Futterschnute und Anhora sind auf meine nicht-ganz-so-geheime Leidenschaft aufmerksam geworden: meine Neugier in Bezug auf Nahrungsmittel, mein Fetisch gerne in fremde Kühlschränke zu gucken. Während andere dabei sind Goethe’s Gedichte, den Wetterbericht oder den Beziehungsstatus des Angebeteten zu interpretieren, widme ich mich der Wissenschaftsanalyse des Mediums Kühlschrank.
Kühlschränke und ihre Inhalte sagen mehr aus über Menschen als alle Facebook-Profilangaben, Browserverläufe und Daten, die im Perso stehen, zusammen. Denn am Kühlschrank kann man sowohl demographische Informationen als auch Interessen, Vorlieben, Konsumverhalten und was nicht noch alles ablesen. Das meist schlichte, eckige Ding in der Küche offenbart die wahren inneren Werte, zeigt was reingeht in eine Person und was man zwar mit gutem Willen gekauft aber dann zusammen mit allen athletischen Vorsätzen doch im Gemüsefach vergammelt lässt.
Das geschulte Auge erkennt sie sofort; die Kühlschranke von Singles, Menschen in Beziehungen oder Familien mit Kindern, Menschen mit zu viel Geld aber zu wenig Zeit für gute Ernährung, Menschen, die nie zu Hause sind und jene, die heut Abend zur Party geladen haben.
Und wie oft kauft der Kühlschrankbesitzende so ein? Ein Blick auf die Haltbarkeitsdaten von Jogurt und Co verrät das Konsumverhalten.
Fitnessjunkie oder Genussmensch? Milchprodukte mit ihrer Palette an Fettgehaltsstufen geben Auskunft.
Selberkocher oder Essengeher? Trinker statt Esser? Es gibt keine Schranken, wenn es darum geht, was man alles aus Kühlschränken ablesen kann. Und wie eben auf der Mensch vor dem Schrank kein statisches Objekt mit immer gleichen Gedanken und Wünschen ist, so verändert sich das beleuchtete Bild ständig weiter. Man könnte ganze Biographien schreiben, bebildert mit Aufnahmen der Lebensmittellagerstätte.
Und nicht nur das. Man ist ja nicht nur passiver Rezipient, der in das eckige, kühlende Küchenmöbel glotzt, sondern kann interaktiv mitgestalten. Die Milch kommt hier hin, der Käse da oben und welches, war nochmal die Zone für die Gummibärchen? Apropos Gummibärchen, man könnte den Kühlschrankinhalt natürlich auch mal farblich ordnen. Mein kleines Aufräumherz kommt ins rasen.
Und weil, wie mir Futterschnute und Anhora zeigten, ich nicht die einzige Betroffene bin, gibt’s ab jetzt regelmäßig Fremder-Kühlschrankgucken auf immerabgelenkt.de, so lange, bis mich die KühlschrankbesitzerInnen verklagen, weil ich ihre intimsten Küchenecken ins Internet stelle… Kühlschrankgucken ist halt gefährlich, Extremsport quasi.
Ich gestehe, dieser Kühlschrank ist mir nicht ganz fremd. Aber dennoch nicht meiner und immer wieder spannend.