitgeber dann auch noch die bereits Angestellten vorschieben, um das Unternehmen als sozialen Treffpunkt zu inszenieren, wo alle Spaß haben und gemeinsam Singen, Rappen und Tanzen, sind die meisten dieser Filmchen nicht nur ver-, sondern auch völlig abgedreht. Groll findet diesen Trend deswegen fehlgeleitet und ich stimme ihr gerne zu.

Und ich glaube, den Ursprung dieser Entwicklung gefunden zu haben…nah, Ursprung ist vielleicht etwas weit gegriffen… gut, nennen wir es den genealogisch vorangegangen Schritt, EINEN Vorschritt der Genealogie dieser Arbeitgeberwerbevideos.

Von vorne angefangen, müsste ich sonst wohl erst einmal die Entwicklung filmischer Werbeformen resümieren und dazu bräuchte ich ein paar Bücher aus der Bibliothek und hierfür bin ich zu faul. Und es regnet draußen. Also greife ich auf das zurück, was ich daheim habe: Das Internet. Und da findet man sie, die inzwischen auch hierzulande verbreiteten und gelikten Videos großer amerikanischer Universitäten. Das musicaleske Video der Uni Yale ist mein persönlicher Favorit.

Den generationenüberdauernden interuniversitären Konkurrenzkampf, der sich sonst im Kidnapping von Maskottchen manifestiert fortführend, konterte Harvard dann auch singender Weise:

Diese Videos sind bekloppt, aber beliebt. Aber im Grunde klassische Werbung in Bewegtbild, weil hier Universitäten werben, die keine klassichen “Bewerber” akkumulieren wollen, sondern Kunden. Bildung ist ein mit Dollar zu erwerbendes Gut im Tauschhandel zwischen Käufern (=Studierenden) und Verkäufern (=Universitäten), in den UrsprungsStaaten der Ablenkungsvideos.

Wenn nun aber Arbeitgeber, denen ich meine Arbeitsleistung, als Verkäuferin dieser meiner Spitzenleistungen anbiete, darum werben, dass ich dies doch bitte tue…verwirrt mich das total. Wenn sie es singender oder tanzender Weise tun erst recht. Klar zieht auch mich ein Unternehmen mit gutem Unternehmensimage an. Aber das Videotheater führt das Personalmarketing zu weit. Wenn was zu lustig klingt, krieg ich Angst.

Ein bisschen fürchte ich sogar, dass die Werbenden eben doch mein Geld wollen, im Tausch dafür, dass ich dann bei ihnen arbeiten darf.

Vielleicht sind es aber auch gar keine Werbevideos, sondern Warnvideos. Denn das gibt’s ja auch in den Sendepausen. Videos die zu weniger Alkohlkonsum aufrufen, zu weniger Unfällen im Straßen- und Geschlechtsverkehr, Videos die aufklären und warnen. Vielleicht ist das ja das Genre, in das man die von Groll präsentierten Kurzfilme einsortieren sollte.