Mehr als versetzungsgefährdet. 2014 ist durchgefallen.

Wir befinden uns in der besten Zeit des Jahres, in der Zeit der Zusammenfassungen. Wer die letzten 363 Tage verschlafen hat, braucht nur jetzt aufzuwachen und für die verbleibenden 36 Stunden eine beliebige Zeitung runterzuscrollen oder TV-Sendung livezustreamen, um im großen 2014-Rückblick mit mindestens 3+ zu bestehen. Während das Jahr ausläuft, wie ein kaputter Jogurtbecher in einem Fünftklässlerrucksack, schauen alle weiter auf die Bildschirme, in denen die Ereignisse bereits vor Tagen, Wochen und Monaten in Echtzeit an ihnen unbemerkt vorübertickerten. Das meiste konnten wir nicht fassen, als es passierte und auch jetzt landet alles nur kurz im mentalen Zwischenspeicher.

Meine persönliche Speicherplatte ist so voll, wie ich in der Neujahrsnacht zu sein plane. Dabei plagt mich eine Eigenheit: Ich kann nichts vergessen. Verdrängen geht super, aber vergessen so gar nicht. Das war früher super, um auch ohne die Zusammenfassung nochmal zu lesen eine 1- zu bekommen, aber heute ist es eher lästig. Denn ein Erwachsener Mensch unserer Zeit braucht sich nichts zu merken. Er/Sie hat für alles eine App oder eine andere technische oder humane Assistenz. Man müsste sich eigentlich mit nichts mehr langfristig beschäftigen, sondern könnte einfach alles ungespeichert verwenden und vernichten.

Mein Kopf stammt aber aus anderen Zeiten und passt sich nicht an. Ich erinnere mich an viel mehr als die meisten Menschen und viel mehr, als notwendig oder sinnvoll oder gut für mich ist. Fragt man mich, wo ich am 14. Oktober um 9.45Uhr war, kann ich darauf ohne zu überlegen antworten. Ich erinnere mich daran, wo ich war, mit wem ich wo war, was ich an hatte, was ich gesagt habe, was andere Menschen gesagt haben, und wie sie es gesagt haben und wie wütend ich war, als ich mit der sexistischen Kackaussage konfrontiert wurde: „Ich habe nichts gegen Frauen.“

Und so erinnere ich mich an jedes einzelne Arschloch, das mir 2014 einer meiner bisherigen 363 Tage vermiest hat. Entgegen der Behauptung im Rückspiegel lässt die Nostalgie die Karambolagen des letzten Jahres weniger blutig wirken, läuft hier in meinem Fall nur immer der gleiche Horrorfilm. Das Murmeltier grüßt mich jedes Mal, mit derselben unretouchierten Realität, wenn ich an zurückliegendes denke.

Zu meinem Glück gab es auch viele erfreuliche Tage 2014, aber ich freue mich doch sehr darüber, dieses Jahr nun zu den Akten legen zu können. Adieu 2014, du hast dich sehr bemüht, aber alles in allem waren deine Leistungen nicht ausreichend und so wird das nichts mit der Versetzung ins nächste Jahr. Am besten du räumst schon mal deinen Platz und wisch doch bitte, wenn du gehst, noch die Schweinerei weg, die du hinterlassen hast.

Überall harte Nippel und trotzdem ist die Welt im Eimer

Herr Obama droht Herrn Putin mit Saktionen, wenn es in der Ukraine nicht bald mal ein bisschen ruhiger wird, woraufhin in „Wir-machen-hier-Party-solange-WIR-wollen“-Manier Herr Donskoj vorgeschickt wird, um zu sagen, dass der Westen sich dann sein Öl woanders her holen muss. Parallel ist Mariupol nicht länger von prorussischen Separatisten besetzt, dafür aber Slawjansk und noch so ein Ort mit bisher unbekanntem Namen hat neue „Besetzer“: Die IS-Kämpfer, die „Al-Quaida-Extrem-Extremisten“, haben mehr als 5000 Menschen abgemurkst, um sich den syrischen Militärflughafen Tabka unter die Nägel zu reißen. Wen das nicht interessiert, der kann auch auf der Weltkarte weiterscrollen und landet in Westafrika. Dort hat das Ebola Virus seit Februar tausende Menschen infiziert, in 1429 Fälle ging das tödlich aus. Bleiben wir auf dem afrikanischen Kontinent, doch zoomen wir weiter raus. Laut Who und UNICEF haben im subsaharischen Afrika, also gut Zweidrittel des Kontinents, circa 330 Millionen Menschen keine gesicherten Quellen für sauberes Trinkwasser.

Diese Milliönchen eingeschlossen und nochmal fast so viele drauf, können nicht einfach in ihr Badezimmer gehen, den Hahn aufdrehen und einen Eimer mit sauberem, kaltem Wasser befüllen, um sich den dann für ein lustiges Internetvideo über den Kopf zu schütten. Sich einen Eimer mit Infektionserregern und vielleicht sogar Medinawurmlarven (die sich dann im Körper ansiedeln, bis zu einem Meter groß werden und ihre Wirte schließlich lähmen) über den knappen Bikini zu schütten, ist auch eher unsexy. Das sollte man dann besser in Nordkorea machen. Da gibt es solche Würmer nicht, aber da sieht das Internetvideo dann blöderweise nicht das ganze World Wide Web.

Als eine meiner ältesten und besten Freundinnen (wobei ich älter bin und sie dafür besser)für die Ice Bucket Challange nominiert wurde und mir schrieb, ich sie die Nächste, geriet ich ganz kurz in die feuchte Schusslinie.

Doch sie beschloss den Eimer im Bad stehen zu lassen und der ALSA, die Organisation, die den aktuellen Internethype gestartet hat, auch nichts zu spenden. Und das finde ich richtig, richtig cool.

Nicht, weil ich um den nassen Topf herum gekommen bin, sondern weil ich jeden Morgen eiskalt dusche und davon vielleicht mein Bindegewebe, aber nicht die Welt besser wird. Langfristig sind sowohl die Welt als auch meine Oberschenkel vermutlich nicht mehr zu retten.

Eine Portion Optimismus kann motivieren und schlimme Krankheiten heilen zu wollen, sich Demokratie und volles Internet für alle zu wünschen und aktiv etwas dafür zu tun, sind mir eine willkommene Ablenkung zu Katzenbildern und Foodporn. Doch das alles wird nicht mit einem Eimer Wasser in unterschiedlichen Aggregatzuständen zu bewältigen sein. Ganz nebenbei frage ich mich, wie auch Menschen in Deutschland, die an Amyotrophische Lateralsklerose aka Myatrophe Lateralsklerose alias Motor Neuron Disease aka Lou-Gehrig-Syndrom alias Jean-Martin Charcot Charcot-Krankheit aka der Krankheit, wegen der die halbe Welt grad steife Nippel hat, erkrankt sind, von den Spenden an die US-Stiftung profitieren?

 Die ALSA will die Spendengelder für Forschung ausgeben. In diesem Kontext heißt das Genforschung und geklonte Mäuse. Das ist nicht nur bei ALS so, sondern Standard und hilft tatsächlich Heilmittel oder zumindest Therapien zu finden, für Krebs, für Allzheimer, für Diabetes, für seltene und häufige, für sofort und später tödliche Erkrankungen. Aber wenn man für etwas Geld sammelt und das tut man, wenn man am Eiseimern partizipiert, sollte man ja immerhin wissen, wofür es verwendet wird und kurz mal das PETA-Protestschild aus der Hand legen. 

Den Eiswürfel des Anstoßes finde ich ganz großartig. Doch ich befürchte grade, dass die Ice Bucket Challange zur reinen Selbstbewässerung wird, wie alle „Alle-machen-mit-Aktionen“.  Denn bald kommen wir an den Punkt, an dem wir merken, dass nicht ALLE mitmachen und dann sind nicht nur Leute wie ich die Spielverderber, sondern auch jene, deren Staat ihnen kein Internet gibt, die kein sauberes Wasser haben oder grade um ihr Leben kämpfen müssen.

 

Überall harte Nippel und trotzdem ist die Welt im Eimer

Herr Obama droht Herrn Putin mit Saktionen, wenn es in der Ukraine nicht bald mal ein bisschen ruhiger wird, woraufhin in „Wir-machen-hier-Party-solange-WIR-wollen“-Manier Herr Donskoj vorgeschickt wird, um zu sagen, dass der Westen sich dann sein Öl woanders her holen muss. Parallel ist Mariupol nicht länger von prorussischen Separatisten besetzt, dafür aber Slawjansk und noch so ein Ort mit bisher unbekanntem Namen hat neue „Besetzer“: Die IS-Kämpfer, die „Al-Quaida-Extrem-Extremisten“, haben mehr als 5000 Menschen abgemurkst, um sich den syrischen Militärflughafen Tabka unter die Nägel zu reißen. Wen das nicht interessiert, der kann auch auf der Weltkarte weiterscrollen und landet in Westafrika. Dort hat das Ebola Virus seit Februar tausende Menschen infiziert, in 1429 Fälle ging das tödlich aus. Bleiben wir auf dem afrikanischen Kontinent, doch zoomen wir weiter raus. Laut Who und UNICEF haben im subsaharischen Afrika, also gut Zweidrittel des Kontinents, circa 330 Millionen Menschen keine gesicherten Quellen für sauberes Trinkwasser.

Diese Milliönchen eingeschlossen und nochmal fast so viele drauf, können nicht einfach in ihr Badezimmer gehen, den Hahn aufdrehen und einen Eimer mit sauberem, kaltem Wasser befüllen, um sich den dann für ein lustiges Internetvideo über den Kopf zu schütten. Sich einen Eimer mit Infektionserregern und vielleicht sogar Medinawurmlarven (die sich dann im Körper ansiedeln, bis zu einem Meter groß werden und ihre Wirte schließlich lähmen) über den knappen Bikini zu schütten, ist auch eher unsexy. Das sollte man dann besser in Nordkorea machen. Da gibt es solche Würmer nicht, aber da sieht das Internetvideo dann blöderweise nicht das ganze World Wide Web.

Als eine meiner ältesten und besten Freundinnen (wobei ich älter bin und sie dafür besser)für die Ice Bucket Challange nominiert wurde und mir schrieb, ich sie die Nächste, geriet ich ganz kurz in die feuchte Schusslinie.

Doch sie beschloss den Eimer im Bad stehen zu lassen und der ALSA, die Organisation, die den aktuellen Internethype gestartet hat, auch nichts zu spenden. Und das finde ich richtig, richtig cool.

Nicht, weil ich um den nassen Topf herum gekommen bin, sondern weil ich jeden Morgen eiskalt dusche und davon vielleicht mein Bindegewebe, aber nicht die Welt besser wird. Langfristig sind sowohl die Welt als auch meine Oberschenkel vermutlich nicht mehr zu retten.

Eine Portion Optimismus kann motivieren und schlimme Krankheiten heilen zu wollen, sich Demokratie und volles Internet für alle zu wünschen und aktiv etwas dafür zu tun, sind mir eine willkommene Ablenkung zu Katzenbildern und Foodporn. Doch das alles wird nicht mit einem Eimer Wasser in unterschiedlichen Aggregatzuständen zu bewältigen sein. Ganz nebenbei frage ich mich, wie auch Menschen in Deutschland, die an Amyotrophische Lateralsklerose aka Myatrophe Lateralsklerose alias Motor Neuron Disease aka Lou-Gehrig-Syndrom alias Jean-Martin Charcot Charcot-Krankheit aka der Krankheit, wegen der die halbe Welt grad steife Nippel hat, erkrankt sind, von den Spenden an die US-Stiftung profitieren?

 Die ALSA will die Spendengelder für Forschung ausgeben. In diesem Kontext heißt das Genforschung und geklonte Mäuse. Das ist nicht nur bei ALS so, sondern Standard und hilft tatsächlich Heilmittel oder zumindest Therapien zu finden, für Krebs, für Allzheimer, für Diabetes, für seltene und häufige, für sofort und später tödliche Erkrankungen. Aber wenn man für etwas Geld sammelt und das tut man, wenn man am Eiseimern partizipiert, sollte man ja immerhin wissen, wofür es verwendet wird und kurz mal das PETA-Protestschild aus der Hand legen. 

Den Eiswürfel des Anstoßes finde ich ganz großartig. Doch ich befürchte grade, dass die Ice Bucket Challange zur reinen Selbstbewässerung wird, wie alle „Alle-machen-mit-Aktionen“.  Denn bald kommen wir an den Punkt, an dem wir merken, dass nicht ALLE mitmachen und dann sind nicht nur Leute wie ich die Spielverderber, sondern auch jene, deren Staat ihnen kein Internet gibt, die kein sauberes Wasser haben oder grade um ihr Leben kämpfen müssen.

 

Blau(e Flecken) machen

Eine aktuell nicht gern gehörte und wenig geglaubte Wahrheit ist: Es ist Sommer. Ja wirklich. Moment ich guck nochmal kurz aus dem Fenster. Nee, vielleicht auch nicht. Wie war das nochmal? Was wahr ist, kann man sehen aber woher weiß man, dass etwas existiert, wenn man es denn nicht sehen kann? Ist der Sommer irgendwo im Wald unter einen Baum gefallen und keiner hat’s gemerkt? War dann schon Sommer? Wenigstens bin ich mir der Existenz des Heizkörpers unterm Fenster sicher. Den kann man nicht nur sehen. Den kann man sogar anfassen. Und das mache ich jetzt und drehe die Heizung hoch.

Angesichts dieses Sommerlochs stagnieren auch meine alljährlichen Sommersaisonpräparationen. Allen voran das nie erreichte Ziel: schöne Beine. Während es Tabletten und Cremes gegen Unreinheiten und Cellulite gibt, finde ich für mein Problem kein probates Pharmazeutikum. Was das Problem ist? Blaue Flecken. Große blauen Flecken.

Irgendwann in meiner frühen Kindheit fing ich an mich zu bewegen und ab da war alles verloren. Über die 28 Jahre meines Lebens habe ich das Überall-Gegenlaufen so stark sehr perfektioniert, dass ich Olympiasiegerin im Überall-Gegenlaufen sein müsste, würde das Olympia-Komitee denn endlich mal auf meine Briefe reagieren! Ob mich offenen oder geschlossenen Augen, nach vorne oder auf’s Handy guckend, draußen wie drinnen, es klappt einfach überall und immer. Ich muss dafür nicht mal laufen! Auch im Sitzen schaffe ich es quasi spielerisch meine Knie gegen Schreibtischunterschränke und Tischbeine zu stoßen! Was soll ich sagen? Ich bin ein Naturtalent, ein Profi, das kann nicht jede(r). Inzwischen bin ich so gut, dass ich nicht mal mehr merke, wie ich irgendwo gegen renne. Vielleicht muss ich das auch gar nicht mehr. Vielleicht bin ich schon im telekenetisch hamötomischem Stadium. Der Bettpfosten kommt zum Schienbein!  Man müsste das mal ausführlicher erforschen.

Doch leider wird der blaue Fleck kulturhistorisch bis heute ignoriert und hat es nicht geschafft sich, wie zum Beispiel der Leberfleck, als erotisches Emblem zu etablieren. Vielleicht liegt es daran, dass er so vergänglich ist. Aber sollte man dem blauen Fleck nicht gerade wegen seiner Limitationen Aufmerksamkeit schenken? Selbst für Flatulenz gibt‘s Fetischisten! Aber Hämatome gelten nach gesellschaftlichem Konsens als unsexy. Während die Modeindustrie Hosen so tief auf die Hüfte setzte, dass auch das geschmackloseste Tribal-Tattoo auf dem massigsten Muffin-Top ähnlich einem Mondrian im MoMA präsentiert ist, werden blaue Flecken versteckt, schamvoll verschleiert.

Das ist nicht fair! Auch hinter Hämatomen stecken Geschichten! Wir sollten etwas dagegen tun! Wir sollten unsere blauen Flecken entblößen! Jaha! Wenn es doch nur nicht soooo arschkalt wäre!!!! Rebellion und Kälte passen nicht gut zusammen. Ich will jetzt endlich richtigen Sommer! Ich will blauen Flecken am Himmel, statt auf meinen Beinen!  

So wird’s kommen?

Erotische Literatur gab’s auch vor dem ersten Band über die unglaublich naive Studentin, die einen unglaublich reichen und gutaussehenden Mann kennenlernt, mit dem sie unglaublich unglaublichen Beischlaf vollzieht. Dennoch diskutiere ich, seit diese Liebesgeschichte unglaublich weit oben auf den Bestsellerlisten steht, weltweit (!!!), öfter den je über Sexpraktiken in der Öffentlichkeit.

Angefangen hat das, dass ich und meine Freundinnen als Abbilder oder Vorlagen (wie immer man das sehen möchte) von Carrie und Co. aus Sex and the City posierten und in aller Öffentlichkeit intimenDetails miteinander abglichen, schon lange vor der populären Buchreihe. Neulich erst fand ich ein Briefchen aus Schultagen zwischen einem meiner alten Büchern, indem meine liebste Sitznachbarin und ich über künstlerisch miese, aber doch eindeutig verständliche Skizzen versuchten, uns dem Mythos „Größe“ anzunähern. Und Form. Und Behaarungsgrad. Und Winkel. Bei Winkeln wird’s wirklich spannend. Das fanden auch Kellner und Cafébesucher, um uns herum, als wir begonnen hatten die Unterhaltungen von transkribierten in orale Kommunikationsakte zu verlagern. Plötzlich hörten alle zu, als wir „16??? Sechzehn ist ja wohl voll Durchschnitt!“ „Ja, aber zu dritt zählt anders, dann darf man 1 Jahre abziehen!“ und ähnliches durch den Raum riefen. Dann kam das Internet und damit Pornografie frei Haus, an der wir aber gar nicht interessiert waren.  Weil es fucking unsexy ist Bilder von Genitalien in Großaufnahme auf dem Bildschirm zu sehen und die Dialoge…na, zu den Dialogen sag ich lieber nix.

Wobei, die Dialoge, die wir führten und auch heute noch führen, ich und Freundinnen, auch nicht vor literarischer Kreativität strotzen. Und neuerdings hört auch keiner in unserem Umkreis mehr auf zu sprechen und hört heimlich zu. Weil alle denken, wir würden uns über Bücher unterhalten. So weit ist es schon!  Wird es dann demnächst ganz normal werden sich mit Freundinnen UND Freunden über den neusten Porno, wie über den neusten Bond auszutauschen? „Die Kameraführung beim Anal, die war echt innovativ.“ Werden wir dann so diskutieren? Werden Pornos dann als etabliertes und akzeptiertes Unterhaltungsformat zur Primetime laufen? Und vor allem, ist das dann noch geil?