Geht’s los? Jetzt? … Jetzt? Jetzt aber, oder?

Wenn Nestlé bei dir nachhakt, ob das Baby denn nun endlich da sei, weißt du, dass du echt über deinen Termin bist. Dabei ist es erst eine Woche. Nach 40 Wochen Schwangerschaft, empfinde ich das gar nicht als sooooo lang. Und als jemand, der regelmäßig auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, ist mir auch eine gewisse Toleranz für Verspätung ansozialisiert.

Aber die Welt sorgt sich, ein bisschen um mich und ein bisschen um das Baby aber VOR ALLEM darum etwas zu verpassen, etwas nicht in der Sekunde, in der es passiert mitzubekommen. Egozentrisch wie ich bin, versuche ich mir dennoch weiter einzureden, es ginge nur um MICH, wenn wieder jemand eine Whatsapp mit „Naaa?“ schickt oder mir meine Schwiegermutter mir rät diesen ruhigen Tag noch zu genießen und dabei ganz beiläufig fragt, wie es mir denn so ginge. „Wie geht’s dir?“ ist aber eigentlich Code für „Geht’s schon los?“. Zu lange schwanger zu sein, ist offensichtlich nicht zeitgemäß.

Inzwischen habe ich meinen Whatsapp-Status in „Das Baby ist noch nicht da“ geändert. Das brachte kurz Ruhe. Dann kamen die Nachfragen, ob das denn noch aktuell sei. Besonders beliebt sind auch Prognosen. „Ich glaube heute kommt das Baby?“, wird zahlreich gewettet, aber immer OHNE einen Einsatz zu nennen. Die ersten Pakete Windeln wären ansonsten schon jetzt refinanziert. Oft sind die Nachfragen nett. Stressig wird es, wenn ich nicht mehr antworte und Hypothesen bei mir eingehen, ist sei doch jetzt sicher auf dem Weg ins Krankenhaus. Nein, bin ich nicht. Ich bin noch hier oder beim Sport oder schreibe oder blogge oder backe oder mache so dies und das, was ich eben so mache. Ich bin tatsächlich auch hochschwanger noch busy. Das geht auch nicht anders, das ist Teil meiner Persönlichkeit. Wenn ich aufhöre busy zu sein, wird es angebracht zu fragen, wie es mir geht.

Vielleicht wissen meine Freunde, Familie, Bekannte und die Newsletter-Verschicker bei Nestlé aber auch mehr als ich. Vielleicht hat irgendwo ein Orakel verkündet, dass dieses Baby der Messias ist, der die Lösung für Klimawandel, Krankheiten und den Umstand, dass gutes Essen zu viele Kalorien hat, mitbringt – und für alles andere, was noch so auf dem Weltrettungswunschzettel steht. Dann wäre die ganze Aufregung natürlich legitim. Und dann wäre ich schon jetzt die ignoranteste Mutter Deutschlands. Kein guter Start. Vielleicht will es deswegen nicht raus. Statt zu schreiben, zu backen oder Rückfragen dazu, ob das Baby denn nun da ist zu beantworten, trainiere ich mir also lieber mal schnell den „Mein Kind ist ein Wunderkind“-Habitus an. Hat hierfür jemand Tipps, Ideen oder Erfahrungswerte?

Dr. Sowas-ähnliches-wie oder wie ich lernte,Links zu hassen

Ich zweifle an der Kompetenz des Kollektivs. Es ist ja nicht neu, dass man im Internet immer weniger Neues findet, weil allerwebseits Informationen und Suchergebnisse gefiltert werden, damit ich das gleiche konsumiere, wie meine FreundInnen und Menschen mit ähnlichen Verhaltensmustern. Weil Gemeinsamkeiten die Freundschaft fördern und Harmonie stiften. Aber ein Geschmack für alle und alle für einen Geschmack, schmeckt irgendwie trostlos. Trost und Abwechslung schenkten mir für gewöhnlich cinegraphische Stimuli. Filme sind im besten Fall lustvoll erquickendes Lichtspiel und im schlimmsten Fall immernoch passiv-plätscherndes-Popcorn-Programm. Unterhaltung auf mehreren Ebenen. Für die Zeit, die man in die Geschichte eintaucht und für danach, wenn man sich mit FreundInnen darüber unterhält, ob eine solche im gerade gesehenen Kunstwerk überhaupt vorhanden war. Aber im Moment fühle ich mich selbst in einem Drama, einer Tragödie, einer Horror-Story mit dektektivischen Elementen. Denn ich bin auf der Suche nach dem Film, den es sich anzusehen lohnt. Vielleicht rufe ich mal bei Indiana Jones an, ob er mir nicht helfen will. Denn so langsam gehen mir die Orte aus, an denen sich die moderne Filmkultur versteckt. Amazon und Google empfehlen mir nur Filme, die ich schon kenne, weil sie sie mir schon längst empfohlen haben und Filme, die meine Facebook-FreundInnen favorisieren sind mir auch bekannt. Zur Inspiration bin ich darum am letzten Wochenende in eine Videothek gegangen. Eine analoge. Mit Wänden, Tür, DVD-Hüllen und so kleinen Schildchen und Gummibärchen. Ja, da standen kleine Schalen mit Gummibärchen. Damit man sich schon vor dem Filmgenuss auf die kino-authentische Überzuckerung einstimmen kann. Da denkt jemand mit und kommt meinen Bedürfnissen nach. Da könnten sich Amazon und Co. mal ein Zuckerschnittchen von abschneiden! Nur-die-weißen-Gummibärchen-kauend (weil ich mir einrede, dass die weniger gefährliche Farbstoffe haben und damit quasi als ‘gesundes Essen’ durchgehen und weil es besser in die Gesamtkomposition des Ladens passte,) wanderte ich dann die weißen Regale, der schicksten Videothek von ganz Köln ab und versprach mir vom Ambiente und Amus Gueule weiteres Angenehmes. Vielleicht weckte das Umfeld aber auch zu große Erwartungen bei mir. ‘Große Erwartungen’ habe ich übrigens auch schon gesehen. Und wie beim betitelten Film wurden auch hier meine Hoffnungen wiedermal auf’s bitterste enttäuscht. Aber wenn ich hier nicht DEN Film finden würde, wo dann? Das Problem lag aber, wie ja so oft, bei mir. Wie ich aus den Gummibärchenschalen nur die rauspickte, die ich mag, zog ich beim Griff in die Regale auch nur die, die ich mag und schon so oft gesehen habe, dass ich selbst die koreanische Fassung fließend mitsprechen kann. Ich fürchtete schon, dass mich das internet-typische Kompatibilitieren von Neuigkeiten auf meine Comfort-Zone dazu brachte, Unbekanntes und Neues zu meiden. Ich verließ die Videothek also ohne Video. Gab’s da eh nicht, sondern nur DVDs (und nachfolgende Technologien, deren Innovationsgehalt dem Wert an gesunden Stoffen in Gummibärchen entspricht) und fragte in real-sozialen Welten, wie Arbeitsplatz und Abendessen bei FreundInnen, um Rat. Den bekam ich. Quasi. Irgendwie. Ich bekam imdb empfohlen. Ich müsse nur sämtliche Filme bewerten und dann liefere mir die Datenbank Vorschläge. Das involviert nicht nur zu viel Arbeit für ein bisschen potentielles Vergnügen. Es zeigt mir auch, dass wir in einer komödiantisch-tragischen Welt leben, in der man statt eines Filmtipps, den Verweise auf eine Datenbank erhält. Links funktionieren jetzt also auch schon ohne Browser. Dabei wollte ich doch keinen Querverweis, sondern endlich einen Filmtipp!!! Langsam glaube ich nicht mehr an ein Happy End, eher eine Unendliche Geschichte, eine Odyssee im Webraum. Fortsetzung folgt…

Minuspunkte für Google+

All die Blogs, Tweets und Meldungen, die ich inzwischen zu Google+ aufgesogen habe, versprachen eine richtig gute Party. Nicht jeder wird reingelassen, die Inneneinrichtigung ist stylisch und vor allem – ein Aspekt, der bei jeder Party enorm wichtig ist – der Gastgeber ist bekannt für seine Erfolge. Google’s einzigem und ewigen Gebot, dem kategorischen Imperativ  “Do no evil”, ist das was facebook und co zu sein versuchen inhärent: die Komponente des sozialen. Dass Facebook, nicht als Anwendung sondern Institution, immer mehr netzWERK und kaum noch Soziales ist, wird nicht nur mir schleichend klar. Statt freundschaftliche Beziehungen zu fördern, versucht Zuckerbergs Spielwiese immer mehr Werbetreibenden zu Kontakten zu verhelfen. Denn facebook ist eben nicht einfach ein Internetdienst oder Netzwerk, sondern ein Unternehmen. Und hier liegt das Paradox, denn Unternehmen sind in erster Linie kapitalorientiert und eben nicht auf soziale Harmonie aus. Für das Unternehmen facebook sind wir abstrakte Nummern, die es gerade versucht in monetäre Ziffern umzuwandeln. Die Idee man zahle nichts für’s Mitspielen im Netz ist die Illusion des sozialen Kapitalismuses. In der Utopie der www, der Win-Win-Welt, dürfen Freunde umsonst technische Kommunkationsmittel nutzen und trotzdem verdienen die, die sie gebaut haben, weil sie den Freunden ab und zu Werbung zeigen. Stimmt nicht ganz. Denn facebook rentiert sich – im Gegensatz zu Google – nicht über Werbung, sondern Investoren und die wiederum….Aber warum fange ich jetzt eigentlich mit dieser kritischen Systemanalyse an?

Weil auf der Party Google+ Öde und Langeweile miteinandern Foxtrott tanzen. Japp. Genauso wie wenn man zu früh auf eine Party kommt, ist hier nichts los. Ich hab mich umgesehen. Es sieht alles nett aus. Verpflegung ist auch ansprechend.Auf dem Buffet finden sich verschiedene Nachrichtenfunktionen, Videochat bei dem gemeinsam YouTube-Videos anschauen kann und noch einige andere Leckereien, die ich zögerlich probiere. Für die Grundversorgung ist gesorgt und der Gastgeber tischt weiter auf. ABER es ist kaum jemand hier. Es fehlt das Soziale in seiner Entität: der Mensch. Der Grund warum ich mich hübsch anziehe und schminke und lauter attraktive Hobbies und Interessen in mein Profil schreibe ist der, dass ich mit Menschen interagieren, plauschen, lachen, diskutieren möchte! Aber hier fehlt genau dieses Plus, dieser Vorteil, den das Additionzeichen mir verspricht. Drum stehe ich in der Ecke und sinniere über die Natur der Netzwerke als solches. Kann Google+ wirklich das wieder gut machen, was facebook ruiniert hat? Das soziale Miteinander? Bedeutet Do No Evil automatisch, dass Google Gutes tut oder ist das bereits Überinterpretation? Und auch Google baut sein Plus nicht für mich und die noch erwarteten Partygäste, sondern veranstaltet das alles, um Geld zu verdienen. Die Drinks mögen umsonst sein und Eintritt war auch frei. Aber ich ahne doch, dass ich für’s Mitfeiern zahlen werden muss. Wenn hier nicht langsam was passiert, vergeht mir die Feierlaune. Manche Partys sind leider einfach nur eine Verschwendung von Make-Up.

Post-It als Verhütungsmittel

Facebook hat es tatsächlich getan. Nun will es auch in die letzte schmutzige Ecke meiner Privatsphäre. Und darum klebt jetzt ein Post-It über der Kamera an meinem Laptop.

Ich weiß, dass das Unternehmen verzweifelt ist. Nicht nur wegen der Konkurrenz durch Google+. Es gibt genügend Menschen die loyal faul genug sind, nicht zu wechseln. Und noch ist Google+ nicht publik. Nein, facebook wird nervös, weil das Geld der ersten Investorenrunde so langsam aufgebraucht ist und man, um in der zweiten Runde mehr als nur einen ‚geschätzten Wert‘ von 836 Millionen Dollar (beim derzeitigen Kurs immerhin noch Rund 584 Millionen Euro) vorweisen muss. Aber weil noch immer keiner rausgefunden hat, wie man im Internet nun tatsächlich Geld verdient, pusten alle weiter Seifenblasen. Im Grunde will der soziale Dienst seine Nutzer ja nur glücklich machen, und noch glücklicher und noch glücklicher, mit immer neuen Spielen, Freunden und Features, um von anderen Menschen Geld zu bekommen, indem sie denen erzählen, dass glückliche Klicker auch glückliche Konsumenten sind. Denn tatsächlich Geld für eine Dienstleistung im Netz zu kriegen, ist die Königsdisziplin in dieser Welt. Und so richtig die beherrscht bisher keiner. Zumindest nicht mehr.

Denn vor langer Zeit, in einem lang vergessenen Internet gab es so etwas einmal. Bevor Social Media der am häufigsten genutzte Dienst im Netz wurde, regierte hier die Pornoindustrie. Und das zu Anfang noch profitabel. Sex Sold and Sells. Past tense, present tense und aber in der Zukunft? Wobei wir wieder bei der Facebook und dem Post-It an meinem Computer wären. Irgendwann kommen nämlich fast alle Unternehmer im Netz auf diese Schiene zurück. Frei nach Field of Dreams glauben alle: Errichte eine Schnittmenge deines Dienstes zu nackter Haut und Versprechungen von Liebe und Leidenschaft und die Nutzer werden kommen –(Pun intended or not. Der Rezipient arbeitet immer an der Nachricht mit, also tun wir mal so, als wäre das nur eure schmutzige Phantasie, die „kommen“ als „kommen“ liest). Chatroulette zog deswegen Massen an, weil alle darauf warteten (schockiert!!!) mit einem nackten Gegenüber konfrontiert zu werden, nicht weil es ganz nett wäre, sich face-to-face zu unterhalten. Das ging vorher schon im Internet, via Skype und hunderten anderen Messengern mit Video. Aus diesem Grund ist es auch keine technologische Innovation, dass nun Facebook mit einem Video-Chat daher kommt. Die Erweiterung ist keine Erfindung des Feuers, sondern der Versuch den sozialen Service heißer zu machen. Ins Gesicht und die Wohnung des Gesprächspartners blicken zu können verspricht Intimität und im Kontext von Facebook liegt hierhin die Innovation. Aber wie ich schon via Skype nur äußerst exklusive mit den wenigen Menschen interagiere, die meine Wohnung auch real bereits betreten haben, werde ich auch zumeist auf Facebooks Video-Chat verzichten. Und darum klebe ich nun, wenn immer ich mich einlogge, ein Post-It als Verhütungsmittel über die Kamera. Manch einer mag behaupten, die Kamera zu deaktivieren genüge auch, aber diese Menschen halten auch an den Koitus Interruptus für sicher. Darum kaufe ich mir später lieber noch ein Packung Klebezettel, in vielen hübschen Farben und Formen.