Einzigartigkeit ist nicht nur bei Menschen angesagt, sondern auch bei Objekten, merke ich gerade. Meine Mutter hat demnächst Geburtstag und gehört zu den Menschen, die sich eigentlich nichts wünschen und wenn doch, dann vielleicht was nettes Selbstgemachtes. Aber bloß nichts, das ich selbst gemacht habe. Die Kiste im Keller ist schon voll. Außerdem hat sie dieses Jahr betont, dass ich mir nicht die Mühe machen solle zu versuchen etwas zu backen oder ihr etwas zu schenken wofür ich scharfkantige Gegenstände in die Hand nehme müsse. Sie meinte der Abend in der Ambulanz wäre zwar aufregend gewesen, aber ein Abend im Restaurant oder Theater sei ihr doch lieber.
Also wollte ich ganz sicher von zu Hause aus bestellen und bin dabei über die Webseite etsy.com gestolpert. Hier gibt’s selbstgebasteltes, selbstgenähtes, selbstherbeigezaubertes, wunderbare ganz persönliche Geschenke von Leuten, die man nicht kennt, für Leute, die die nicht kennen. Damit man nun aber doch ein bisschen Kauf-Costumer-Service-Gefühle entwickelt bietet etsy eine Beratung an. Und nicht nur so öde Klickfelder, über die man zeigen kann wie geizig man ist, sondern eine App für Facebook. So umgehe ich es persönlich mit Menschen in Kontakt zu treten, um sie nach persönlichen Geschenkvorlieben zu fragen, um mich dann von VerkäuferInnen zu den persönlichen Wünschen meiner persönlichen Kontakte beraten zu lassen und kann ihnen trotzdem persönliche Geschenke von Menschen zu schenken, die sie gar nicht kennen, aber denen es bestimmt eine riesen Freude macht, wenn man ihnen Geld für irgendeinen selbstgebastelten Ramsch Geld überweist, ganz persönlich. (Vielleicht sollte ich meine Shirts da auch mal anbieten?) Problem in meinem Fall nur: meine Mutter ist nicht bei facebook und wird es auch nie sein. Das hat sie mir schriftlich gegeben. Darum habe ich sie gebeten. Schwören musste sie auch. Mit der linken Hand auf der Bibel. Das ist doch die, mit der man einen Eid ablegt, oder hat sie stattdessen irgendwelche Dämonen heraufbeschwört? Das wäre blöd. Wenn die Dämonen sie davon abhalten, sich bei facebook anzumelden, hat’s aber dennoch seinen Zweck erfüllt.
Konzentration. Konzentration. Konzentration. Zurück zum Thema: Da ich das Feature aber trotzdem ausprobieren wollte, dachte ich mir, such ich halt was für eine andere Person, die ich sehr lieb habe, die ein Geschenk wirklich verdient hat und bei der es mir immer wieder schwer fällt, sie zu überraschen. Ich klicke also auf „mit facebook verbinden“ und muss enttäuscht feststellen, dass ich mich nicht selbst beschenken kann, weil ich nicht in der Liste meiner Freunde auftauche. Ich überlege ob ich a)ein weiteres Profil für mich selbst erstellen sollte und mir eine Freundschaftsanfrage schicke b)eine Email an Etsy schicke, in der ich sie auf die wachsende, konsumfreudige Kundengruppe der Egomanen aufmerksam mache c)ich einfach ein Geschenk für jemand anderen suche d) ein alternatives Profil mir mich anlege um mich doch selbst zu beschenken. Qualifiziert mich das als schizophren? Aber all die Möglichkeiten!!! Juliane Jekyll und Juliane Hyde. Ich könnte mit mir selbst in einer Beziehung sein? Ich und ich!!! Ich weiß, wir würden glücklich werden. WIR wissen, wir würden glücklich werden. Darüber hinaus wäre das auch ENDLICH die Lösung für das Monotonie-Dilemma von Facebook. Dass die Beziehungsstatus-Möglichkeiten extrem eingeschränkt sind, hab ich ja schon erörtert. Aber mal von der Unterscheidung in verliebt, verlobt, verheiratet, kompliziert, geschieden und verwitwet (gibt es irgendwo Zahlen viel Viele Menschen genau diese Abfolge online stellen?) abgesehen, kann man eben auch nur EINE Beziehung angeben. Das diskriminiert arabische Minderheiten und Sekretärinnen von Managern, die ständig Überstunden machen müssen gleichermaßen. (Das entsprechende T-Shirt ist in Arbeit: „Multiple-Relationsship-Managment für Minoritäten!“ oder so ähnlich. Ich arbeite noch dran. Noch zu wenig alliteratorisch.)
Womit fang ich nur an? Shirt, Parallelwelt-Profil für Facebook, Geschenke? Fokus, Fokus, Fokus. Das sagt der Ratgeber gegen Ablenkung. Den hab ich zuletzt geschenkt bekommen, nicht von mir, von jemand anderem, der es gut mit mir meinte oder eben nicht. Vielleicht ist es auch ein Versuch mich, Juliane alias immerabgelenkt auszulöschen und es wie Suizid wirken zu lassen. Ich bin immerabgelenkt und wenn ich aufhöre, immerabgelenkt zu sein, dann wird aus immerabgelenkt ja fürimmerweg. Ein guter Mordplan. Richtig gut. Vielleicht sollte ich für die Person ein Geschenk suchen. Soviel Cleverness verdient eine Belohnung. Mal schaun was passiert. Bin gleich wieder da.
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Ja, wenn ich ihm DAS schenke, verwirft er zumindest das Vorhaben es wie Selbstmord aussehen zu lassen. Das Tool rät mir dazu meinem Alpha-Männchen-Testosteron-ist-mein-Treibstoff-Freund ein blaues Mädchen-Perlenarmband mit einem Muschelanhänger zu schenken. Na gut, Fehler passieren. Jeder verdient eine zweite Chance. Ich versuch’s mal mit einer Freundin, die gerade ebenfalls an ihrer Masterthesis sitz und der eine kleine Aufmerksamkeit nicht schaden würde. Schaun wir mal.
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Oh mein Gott. Ich bedaure gerade die Menschen, die Geschenke für Schwiegereltern kaufen, die sie zum ersten Mal persönlich treffen und sich darum auf den Rat der Anwendung verlassen. Spätestens dann ist es wirklich an der Zeit sich eine alternative Identität zuzulegen. Ich soll meiner Freundin und Masterthesis-Leidensgenossin ein blaues (was soll das nur mit dem blau? Ist das ein Hinweis?), bondage-Fesselband schenken. Wirklich! Echt! Ich denke mir das nicht aus! Sowas KANN ich mir garnicht ausdenken. Weil mir das sonst keiner glaubt, hier der Link:
http://www.etsy.com/listing/71858572/blue-rope?ref=gifts&ga_search_query=for%3A71905766
Ich glaube ich kaufe meiner Mutter doch einfach Blumen. Aber keine blauen.
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