Warum man seine Plazenta nicht pürieren sollte

 

Während der zehn Monate, die eine Schwangerschaft dauert, werden Schwangere zu Kriegerinnen im Kampf zwischen altbewährte Natur und moderne Technik. Denn man kann so eine Geburt und alles, was damit zu tun hat, mit nichts als Ein- und Ausatmen angehen oder das Arsenal moderner Möglichkeiten von Anfang bis Ende ausschöpfen. Beides geht. Nur dazwischen ist zu wenig Platz für einen wachsenden Bauch.

Wie, wo und wem man das neue Leben in die Arme presst, ist ein solches Thema, zu dem es 100 Meinungen gibt und wenig Toleranz. Man kann sich da nicht einfach in der neutralen Mitte verorten. Auch wer keinen Kaiserschnitt will, braucht einen Standpunkt dazu.  

Ob man dem Kind Konservierungsstoffe und Industriekost gefiltert in Muttermilch via den all natural Nippeln einflößt oder direkt die emotionale Connection bei ihm herstellt, dass Trost aus Flaschen kommt, ist ein zweites Diskussionsthema, mit denen man Talkshow-Abende füllen könnte.

Doch es gibt ein Thema, da funktioniert der Natur vs. Technologie/Vergangenheit vs. Zukunft Dualismus einfach nicht, aber so richtig scheint das noch keine der Streitparteien bemerkt zu haben: Beim Plazenta Smoothie.

Wie man eine Hühnersuppe aus Huhn macht und ein Kotelett aus Antibiotika, so ist der Plazenta Smoothie ein Getränk, das aus der Nachgeburt gehäckselt wird. Dazu kommt dann noch Obst, Gemüse und Eis nach Wahl und fertig ist der Kannibalen Fitness-Drink.

Die Plazenta zu verspeisen sei eine der natürlichsten Sachen der Welt, argumentieren die Plazenta-Liebhaber. Das mag sein. Darüber kann man streiten. Das stimmt eigentlich nicht. Denn diese „Naturvölkern“ auf die bei solchen Diskussionen gerne verwiesen wird, sind eigentlich Katzen oder andere Tiere. Zu finden ist eine Häufung von menschlichen Plazenta-Esserinnen vor allem in den westlichen Nationen. So richtig vintage ist am Einverleiben des Mutterkuchens in Form von Braten, Geschnetzeltes oder Lasagne also höchstens die Zubereitungsart. Aber die Nachgeburt zu kochen, ist ja gerade total out. Ist ja auch viel zu aufwendig. Hat ja auch keiner Zeit für, nach einer Geburt. Da muss es schnell gehen. So stoße ich, insbesondere auf englischsprachigen Blogs, rund um Geburt und Schwangerschaft, immer wieder auf den angesprochenen Plazenta Smoothie. Das Wort ist schon so verrückt, dass ich es immer wieder schreiben und sagen will: Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie, Plazenta Smoothie. Der Schauer, der mir dabei über den Rücken huscht, wird mit jedem Mal besser.

Appetit bekomme ich aber eher nicht. Das liegt nicht einmal an der besonderen Zutat des Drinks, sondern meiner Antipathie für die absolute Abnormität der Kulinarik: Dem Smoothie als solches. An einem Smoothie ist und war noch nie etwas Natürliches! Lebensmittel, die man sowieso roh zu sich nehmen will, erstmal bei 23.000 Umdrehungen pro Minute zu zerhacken ist einfach absurd. Das von jemand anderem machen zu lassen und das Obst und Gemüse dann in Plastikflaschen zu kaufen ist es erst recht. Wer noch keine oder keine Zähne mehr hat, z.B. auf Grund von Alter oder Schlägereien, muss seine Nahrung püriert zu sich nehmen. Freiwillig auf Flüssignahrung umzusteigen ist einfach nur Ausdruck einer Gesellschaft, in der der Wohlstand ein solches Maximum erreicht hat, dass die Menschen zu faul zum Kauen geworden sind.

Und was mache ich nun? Ist es möglich, dass der Anblick meiner Nachgeburt so appetitlich ist, dass ich meinen Liebsten spontan bitte den Grill anzuwerfen? Immerhin ist es meine Plazenta und nicht irgendeine. Ich erwarte also schon einen gewissen Sex-Appeal. Vielleicht sollte ich dazu nochmal im Krankenhaus anrufen, um zu fragen, ob Holzkohle-, Gas- oder Elektrogrillgeräte erlaubt sind. Wahrscheinlicher ist aber, dass ich mit der Plazenta das mache, was ich immer mache, wenn im Lieferumfang meiner Bestellungen zusätzliche Artikel enthalten sind, mit denen ich nichts anfangen kann: Ich verlege und vergesse sie.

Orte, an denen man kein Kind bekommen sollte

Während vermehrt Wettangebote aller „5 Euro auf immerabgelenkt platzt“ bei mir eingehen, bin ich noch immer hier, noch immer rund, runder denn je zuvor. Statt Wehen spüre ich etwas sehr Unheimliches und das mehr bei anderen als mir selbst. Vor einigen Wochen erntete ich noch Komplimente auf offener Straße und strahlende Blicke, die zu sagen schienen: „Oh, das Wunder des Lebens! Schwangere sind ja sooo schön! So, so, so SCHÖN!“  Jetzt sehen mich Menschen an, wie die tickende Bombe, die ich nun einmal bin.

Als ich in ein Taxi stieg, wanderte der Blick des Fahrers von meinem Gesicht zum Bauch, wieder zum Gesicht, wieder zurück zum Bauch, mal kurz auf die Straße und dann wieder zu meinem Bauch und wieder zu meinem Kopf, um sich an Hand meines Gesichtsausdrucks zu versichern, dass ihm nicht gleich eine Ladung Fruchtwasser die Polster versaut. Seine Irritation wurde noch ein bisschen doller als die Adresse, die ich ihm nannte, nicht die eines Krankenhauses war.

In meinem liebsten Wellness-Sauna-Spa-Tempel erhielt ich statt der üblichen „Angenehmen Aufenthalt“-Grußformel diesmal den Ratschlag: „Vorsichtig mit dem Kaiserbad. Das kann Wehen auslösen“ und dazu ein gequältes Lächeln, bei dem Gebete mitschwangen, es möge doch bitte, bitte nicht hier passieren. Dabei denke ich mir, dass die Putzkräfte sicher schon viel Schlimmeres beseitigen mussten.  

Und auch im Gesicht des Barkeepers, der mir einen wunderbaren alkoholfreien Drink servierte und dabei fröhlich fragte, wie lange es noch dauert bis zur Geburt, bildeten sich gleich nach meiner Antwort („8 Tage“) kleine Schockfalten um die Augen, die sein rechtes Augenlied zum Zucken brachten. Dazu bekamen seine lächelnden Mundwinkel diesen Ausdruck, den das Gehirn sendet, wenn es ruft „Wegrennen!!!!!“.

 

Nur eine Personengruppe lässt mein Erscheinen völlig kalt: Grauhaarige Frauen mit den Perlenohrringen und Schnapspralinen in der Handtasche. Vielleicht liegt es an den Pralinen oder an meinem Rassisten-Rentner-Hater Blogpost. Womöglich wildere ich in meinem Zustand auch in ihrem Revier. Schließlich verbringe ich viel Zeit in Wartezimmern und gehe mitten am Tag in den Supermarkt. Oder der Anblick von entstehendem Leben, macht ihnen klar, dass nicht nur meine Bombe tickt, sondern auch ihre Zeit abläuft. Aus all diesen und keinem dieser Gründe, drängeln sich die alten Damen dieser Welt nicht nur an Kassen, sondern auch in Toilettenschlangen an mir vorbei und gucken dabei so böse, als drohte ich ihnen die Rente zu kürzen.

 

Und es hilft nichts gegen dieses Verhalten. Das habe ich gemerkt, als ich plötzlich an der Supermarktkasse aufschreien musste. Es war nur ein Stechen, aber ein sehr sehr unangenehmes, da unten, da wo das Baby mal durch soll. Offensichtlich hat es ein Messer dabei, oder einen Eispickel, vielleicht wird’s auch ein Igel- oder ein Einhornbaby. Das Stechen war kurz, aber so unangenehm, dass ich kurz „Au“ quiekte, heftig atmen musste und mich abstützte. Die Kassiererin griff schon nach dem Telefon („Geburt an Kasse vier, die siebzehn bitte für die zwölf“). Doch die grauen Köpfe vor mir sortierten munter weiter ihre Rabattgutscheine und studierten die Titelseiten der Gala auf dem Kassenband. Sie sahen nur kurz rüber und entschieden dann, dass das englische Königshaus aufregender war als ich.

Nach dem Stich, kam noch einer, aber dann war es auch vorbei. Ich bin immer noch nicht geplatzt und habe kein Einhorn zur Welt gebracht. Aber ich habe erkannt, wenn sich das Kleine auf den Weg macht, möchte ich doch lieber im Taxi, in der Sauna oder einer Bar sein, statt umgeben von Menschen, die mit offensichtlich sehr gut funktionierenden Blutdrucksenden Medikamenten zu gedröhnt sind.

Wie man mit Wahlplakaten Geschichten erzählt… und Albträume bereitet

Wahlplakate sind reale Pop-Up-Werbung. Aus dem Nichts sind sie wieder einmal aufgetaucht. Sechs Wochen vor dem 14. Mai und damit pünktlich am ersten April (welch ironisches Spiel des Kalenders) wurden die Laternen in meinem Städtchen mit diesen bunten Bildern bestückt.

Mein Veedel ist aktuell ein echter Plakatdschungel. Alle paar Meter hängt so ein Pappding mit entsprechenden -nasen. Leider sind die meisten zwar bunt, aber gar nicht fröhlich karnevalesque, sondern erzählen düstere Visionen über die sonnige Welt, in der sie hängen.

FDP_Plakat_NRW2017_DigitaleSchuleGanz vorne beim Wahlkampfplakate-Trauerspiel ist die FDP. Da guckt z. B. Christian Lindner so desillusioniert und schockiert ins Leere, dass ihm sämtliche Farbe aus dem Motiv gerutscht ist und drunter steht: „Das Digitalste in der Schule dürfen nicht die Pausen sein.“ Bisher hörte ich immer, in Schulen gäbe es gar keine Digitalisierung. Nun las ich, während mich Christian Lindner mit seiner Depression anzustecken drohte, dass es nicht nur Digitales, sondern sogar das Digitalste in Schulen gibt. Mega! ‚Ja, dann macht doch mehr von diesen digitalsten Pausen’, dachte ich also! Die Balance zwischen Pause und Lehrstunde fand ich schon als Kind immer völlig verschoben.

 

FDP_Plakat_NRW2017_PendlerNoch trauriger war der arme Christian ein paar Meter weiter: Unterwegs im Auto, immer noch in Schwarz-Weiß und immer noch ziemlich depri. Eine Szene aus einem Hitchcock-Film. Aber statt seinem sicheren Tod entgegen, fährt der ärmste zur Arbeit. Das ist bitter. Arbeit darf ja keinen Spaß machen und auf dem Weg dahin regnet es IMMER, wie das Bild zeigt. Das ist traurig. Noch trauriger ist aber, was helfen soll: Frühaufstehen! Aus eigener Erfahrung als Frühaufsteh-Gegnerin weiß ich, dass Frühaufstehen zu mehr Konflikten als Lösungen führt. Und an solchen düsteren Tagen, wie auf dem FDP-Wahlplakat sollte man am besten ganz im Bett bleiben!

 

Gründen_Plakat_NRW2017_FreiheitGrünen_Plakat_NRW2017_Umwelt

Eine Straße weiter versuchen mich die Grünen mit fröhlich strahlenden Motiven aus dem Film Noir zu reißen, der sich in meinem Kopf abspielt. Die Aufheiterung ist nötig. Aber statt Fröhlichkeit geht mir nur durch den Kopf: Hääähh? Erstens, Zweitens… und dann? Soll das eine Kausalkette sein? Passte kein dritter Aufzählungspunkt mehr auf die Fläche? Umwelt, Freiheit, ja, … hmmm. Aha. Ja, versteh ich nicht. Aber die Farben mag ich. Ich geh dann aber mal weiter.

 

SPD_Plakat_NRW2017_HanneloreKraftSPD_Plakat_NRW2017Und da hing dann Hannelore Kraft, die sich auch nicht sicher schien, ob sie lächeln sollte oder nicht, womöglich ebenfalls von den Lindnerschen 50-Shades-of-Grey traumatisiert. Ein bisschen weiter zeigte mir die SPD dann noch einen Opa im 80er-Jahre-Jogging-Kombi und drei süße Kinder. Na immerhin! Süße Kinder und süße Tiere gehen schließlich immer und trösten meine Seele.

Diese Frühlingsgefühle zerstört leider die Linke nur wenigen Meter weiter und zwingt mich zum rotsehen.  Denn da ist nun die Rede von Kindern, die Hannelore vergessen habe. Dramatisch! Unfassbar! Wo vergessen? Wie vergessen? ‚Aber der nette, schlecht gekleidete Opi ist doch bei den Kindern’, denke ich mir und schaue nochmal zurück zum SPD-Bild. Oder ist das gar kein „lieber“ Opi, sondern schon wieder so ein Brutalo-Rentner, der die Kids womöglich an den Arsch der Welt verschleppt? Denn der wird mir von der Linken einige Meter weiter angedroht. Der Arsch der Welt ist der letzte Ort an den Menschen, die in so einem netten, angesagten Viertel wohnen, erinnert werden möchte. Irgendwo da draußen gibt es diesen Arsch und immer mal wieder hört man von Menschen die dahinziehen und dann hört man nie wieder etwas von ihnen. Der Gedanke an ein Leben am Arsch der Welt ist die städtische Wählerschaft 100mal brutaler als Kriegsbilder aus Syrien und bringt ordentlich Gewitter in mein Wohlstands-Wölkchen. Damit ist es zu viel für mich.

 

Bevor ich mich noch an den Arsch der Welt verlaufe, flüchte ich darum lieber aus dem Plakatwald, zurück ins Internet, wo mich mein Werbeblocker vor derartigen Trauer- und Horrorgeschichten beschützt und es zu Haufe süße Kinder und Tiere gibt!

Ein echter Schriftsteller mit Block statt Blog

Die Architektur der Großstadt verhindert, dass der Frühling überall durchkommt. Doch ab und an gibt es kleine Flecken, die von der Sonne trichterförmig, fast wie von einem Bühnenscheinwerfer ausgeleuchtet werden. An diesen Flecken stellen CafébesitzerInnen Stühle und Tische raus und locken so Menschen an, die sich prompt wie Erdmännchen um die Wärmespots drängen.

Neulich saß ich mit einer Freundin in einem solchen, sehr hippen kleinen Café und hielt meinen Bauch ins Licht. Doch schon nach kurzer Zeit, war ich mir doch nicht mehr so sicher, ob wir von der Sonne oder einem Bühnenlicht angestrahlt wurden.

Der Tisch neben uns war frei geblieben; ein Metalltisch hinter dem ein einzelner Holzstuhl stand. Hierhin setzte sich nun ein mitte-zwanzigjähriger Typ mit blonden, zu einem Dutt im Nacken zusammengebundenen Haaren, lässiger Kleidung aus Bio-Hanf-Baumwoll-Irgendwas aus dem die Markenlabels herausgetrennt waren. Ein Hipster in Reinform, perfekt abgestimmt auf das industriell-urbane Mobiliar. Aber das war nicht alles. Das Kind hat natürlich auch noch Requisiten dabei: Ein altes Buch, so ein richtiges altes Buch, mit Stoffeinband, aus dem die sich langsam auflösenden Seiten herausfallen; ein Buch das man wegen der alten Schriftformen kaum lesen kann, weswegen man solche Bücher als hübsche Erbstücke ins Regal stellt und nicht anfasst. Das Beige des Bucheinbandes passte natürlich perfekt zu seiner sandfarbenen Hose.

Aber er hatte noch mehr dabei: Einen karierten Collegeblock mit vielen losen, vollgeschrieben Seiten, die ihm bei einem leichten Windstoß fast davonflogen. Dann klemmte er sie unter das antike Buch, schlug eine leere Seite seines Blocks auf (ja Block, nicht Blog, verrückt, ich weiß!) und setzte seinen Kugelschreiber (offensichtlich kein Werbegeschenk, eindeutig keine Marke erkennbar) an. Neben mir saß ein zum Leben erwachter Instagram-Filter! Hashtag Schreiben, Hashtag Schriftsteller, Hashtag AchtungKunst.

Doch noch bevor er den ersten Strich machen konnte, kam das letzte Accessoire angeflogen: Ein schwarzer Kaffee, selbstverständlich. Erst jetzt war das Foto wirklich vollständig. Diese Details übersehe ich immer, ich glaube deswegen werde ich nie wirklich gut im Instagrameln.

Ich sah mich um, in der Erwartung, dass ich gleich bei irgendjemandem Eintritt für diese Vorführung zahlen sollte. Aber stattdessen näherte sich die Muse, in schwarzer, an den Knien aufgerissener Jeans und bauchfreiem Top. Die blätterte kurz nach der Begrüßung ganz offensichtlich mehr an ihm als an dem Werk in ihrer Hand interessiert in den alten Seiten herum, kicherte und warf ihre langen, schwarzen Haare zurück. Hashtag TinderInEcht. Und ich dachte mir: Dieser Schriftsteller-Look funktioniert ja krass gut!

Und weil ich mir vorgenommen habe auch mal wieder mehr als Blogposts und Emails zu schreiben, überlege ich nun, ob ich mir auch erstmal ein Schriftsteller-Styling zulegen sollte. Ein paar alte Bücher habe ich, eine Feile, um die Herstellernamen von meinen Kugelschreibern abzukriegen und eine Brille, die ich nie trage. Im Netz fand ich außerdem noch mehr als ein passendes Fashion-Tutorial zum Thema. Da uns aber Wölkchen am Himmel zum nächsten Café getrieben haben, bevor er den Stift wieder aufs Blatt setzen konnte, weiß ich nicht, ob die Show auch wirklich beim Schreiben hilft oder nur beim Frauen aufreißen.  

 

„Jede zweite Schwangere platzt…“

„… das wird nur vertuscht.“ Mit dieser aufbauenden, postfaktischen Berichterstattung ermunterte mich eine meiner liebsten Freundinnen heute. Ich glaube ihr. Man bekommt nur nichts mit von den platzenden Schwangeren mit, weil es zu Hause passiert. Denn spätestens ab der 37. Woche befindet man sich in Umständen, die auch Umstandsmode zu eng lassen werden. Das erlebe ich gerade am eigenen Bauch. Der wächst gefühlt stündlich. Derweil hadere ich, ob ich ein Baby bekomme oder eine von denen sein werde, die platzt. Beides klingt nach einer ziemlichen Sauerei. Drückt mir bitte trotzdem die Daumen, dass es Option A wird.

Auch wenn Option B stressfreier sein könnte. Denn während der letzten neun Monate habe ich Dinge gelernt, die sich wohl nie wieder aus meinem Kopf löschen lassen. So sprechen und denken Schwangere in Wochen, aber nicht in KWs, wie im Bürosprech üblich, sondern in Schwangerschaftswochen. Das seltsame daran ist, dass die 27. Woche ist eigentlich Woche 26 plus irgendwas ist. Noch verwirrender: Eine Schwangerschaft dauert 41 Wochen, was nach meiner Erinnerung an den Matheunterricht in der Schule nicht gleich neun Monate ergibt.

Aber die Regeln der Mathematik sind nicht das einzige, dass in dieser Parallelwelt anders ist. Während man Müttern vorwirft sich primär in Babysprache zu artikulieren, nutzen Schwangere eine Art Steno-Code, um zu kommunizieren; zumindest im Internet. Anfangs scrollte ich mich noch durch Foren und wunderte mich, was ein Anruf bei bei der englischen Football Association bei Schwangerschaftsübelkeit helfen sollte. Aber dann lernte ich: FA ist in diesem Universum die Abkürzung für Frauenarzt bzw. Frauenärztin.

IMG_3927Der (und nicht die Mumu) ist kein Kosename für das weibliche Geschlecht, sondern der Muttermund. (Ja, wir Frauen haben nicht nur einen Mund sondern zwei. Den „unteren“ nutzen wir zu geheimen Absprache von Maßnahmen zur Übernahme der Weltherrschaft. Und um Babys auszuspucken.) Und ET hat nichts mit telefonsüchtigen Außerirdischen zu tun, sondern meint den Entbindungstermin. Da der nun immer näher rückt, dachte ich, ich nehme euch, liebe Blogleserlein, endlich mal mit in diese seltsame Schwangeren- und Babywelt. Und sollte ich wieder weniger zum Bloggen kommen, dann wisst ihr, dass ich doch geplatzt bin.

„JägerInnen des vierlagigen Klopapiers“ – Einen weiteren Einkauf unverletzt überlebt, puuhh

Eigentlich wollte in die Headline schreiben „unbeschadet überstanden“, aber einen Schaden habe ich vom gleich beschriebenen Phänomen doch erlitten. So ehrlich muss ich mit mir selbst sein.

 

Seit ich Netflix durchgespielt habe, führt mich mein Prokrastinationsverhalten auf Youtube. Dort schaue ich mir dann nochmal Ausschnitte der Serien an, die ich zuvor visuell inhaliert habe und lasse mir erklären, welcher Dekoartikel im Hintergrund der Szene der Schlüssel zur Handlung war.

Zunehmend amüsieren mich aber auch die WIRKLICH obskuren Dinge, die mir das Portal vorschlägt. ‚Das Internet kennt mich schließlich besser als meine Familie oder meine Freunde, das wird schon wissen, was ich mag’, denke ich erwartungsvoll… und werde enttäuscht. Manchmal glaube ich, dass Internet bemüht sich nicht wirklich um mich. Das muss es aber natürlich auch nicht, weil ich, egal wie mies es drauf ist, doch immer wieder zu ihm zurückkomme. Denn das tue ich reiz- und neuigkeitssüchtiger Junkie, sogar nachdem ich HAUL-Videos kennengelernt habe.

Vor diesen sitze ich bis zu 15 Minuten und verfolge, wie eine Frau ihre Aldi- oder DM-Einkäufe in die Kamera hält. Die Sachen hat sie nicht geschenkt bekommen, sondern einfach gekauft oder wie sie glaubt, und der Terminus HAUL signalisieren soll, „erbeutete“. Wären zwischen der Wohnung der Vloggerin und dem nächsten Drogeriemarkt eine Kriegszone, ein Dschungel oder zumindest ein unüberquerbares Gewässer, könnte ich dem Begriff zustimmen. Vielleicht auch, wenn die Güter, die im Laden angeboten würden, so rar wären, dass man mit anderen EinkäuferInnen erst darum ringen müsste. In der DDR würde ich das HAULen vielleicht auch noch anerkennen, aber heute und hier? Aber wer weiß, vielleicht geht die Youtuberin auch in Kampfmontur aus dem Haus und reitet auf ihrem Streitross zum Markt. Vielleicht sind die Blasen an ihren Füßen gar nicht von ihren Pumps, sondern in Wirklichkeit Kriegsverletzungen! Dazu gibt’s leider keine Videos. Darum kann ich nur Vermutung anstellen.

 

Groteskerweise sind die HAUL-Videos so im Überfluss auf Youtube zu finden, wie der Drogeriemarkt Duftkerzen für seine Kunden bereithält.

Fröhlich erzählt die Videoprotagonistin: „Ich hab mich diesmal wieder für das vierlagige Toilettenpapier entschieden, das fand mein Mann letztes Mal so toll. Und dann habe ich noch was gegen Fußpilz geholt. Guckt mal, das hier. Das ist von Marke XY. Die Schwimmbadsaison fängt ja bald wieder an. Und am Nieren-Blasen-Tee konnte ich auch nicht einfach vorübergehen. Die Verpackung ist so hübsch! Schaut mal!“ Ich übertreibe nicht… Wer mir nicht glaubt, möge sich selbst ein solches HAUL-Video bei Youtube ansehen. Dann steht ihr nur leider vor dem selben Dilemma wie ich.

Denn noch mehr, als die Tatsache, dass sich diesen Unsinn schon eine halbe Million Menschen vor mir angesehen haben, irritiert mich, dass ICH mir das ansehe, nüchtern. Betrunken oder auf halluzinogenen Substanzen ist das ja vielleicht reizvoll. Da ich noch für eine Weile nichts dergleichen zu mir nehme, kann ich das leider nicht testen. Ich freue mich aber, sollte es eine oder einer von euch probieren. Schickt mir dann bitte den Link zu eurem HAUL-Videos-auf-Droge-gucken Beitrag.

Das Allerseltsamste an diesen HAUL-Videos sind aber nicht die Videos selbst, sondern die Langzeitfolgen und die Übertragung in die offline Realität. Da stehe ich dann nämlich selbst im DM, während mir durch den Kopf schießt: „HAULE ich gerade? Müsste ich jetzt ein Video dazu drehen? Oh, die Verpackung des Blasen-Nieren-Tees sieht wirklich ganz schick aus.“ Selbst wenn ich mein Device abgeschaltet habe, kriege ich das Internet nicht mehr aus meinem Kopf raus.

Würde für dieses Problem ein Mittel im Drogeriemarkt neben dem Fußpilzgel stehen, hätte ich auch mal etwas worüber sich das Vloggen lohnt. Bis dahin rechne ich nun bei jedem Einkauf damit, dass Horden von Youtuberinnen in Tarnkleidung und bis an die Zähne bewaffnet in den Markt einfallen, um mir die Abschminktücher aus den Fingern zu reißen. Ich bin heilfroh, dass ich es heute unverletzt da raus geschafft habe.

Ein rassistischer Rentner kämpft im Regen für ein rauchfreies Deutschland

Vorurteile gegenüber Zugewanderten stimmen meist nicht. Vorurteile gegenüber deutschen Rentnern aber schon. Das wurde mir vorgestern beim Warten auf die Bahn bewiesen, als ich miterlebte, wie ein rüstiger Opi gegen einen Raucher mit vermeintlich ausländischer Abstammung aufrüstete. Ob der arme Herr nun aus Köln oder einem fernen „Außerhalb“ (noch ferner als Düsseldorf womöglich) kam, weiß ich nicht. Wir standen ja alle nur an der Bahn und nicht an der Passkontrolle. Darum beschreibe ich ihn über das offensichtliche, er war Raucher, dunkelhaarig und trug einen schicken schwarzen Mantel. Der Rentner war weißhaarig, kleiner als der Raucher und trug eine hellgrüne, lasch hängende Jacke, die allseits als Anorak bekannt ist und seit den 90er Jahren eigentlich nicht mehr in Umlauf sein sollte.

 

Damit wären Ort und Personen des folgenden Dramas klar. Auf in die Handlung:

Es regnet. Ein grauer Freitagmorgen und Menschen warten auf die Straßenbahn. Es ist nicht sehr voll, aber die wenigen Menschen am Bahnsteig kauern mit hochgezogenen Schultern, um sich vor dem Ekelwetter abzuschirmen, unter der Überdachung. Ein Mann mit schwarzen Haaren und schwarzem Mantel stellt sich an die Seite der Haltestelle unter das Dach. Er sieht auf die Anzeige: 7 Minuten bis die Bahn kommt. Er nimmt eine Packung Zigaretten aus seiner Manteltasche und zündet sich kurz danach einen Glimmstängel an. Circa eine Minute später trifft ein weißhaariger, kleiner Mann in einem hellgrünen Anorak ein. Er stellt sich direkt neben den Raucher an den äußeren Rand der Überdachung. Nach knappen 30 Sekunden begrüßt er den Raucher mit den Worten: „Machen sie das aus!“ Der Mantelträger schaut verdutzt. „Machen sie das aus!“ Wiederholt der andere Mann und wippt dabei nicht nur mit der Stimme hoch, sondern auch leicht auf die Zehen, um den offensichtlichen Größenunterschied zu kontern.

„Aber ich stehe extra am Rand.“ Erklärt der Raucher ruhig. „Oder gehen sie woanders hin!“, keift der grüne Anorak.

„Aber ich stand zuerst hier.“ Er bleibt noch ruhig. Das macht womöglich das Nikotin, dachte ich.

„Bei uns geht das so nicht!“ Inzwischen keifte der Rentner laut genug, um die Frauen auf der Bank einen guten Meter weiter aufzuschrecken.

„Bei Ihnen? Ich wohne nicht bei Ihnen.“ Gute Antwort, finde ich. Punkt für den Raucher.

„Bei euch ist das vielleicht okay! Aber hier bei uns nicht!“ Die Zigarette ist nun ausgeraucht und damit das ruhespendende Nikotin aus dem Spiel. Langsam wird es dem Mantelträger zu doof. Der Anorak wettert weiter: „Hier geht das so nicht! Wir sind hier schließlich in Deutschland.“ „Jetzt wird’s mir langsam zu blöd!“, lässt sich der Mantel auf die Provokation ein. „Na, komm doch! Was willst du denn? So seid ihr drauf nicht wahr? Vermutlich ziehst du gleich dein Messer, oder? So läuft das doch bei euch?“ Der Anorak kommt in Fahrt. Ich stehe daneben und frage mich, ob ich mich zurückhalten könnte, wenn ich ein Messer zur Hand hätte. Der Mantel geht kopfschüttelnd und leise in seinen Kragen fluchend ein paar Schritte zur Seite. Scheinbar ist er nicht bewaffnet. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Denn das heißt, der Anorak kann weiterpöbeln und wir, die wir auf die Bahn warten, müssen es uns alle anhören. „So seid ihr drauf, jawohl! Aber hier in Deutschland gibt es Gesetze! So läuft das hier bei uns nicht.“

Dann kommt die Bahn und ich denke, das Stück ist vorüber. Ist es auch, zumindest fast. Der mit den weißen Haaren drängt sich, obwohl sonst niemand an dieser Tür einsteigt, eng neben dem schwarzhaarigen, um bloß keine Stufe nach ihm an der selben Tür in die Bahn zu kommen. Immerhin drinnen gelingt es dem Mantel sich weit vom Anorak wegzusetzen. Sein Kopfschütteln hält noch bis zur übernächsten Bahnstation an; meins noch für drei weitere…

 

Baking for Attention – ein Hilferuf

Es ist ein Fluch, der mich jedes Jahr wieder einholt, ungefähr um diese Jahreszeit. Wenn es kalt und dunkel draußen ist, drehe ich den Ofen auf und kurz darauf bin ich in der Küche gefangen. Ich leide unter einer Krankheit, die ich selbst BFA-Syndrom nenne: Baking for Attention. Meist beginnt es schleichend, am ersten oder zweiten Adventswochenende, mit ein paar Keksen. „Das macht ja jeder, das ist ja ganz normal“, rede ich mir dann selbst noch zu.

Dann kommen die Festtage, an denen Cupcakes und Kuchen gern gegessene Nachspeisen sind. „Solange keiner was merkt, gibt es auch keinen Grund zur Unruhe“, beschwichtigt das Teigknetende Ego mein Über-Ich. Das packt schon mal den Koffer guter Hoffnungen für den Weg nach unten.

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Es folgen Geburtstage von FreundInnen und spätestens hier spüre ich, wie die quickenden „Oh, wie süß! Oh, wie lecker!“-Rufe mein nach Aufmerksamkeit und Komplimenten lechzendes Ego aufgehen lassen, wie einen Hefeteig. Das wäre nicht weiter problematisch, könnte ich denn einfach aufhören. Aber eben das kann ich nicht. Tatsächlich kann ich andere Dinge ganz besonders gut, besser und schneller als andere, weil ich das eine eben nicht kann: aufhören.

Das war nicht immer so. Früher habe ich nicht gebacken. Ich glaube ich fand backen sogar doof. Als ich mit Anfang zwanzig kein Getreide mehr verdauen konnte, versuchte ich die Herstellung glutenfreien Gebäcks und scheiterte furchtbar. Aber beim ersten Zug an der Kippe, schmeckt es ja auch nicht und der erste Schluck Alkohol ist immer bitter.

Dann hatte ich es plötzlich raus. Ich erinnere mich noch an meinen ersten gelungen fluffigen Cupcake. Und was passierte dann? Ich backte weiter und weiter und weiter. Zwei Monate später hatte ich meinen Freundeskreis über Wochen mit bunten Küchlein in allen Geschmacksrichtungen versorgt und genug Rezepte für ein glutenfreies Cupcake-Backbuch zusammen.

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Dieses Jahr fühlt es sich noch schlimmer an, als je zuvor und schuld ist Instagram. Die Likes für meine Backbilder sind direkt mit dem Belohnungszentrum in meinem Gehirn gekoppelt. Das verstärkt das BFA enorm. Außerdem hatte ich mich bisher immer an die lockeren, gesellschaftsfähigen Stoffe gehalten: Cupcakes, Kuchen, Kekse. Doch gestern kam dann das krasse Zeug aus meinem Ofen: Zitronen-Baiser-Tartelette. Heute backte ich schon glutenfreien Hefeteig. Ich hege die begründete Befürchtung, dass es nur ein ganz kleiner Schritt zu Soufflé oder gar Croquembouche ist.

Das muss aufhören. Aber ich weiß noch nicht wie. Mein innerer Therapeut argumentiert, ich solle mir einen Ersatz für das Backen suchen, vielleicht MDMA oder Heroin. Aber vermutlich lande ich auch dann wieder in der Küche, weil es für glutenfreies Ecstasy auf Instagram bestimmt noch mehr Likes gibt. Ich brauche ein besseres Rezept für meinen Entzug, aber weder Chefkoch noch Pinterest sind was das angeht besonders inspirierend. Was mach ich nur? Kennt jemand von euch, lieben Leserinnen und Lesern, eine geheime Zutat, die mir helfen könnte? Ich hätte gerade glutenfreie Mohnschnecken im Tausch anzubieten.

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Kein Höschen unterm Handtuch…

…. aka wohin nur mit meinem deutschen Schamgefühl in Europa?

 

Wir sind in den Flitterwochen, in einem Romantik-Hotel in den Bergen. Auch wenn der Schriftsteller Frank McCourt über alles, was mit Romantik und Sex zu tun hatte, als „Aufregung“ schrieb, bedeutet Romantik hier Wellness aka Entspannung. Der Ire McCourt lebte ja auch in prä-workaholicschen Zeiten.

 

Und weil ich Stress und Aufregung so gewohnt bin, fällt mir das Abschalten nicht leicht. Möglicherweise liegt das am schlechtem Handyempfang in den Bergen, der schon Urmensch Ötzi dazu brachte sich zwischen den Felsen zu verlaufen und dort tiefgefühlt zu werden.

 

Wir sind ganz nahe beim ältesten Promi der Welt, in Italien. Das heißt hier allerdings nicht Italien, sondern Tirol und statt Pizza und Pasta gibt es Speck und Würstchen. Dieses ganze Fett schwitzen mein Mann (ich gewöhne mich noch an den Begriff) und ich zusammen mit Italienern (echten Italienern, keinen Tirolern) und Franzosen in der Wellness-Oase des Hotels wieder aus.

 

Auch nach 23 Jahren in der EU bin ich nicht sicher, wie europäisch ich wirklich bin. Denn Folgendes versetzte mich in Aufregung und Sorge:

Ich lies die Badeschlappen von meinen Füssen gleiten und hing meinen Bademantel mit eingesticktem Hotellogo neben die anderen Bademäntel mit eingesticktem Hotellogi. Das Handtuch an meinen Bauch gepresst, drückte ich die Glastür zur Alpensauna auf und erkannte, den ersten Fuß schon durch die Tür, im Dunkeln der Saunabänke, neonfarbene Badeshorts und einen pinken Bikini. Ordentlich in Badebekleidung eingepackt, musterten mich die Franzosen kurz, während ich das Handtuch, meine letzte Hülle, auf der Bank ausbreitete und mich nackig drauflegte.

Viel schlimmer als nackt zu sein, ist es sich nackt zu fühlen. Das weiß jeder, der schon mal träumte ohne Hose aus dem Haus zu gehen oder dies (schlaf-)trunken wirklich erlebte. Ich fühlte mich nackt und noch dazu unkultiviert und irgendwie deutsch; wie jemand, der Käse nicht als Nachspeise schätzt und Wörter mit hörbarem H ausspricht.

Kaum hatte ich mich mit meinem Unwohlsein abgefunden, betrat ein Italienisches Paar die Sauna. Sie ganz in das Handtuch gewickelt, er mit Handtuch um die Hüften. „Keine Bikini-Träger und kein Hosenbund! Ha!“, dachte ich, „damit sind wir Nackten in der Mehrheit und wer in der Mehrheit ist, ist vielleicht immer noch kulturlos und nackt, aber dafür in der Mehrheit!“ Doch statt die Wickelungen der Handtücher zu lösen, legten sich die beiden so verpackt und damit nur halbnackt auf die Holzbänke, wie die Models in den Hotelkatalogen.

Sein Oberkörper und seine Waden und ihre Beine und Schulten, sowie beide Köpfe lagen nun Haut und Haar auf Holz. „Das geht doch nicht! Dann diffundiert der ausgekochte Speck doch direkt in die Bank und nicht erst ins Handtuch!“, empörte sich die deutsche Stimme in meinem Unterbewusstsein.

Wieder fühlte ich mich in der Minderheit, aber dafür im Recht. Das war immerhin etwas und so versuchte ich mich doch noch am Entspannen, schloss meine Augen und ließ meinen Kopf zur Seite fallen. Ein Rascheln brachte mich zum Blinzeln und da ereignete sich die Obszönität. Mein Blick ging direkt zwischen die angewinkelten Beine der eingewickelten Italienerin. Die war zwar oberflächlich ordentlich in ihr Bandeau-Handtuch-Kleid gepresst, aber darunter dann eben doch ohne Höschen.

Der Anblick eines Genitals über das man selbst verfügt, sollte eigentlich nicht für besonders viel Aufsehen sorgen und in einer Sauna sowieso nicht, würden sich denn alle an die selben Regeln halten und einfach nackt sein. So war ich nackt, die Franzosen angezogen und die Italienerin spielte Sharon Stone in Basic Instinct, was wiederum dazu führte, dass ich meinen Kopf beschämt wegdrehte. Und das ist vermutlich noch viel, viel deutscher als nackt in die Sauna zu gehen.

 

Hergestellt wurde mein Wellnesswohlsein erst, als ich später von einer Liege aus beobachtete, wie die Italinerin in ihrem Frottekleid ins Dampfbad stieg und ich meinen Nacken durch sanftes Kopfschütteln entspannte.

Hiergeblieben statt weggerannt

Ich habe geheiratet. Vermutlich kann man das gar nicht so sagen, weil eine Hochzeit ja immer ein wir impliziert. Aber ich bin die, die jetzt einen neuen Namen hat und all ihre Dokumente ändern lassen muss. Damit fühlt sich die Ehe erst einmal an, wie die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm. Und so wie ich in den letzten Monaten digital untergetaucht bin, wäre mir das sogar ein bisschen recht gewesen.

 

2016 habe ich kaum gebloggt. Das lag zum einen daran, dass Dinge passiert sind, die ich verdrängen wollte und über die ich darum hier nicht schrieb. Solange es nicht im Internet steht, ist es schließlich nicht wahr, oder? So sagt man doch.

 

Zum anderen haben sich Persönchen unter meine Blogleserschaft geschlichen, mit denen ich weder hier noch anderswo kommunizieren will. Es ist der Typ Mensch, der einem früher mal mit Gehhilfe und grauem Haar an der Ampel begegnet ist und das Leben mit Hinweisen wie „Der Rock ist aber viel zu kurz, junge Dame,“ bereicherte. Darauf wollte ich dann antworten: „Ja, in ihrem Alter würde ich sowas auch nicht mehr tragen!“ Aber dann bekämen die Herrschaften womöglich einen Herzinfarkt und ich müsste Gutmensch, die ich bin, warten bis der Krankenwagen eintrifft. Ich vermied die unerwünschte Gesellschaft lieber durch flottes Weiterlaufen.

 

Und ganz ähnlich habe ich in den letzten Monaten darüber nachgedacht auch hier weiterzuwandern, zu einem neuen Blog, mit einem neuen Namen, in ein virtuelles Zeugenschutzprogramm. Aber jetzt merke ich, wie fast unmöglich es schon ist, allein eine neue Gmail-Adresse ohne die Verwendung von mindestens 5 Sonderzeichen einzurichten. Darum bleibt immerabgelenkt mein Zuhause, meine Röcke kurz und meine Blogposts manchmal zu lang. Aber einen Rat habe ich für die unlieben LeserInnen: Wenn euch nicht gefällt, was ihr hier lest oder in meinen Büchern steht, dann lauft doch weiter. Ist egal, ob die Ampel noch rot ist.“

 

Pokémon Go Go Go! Dass ich nochmal einen Ballsport gut finde, damit hat wirklich niemand rechnen können

Es ist doch genauso, wie mit dem Wein. Verkatert verkünde ich: „Jetzt trinke ich mal nix für eine Weile.“ Und wenig später ist die Weile abgelaufen und das nix nur noch ein laues „nicht so viel“. Mit dem Weintrinken klappt das sogar ganz gut zurzeit. Denn Trunkenheit stört meine Konzentration und die brauche ich ganz dringend, um Pokémons hinterher zu rennen. Jajajajajajaja, letzten schrieb und schrie ich noch: Ich will keine neuen Apps und dann naja, … ach, ich hab es doch oben erklärt. Wer nun nichts dazu hören möchte, kann sich gerne wieder den realen, gekühlt und gekelterten Dingen zuwenden. Ich jage Monstern und irgendwie auch meiner Kindheit und der besseren Zeit, die mir damit versprochen wird, hinterher.

Denn Nintendo gehört zu den Erinnerungen an mein frühes ich. Ich mochte meinen Gameboy lieber als die Jungs in meiner Stufe und wollte so gerne wie Super Mario sein, der einfach über alles Schlechte in der Welt hinweghüpft. Zelda lies mich ganz in den winzigen grün-schwarzen Bildschirm abtauchen. Doch kaum waren die ersten Flegmons und Pummeluffs gefangen, entwuchs ich dem Spielalter und verlief mich zwischen Partys und Bars.

Das kann ich jetzt multitaskend mit dem Pokémonspielen verbinden ! Nun muss ich, wenn ich wartend vor dem Restaurant stehe, nicht verlegen auf mein Display schauen, sondern kann mich mit meinen allseits präsenten quasi-unsichtbaren Freunden vergnügen. Ein bisschen eigenartig ist das schon, Dinge zu sehen, die andere nicht sehen.  Zugegeben, für einen pseudo-halluzinogen Trip ist das Einfangen von kleinen Monstern dann auch doch eher lahm.

Doch ich mag die Sprache, die mit Pokémon Go in meinen Alltag einzieht. „Sorry, ich musste gerade noch ein Ei auszubrüten“, entschuldigt sich die zu spät kommende Freundin, als sei sie ein Huhn, aber nicht irgendeins, sondern ein pflichtbewusstes. Twitterer Herr B. aka @legereaude fasste laut Twitterperlen (das echte Zitat, finde ich auf seinen Seiten leider nicht mehr) den Zeitgeist so zusammen:

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Ein bisschen recht hat er ja. Auf einmal will keiner mehr einfach rumsitzen und sich angesichts des Weltschmerzes betrinken. Das finde ich persönlich sehr schade. Stattdessen brechen wir auf zu stundenlangen, kilometerweiten Expeditionen, um Wesen zu jagen, die es gar nicht gibt. Wir tun so als wären die Monster, von denen uns unsere Eltern sagten, die seien bestimmt und ganz sicher nicht unter unseren Betten, nun doch real und wir freuen uns auch noch darüber. Vielleicht stolpern wir bei der Jagd ja irgendwann auch noch über die echten Monster, die unsere echte Welt gerade heimsuchen. Es wär ganz wunderbar, wenn man z.B. ein Trumpi dann auch einfach in einen weiß-roten Ball sperren könnte.

Mund voll und Speicher frei

Manchmal wünsche ich mir die Handys der 90er zurück. Nicht diese kleinen Klappdinger der 00er Jahre, sondern richtige Telefonhörer von Waschmaschinenherstellern wie Bosch und Siemens. Handys, deren Mainfeature die Antenne war, die man oben herauszieht und bei denen die Ohrmuscheln noch am Ohr und das Mikro noch am Mund anlagen. Diese Dinger, die in Deutschland Handy hießen und sonst nirgendwo.

Dieser Wunsch lässt, wie die meisten meiner Wünsche, außer Acht, dass ich gar nicht mehr in der Lage wäre so etwas zu bedienen. Fast täglich scheitere ich beim Umstellen von Ipad auf Kindle an der Nicht-Touch-Bedienung von letzterem. Denn mein Kindle ist noch Generation A und inzwischen so verschrobelt, verbeult und zerkratzt, wie es sich für alte Bücher gehört. Damit wird dann auch das neuste eBook wieder antik und darauf bin ich nicht nur ein bisschen stolz.

Das neue alte Handy dürfte also schon zum antouchen sein, nix wiegen und hübsch aussehen. Aber darüber hinaus, will ich einfach keine Apps mehr. Es reicht. Ich bin zu alt für diesen Scheiß und ich komme nicht mehr mit. Kaum hatte ich endlich Instagram, war Snapchat viel angesagter und nun soll Musical.ly total hipp sein, auch wenn hipp sein längst weder cool noch angesagt ist. Alles Dienste, mit denen man sich inhaltslose Inhalte schicken kann, schöne Bilder, schöne Videos und schöne Töne von und für schöne Körper, schöne Katzen und schöne Stimmen. Die ganze Welt verkommt zum Showbiz! Und ich kann gar nicht so viel kotzen, wie ich liken soll.

Und noch schlimmer ist der Zwang zur aktiven Partizipation. Mit Mühe habe ich ein paar Fotos auf Instagram abgelegt, wie Sperrmüll auf dem Gehweg. Ich brauch das nicht mehr, aber vielleicht findet ja jemand anderes etwas Schönes oder Verwertbares dazwischen. Doch schon bei Snapchat entfährt meiner Kehle bei jedem Öffnen nur ein Warnlaut, ein Quieken, weil ich auf dem Display erscheine, sobald ich die App nur öffne. Wie es Menschen schaffen attraktiv im Internet auszusehen ist mir noch immer ein Rätsel, bei dessen Lösung auch keine Schmink- Videos helfen. Und jetzt schicken sich digitale Freunde eigene Musikvideos zu. Wie alles auf dem Smartphone ist das lustig, für drei Minuten.

Das nächste Smartphone, das ich mir anschaffen werde, wird darum eines aus Schokolade sein. Das ist doch endlich mal ein echter Mehrwert. Apps mit denen ich mit niemand anderem kommunizieren muss, ein Handy mit dem ich nichts empfangen oder verschicken kann. Ein Handy, das nicht mal zum Telefonieren geht, weil ganz ehrlich, das macht doch heute auch keiner mehr. Gramm und Kalorien waren immer schon die härtere Währung, im Vergleich zu luftigen Likes und Herzchen. Und mit vollem Mund kann er auch keiner schief ins Handy singen.

 

Liebster, ach nö

Holy Shit, es ist schon wieder passiert. Dann und wann lande ich auf Listen. Es sind leider nie die der Nobelpreise oder Oscars. Zu meiner großen Überraschung aber auch keine Todeslisten. Mein eigenes Verhalten selbstreflektiv betrachtend, würde letzteres bei mir weniger Erstaunen hervorrufen als die Ankündigung, man wolle mir einen Preis überreichen.

Wie in ziemlich allem in meinem Leben, von Hüfthosen bis zu Trendfrisuren, sehe ich auch im Konzept des „Awards“ nur eine weitere Form der Demütigung. Das gilt insbesondere für Blogger-Awards und die Aufrufe dazu. Nun merkte ich, dass ich für einen „Liebster-Award“ nominiert wurde. Mit diesem Schicksal bin ich nicht allein. Einer der anderen Auserwählten schreibt „Das ist wie ein Kettenbrief. Nur in gut.“ Du irrst! Der Kettenbrief steht ganz klar auf der dunklen Seite! Es gibt keine guten Kettenbriefe, wie es keine guten veganen Speisen und keinen guten Donald Trump gibt!

Weiterhin steht Terence Horn mit mir auf dieser Liste, die vielleicht doch eigentlich für die Hände der Mafia statt für’s Internet bestimmt war. Er schweigt sich aus über die Nominierung. Egoistische Tunnelblick-Attitüden sind mir immer sympathisch. Wären wir nicht beide zu antisozial dafür, wäre es sicher nett sich mit ihm über die Welt als Ganzes und im Detail auszukotzen.

Während ich merke, dass ich auch gegen die übrigen „Nominees“ blass aussehe, stelle ich fest, dass ich sowieso disqualifiziert bin. Halleluja! Gottseidank! Als Regel für die Nominierung gilt, dass nur Blogger mit weniger als 300 Followern teilnehmen dürfen. Ach, wie schade. Ups. Naja, ich winke dann weiter aus der Ferne. Und danke Euch lieben Leserinnen und Lesern, die ich mich davor bewahrt habt, mich einem Akt der zügellosen Selbstoffenbarung hinzugeben, um einen Button zu gewinnen, der optisch nicht zu meinem Blogdesign passt! 😉

 

Naturtalentlos

Die Zeit des Jahres, die selbst die blassesten Stubenhocker raus lockt, ist gekommen. Laut Wetterbericht sollen Temperaturen, Stimmung und fehlgeleitete Ambitionen, zusammen mit den dafür angeschafften Sportgeräten, schon zum Wochenende wieder im Keller versinken.

Für mich ist dies regelmäßig die Zeit im Jahr, in der ich mir einbilde zur Tierhaltung geeignet zu sein. Wenn schon um 6 Uhr die Sonne in mein Fenster scheint und abends die Hitze des Tages vom Asphalt auf meine leichtbekleideten Schultern abstrahlt, keimt in mir die Selbstlüge: „Ich wäre eine super Hundehalterin! Wenn ich jetzt einen Hund hätte, könnte ich noch mehr draußen sein! Draußen sein, finde ich ja soooo toll!“ Dann blende ich sogar die Kotbeutelspender aus, die meinen Weg flankieren und mir schon mehrfach so sehr an den Appetit gingen, dass ich meinen Kaffeebecher halbgeleert wegwarf. Als Stadtbewohnerin habe ich aber eigentlich völlig falsche Vorstellung von Natur. Zu meinen liebsten Outdoor-Aktivitäten zählen: Weinschorle im Biergarten schlürfen und meinen Hintern im Außenbereich eines überteuerten Spas auf einer gepolsterten Liege in die Sonne halten.

Meine bessere Hälfte ist von der Heimtieranschaffung ebenfalls nicht zu überzeugen. Er kennt mich besser, als ich mir einrede zu sein und musste erleben, wie selbst die resistentesten Blumen vor meinen Augen vertrockneten, weil meine Begeisterung noch kürzer währt als der deutsche Sommer.

„Du könntest selbst Plastikblumen dazu bringen zu verwelken!“ hat er mir vorgeworfen, woraufhin ich antwortete: „Und das ohne einen Finger zu rühren. Einfach so! Ich bin ein Naturtalent.“

Während er noch den Kopf schüttelt, scrolle ich mich schon wieder durch die Seiten der hiesigen Tierheime und lese Partneranzeigen aus Hunde-Katzen- und Meerschweinchen-Perspektive von armen Lebewesen, die nach Schokoriegeln oder Limonadenmarken benannt wurden. Dann ist da z.B. Katze Blackberry, deren Schicksal ebenso kümmerlich verlief, wie das der Handymarke. Hund Nike beendet jeden zweiten Satz mit einem Smiley. Ironischerweise trägt eine sogenannte „Rassenfälschung“ aus Osteuropa den Namen einer spanischen Modekette, die Laufstegkleidung dank außereuropäischer Produktionsorte günstig nachschneidern lässt.

Dies und die von menschlichen Ghost-Writern verfassten Pseudo-Autobiografien lassen mich merken, dass diese armen Tiere bereits zu viel Leid erfahren mussten und müssen, als dass man sie noch mit mir als Frauchen strafen sollte.  So schlendere ich wohl auch in diesem Jahr lieber nur mit einer Kugel Eis durch die Parks von Köln.

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Nicht mein Hund, aber die übliche Reaktion, wenn ich mich Tieren nähere: Sie stellen sich sofort tot. Blumen tun dies übrigens auch. Nur Tauben laufen munter weiter auf mich zu, während meine Bremse blockiert…

Grippe, Erkältung oder Anzeichen von Aussterben?

Wenn man alle Motivationszitate der digitalen Welt zu ihrer Essenz runterkocht, kommt man auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: „Wer atmet ist ein Held“. An diesem zugegeben äußerst niedrigen Maßstab gemessen, bin leider im Moment alles andere als heldinnenhaft. Denn ich habe die gefühlt schlimmste Grippe seit dem Sieg der westlichen Welt über die Tuberkulose. Das ist selbstverständlich völlig übertrieben, aber wenn man Google fragt, worauf furchtbare Müdigkeit, Fieber, Kopfschmerzen, Husten und verschlossene Atemwege hinweisen könnten, zieht die Suchmaschine schleimige, grüne Informationsklümpchen durch sein eigenes Nadelöhr und hustet der Suchenden Ergebnisse auf die Brust, die Waldsterben und Klimawandel wie einen Pups erscheinen lassen.

Und da ist das Problem mit dem Internet. Es ist alles immer gleich ganz furchtbar. Das Internet möchte immer beweisen, dass es eine noch viel überraschendere, spannendere und erstaunlichere Möglichkeit gibt, einen Sachverhalt zu betrachten. Von Heile Welt auf What the Fuck schießt mich das Netz in weniger als 3 Sekunden. Doch wie in Star Wars, gibt es nicht nur eine dunkle Seite, sondern Gott sei Dank auch Dinosaurier im Internet! Das ist gut. Denn das ist meine Medizin. Schon als Kind habe ich mir krank zu Hause liegend, immer wieder Jurassic Park reingezogen und mir von meinen Eltern Dino-Figuren schenken lassen. Im Nachhinein finde ich es etwas paradox, sich während man krank ist mit einer Art zu befassen, die gänzlich ausgestorben ist. Vielleicht war das aber auch gerade mein Trost.

 

Und so bin ich begeistert und würde laut lachen, wenn ich dafür genug Luft, durch meine entzündeten Stimmbänder pressen könnte. Denn das Internet schenkt mir meine Medizin: „TrexTuesday“! Ein paar Jungs in T-Rex-Kostümen filmen sich jeden Dienstag bei Dingen, die Menschen so tun; nicht Menschen wie ich, denn ich kann kein Parcour und bin viel zu erkältet um Eislaufen zu gehen oder durch die Welt zu rennen…

Gute Besserung liebe Dinos, vielleicht klappt das mit der Evolution ja doch nochmal.

Feuer legen, während ich vor verschlossenen Türen warte

Advent, Advent…endlich ist es wieder Zeit Schokoladenmännern die Köpfe abzubeißen! Und eine Kerze anzuzünden. Aber Raum und Zeit sind durcheinandergekommen, mal wieder… seit einer Weile vermute ich, dass das Universum in Altersteilzeit ist und die Hälfte seiner Aufgaben Alzheimerbedingt vergisst oder aufschiebt. Nach 14 Mrd. Jahren kann es schon mal passieren, dass so ein Fehler unterläuft, wie der heutige: Es ist der erste Advent, aber noch nicht der erste Dezember und darum darf ich kein Türchen an meinem Adventskalender öffnen. Das fühlt sich nicht richtig an!

Die Herde von Newslettern, die ich abonnierte habe, um 5 Euro Gutscheincodes zu bekommen, die ich dann doch nie einlöste, versucht die letzten zwei Novembertage zu nutzen, um mir noch einen Adventskalender aufzuschwatzen; in digitaler Form oder zum Bestellen und zu Hause Rumstehen haben. Der Adventskalender hat das Regal „Süßes und Schokolade“ im globalen Kaufhaus lange hinter sich gelassen und ist in sämtliche weitere Konsumwelten und –gruppen gewuchert. Das Füllhorn von Adventskalenderoptionen kommt mit mehr Fragen als Türchen. Was mich bei einem sexy Adventskalender eher abturnen wird, kann ich mir noch zusammenphantasieren. Aber sitzt hinter jeder Tür des „Rentner-Adventskalenders“ eine alte Frau oder ein alter Mann, der mich anpöbelt, ich solle runter vom Rasen und einen Fahrradhelm aufsetzen? Und der DDR-Adventskalender spielt eindeutig mit meinem Vertrauen. Ich erwarte maximal nur hinter jedem vierten Türchen eine Überraschung…. und die soll ich dann vermutlich noch mit meinen GenossInnen teilen. Da würde ich dann doch den Kalender mit der süßen Katze vorziehen, wäre da nicht Katzenfutter drin. Liebe Katzenfutter-Adventskalender Hersteller, ihr seid TEUFEL! Einem Lebewesen ohne Daumen einen Adventskalender vor die Nase zu stellen ist in etwas so, wie den ersten Advent vor dem ersten Dezember stattfinden zu lassen!

Während ich nun also den halben Sonntagmorgen damit verbracht habe zum Adventskalender zu pilgern, um dann doch kein Türchen zu öffnen und die andere Hälfte des Morgens zum Kühlschrank, um das Türchen zu öffnen und zu merken, dass nichts dahinter auf mich wartet (ich glaube mein Kühlschrank ist der DDR-Adventskalender) interessiert Ihr Euch, liebe Leserinnen und Leser, nur für die Fortschritte meines angekündigten Hamsterimperiums. Und darum mache ich einen Hamster-Adventskalender und verbinde damit alles Gute der Welt mit dem offensichtlich puren Bösen. Vielleicht bringt das das Universum wieder ins Equilibrium. Dienstag geht’s los!

Warum man Babys Logos statt Namen geben sollte

Eine Welle von Emmas überflutet die Welt, behauptet eine Babynamen-Beliebtheitsskala. Ich bin mir nicht sicher, ob man eine Beliebtheitsskala als Statistik werten kann und sollte, aber alle anderen machen das auch. Es ist also, wenn auch falsch und dumm, so doch zumindest üblich und damit auf einem Level mit Textnachrichten nach ein Uhr nachts. Und auch subjektiv sind Emmas überall. Probiert es aus. Geht auf einen Spielplatz und ruft Emma und mindestens die Hälfte der Mütter wird sich umdrehen und nur wenige der Kinder, weil Kinder nicht auf ihren Namen hören, wenn sie gerade die Hände im Matsch haben oder dem kleinen Leon die Schippe in die Rippen rammen.

 

Während das Wunder des neuen Lebens mit Jubel und Begeisterung willkommen wird, brechen um Babybenennungen Dramen aus. Das geht so weit, dass über angekündigte Neuerdenbürger völlig ohne Namen gesprochen wird, bis zum ersten Tritt außerhalb des Uterus. Das ist nicht nur in meinem Freundeskreis so. Allgemein gibt es die Übereinkunft, dass das Verraten des Babynamens vor der Geburt Pech bringt. Ein Brauch, der vermutlich noch aus dem Mittelalter kommt, als Hexen Ungeborene Prinzessinnen und Prinzen verhext haben. Der Fluch funktioniert natürlich überhaupt nicht ohne den Vornamen, weil Dämonen und Teufel mit Adressen, Nachnamen und Familienzuweisungen nichts auffangen können… . Wenn es um Aberglauben geht, halte ich fest am Glauben, dass es Unglück bringt Montags das Bett zu verlassen. Und die These kann ich sogar beweisen!

 

Wie ich nun lernen musste gibt es auch zeitgenössischere Gründe, warum ein Babyname bis zum letzten geheim gehalten wird: Urheberechtsansprüche. Offensichtlich sind Babynamen Einweg-Produkte, wie Kondome und es wird als unhygienisch angesehen, einen pro Freundeskreis mehr als einmal zu verwenden. Beanspruchen kann man einen Namen aber nur, wenn man eineN lebenden Namensträger oder eine Namensträgerin vorweisen kann. Reservieren geht offenbar nicht. Es ist mehr so First Come First Buy und auch wenn man den Namen zuerst entdeckt hat, kann er einem doch noch kurz vor der Kasse weggeschnappt werden.

 

Es ist ein verrücktes Spiel. Ich erwarte ich nächster Zeit kein Kind, aber ich bin ehrgeizig, sehr ehrgeizig! Und habe ich folgenden Plan: Ich werde mir zwei Hamster kaufen, einen männlichen und einen weiblichen und diesen Hamstern die Lieblinsbabynamen meiner Freunde geben. Hamster können durchschnittliche alle drei Monate sechs bis zwölf Babys zu Welt bringen, das macht zwei hoch zehn mal drei Monate mal 10 hoch 10 mal…. Rechnet nach, aber innerhalb von 2-3 Jahren sollte ich die Top-100 der Babynamen damit gesaved haben. Da wir hier von exponentiellen Hamsterwachstum sprechen, habe ich damit genug Zeit mir noch mindestens eine Dekade zu überlegen, ob ich überhaupt Kinder will. Aber darum geht’s ja nicht. Es geht um’s Gewinnen! Und damit gewinne ich absolut. Hamster, bringt mir meine Siegestrophäe!

 

 

Wo bitte geht’s denn hier nach Einschicken?

„Ohne Tragödien keine Kunst“, so oder so ähnlich hat Onkelmaike mein Schreibblockaden-Gejammer gekontert. Und es stimmt. Die wirklich großen AutorInnen litten alle. Sylvia Plath hat mehr als einmal versucht sich das Leben zu nehmen und war schließlich erfolgreich. Fyodor Dostovyesky saß im Exil in Sibirien fest und litt an Epilepsie. Aldous Huxley erkrankte schon im Teenageralter an einer Hornhautentzündung im Auge und war fortan für den Rest seines Lebens so gut wie blind… und die Liste lässt sich weiter vertikal und horizontal durch mein Bücherregal schreiben: Virginia Woolf, David Foster Wallace, Anne Rice,… irgendeinen unerträglichen Schmerz trugen sie alle mit sich herum.

Mir ist bewusst, dass meine aktuelle Misere sich daran nicht messen kann, dennoch möchte ich schreien, weinen, toben und auch eine tröstende heiße Schokolade MIT Sahne würde ich nicht sofort ablehnen, und Schokolade und glutenfreie Kekse und ja auch Eis wäre jetzt ja wohl das MINDESTE!!!

Denn ich komme aus dem Apple-Store, wo man mir, ganz ohne Vorwarnung und ohne Eis oder Lolli mitteilte, man müsse meine Extension of me (meinen NEUEN, noch keinen Monat alten) Computer einschicken.

Das wäre normalerweise keine Tragödie. Technische Geräte gehen kaputt, werden repariert oder ersetzt. Aber Apple zielt ganz bewusst darauf ab eine emotionale Bindung aufzubauen, mit optischer Attraktivität, freundlicher Funktionalität und diesen putzigen Geräuschen, mit denen uns die Produkte zum Kichern bringen. Und weil das alles so persönlich ist, bin ich jetzt auch persönlich enttäuscht davon, dass mein Touch-Pad nicht funktioniert! Und Siri steht auch nur da und schlägt mir vor mir einen Termin für 14 Uhr zu erstellen oder mir auf der Karte zu zeigen, wie ich nach Hause komme.

Viel mehr würde mich interessieren, wo dieses „Einschicken“ ist, von dem so oft in Verbindung mit Technik die Rede ist. Denn folgendermaßen vollzog sich meine  Pilgerfahrt in den Kölner Apple-Tempel:

Ich: *Schnief, hmm, Schnief…muhuhuhuhuhhhhuuuuuuu….!*

Apple-Mitarbeiter im Look als sei er gerade dem Spiel Die Sims entsprungen, in grauem Polo-Shirt, IPad in der Hand und NULL Empathie für meine Lage: „Wie kann ich ihnen helfen?“

Ich (hole darauf meinen Mac aus der Tasche und stelle ihn auf den Tisch vor uns, um zu zeigen, was passiert ist und bekomme davon vom Menschen, den ich für einen Profi hielt, einen Blick, den ich vom Arzt kenne. Der Blick, der dir sagt: ‚Ich hatte nicht darum gebeten, dass sie sich frei machen. Ziehen sie sich wieder an. Ich kann ihre Sehstärke auch so messen.’) und erzähle: „Ich kann nicht mehr klicken. Er ist heute morgen aufgewacht und ich konnte nicht mehr klicken. Gestern Abend war noch alles gut. Ist er nur beleidigt, weil er nicht mit im Bett schlafen durfte oder hat er sich in der Nacht auf meinem Schreibtisch erkältet? Bitten sagen Sie, dass es nur eine Erkältung ist?! Ab jetzt drehe ich auch IMMER die Heizung für ihn hoch und bringe ihm noch einen Tee vor dem Schlafengehen und erzähle ihm eine Gute-Nacht-Geschichte! Ich lerne stricken und stricke ihm eine eigene Decke! Er bekommt sein eigenes Zimmer, einen Hund, einen Butler! Was immer es sein muss!!! Aber er soll wieder heile sein!!!!“

Unbeteiligter Apple-Angestellter, der sich schon hoffnungsvollen nach anderen Kunden umsieht: „Wir haben keinen Techniker im Haus, erst in 4 Stunden kann ich ihnen einen Termin anbieten. Dann können wir hier aber auch nichts machen, sondern der muss eingeschickt werden.“

Ich bin noch enttäuschter, weil ich gerade erfahren habe, dass ich die Sprechstundenhilfe für die Ärztin hielt und ich nicht bereit bin 4 Stunden darauf zu warten, dass sich jemand, der auch nichts machen kann, meines Klick-Problems annimmt. Es geht hier schließlich nur um eine Maschine und nicht um das Leben eines Kindes: „Habe ich Alternativen? Geht es vielleicht morgen einfach wieder?“

Die „Geht’s vielleicht von alleine Weg“- Lösung funktioniert leider nur bei Pickeln, nicht bei Computern und auch nur sehr selten bei unerwünschten Personen. Letzteres war ich für mein Gegenüber und um mich loszuwerden, wiederholte er die magische Formel, die bisher alle Kunden vertrieben hatte: „Muss eingeschickt werden.“

Ich: „Und wohin?“

Er: „Wohin?“

Ich: „Ja, wohin? Es heißt immer, dass alles eingeschickt werden muss. Aber wohin werden die ganzen Sachen denn geschickt? Und wieso ist nie einer dieser Ort in der Nähe, so dass man auch einfach hingehen könnte?“

Sprachlosigkeit im grauen Polo-Shirt starrte mir entgegen. … Ich fürchte über meine Frage, kommt er lange Zeit nicht hinweg. Vielleicht hätte ich ihm eine heiße Schokolade, Kekse oder ein Eis kaufen sollen. Doch ich hatte keine Zeit, ich muss rausfinden, wo dieses „Einschicken“ ist und habe den Verdacht, dass ich auf meiner Reise dorthin dem Weihnachtsmann, dem Yeti und Loch Ness begegnen werde…

Schmackhafte Rezepte zur Zubereitung von Schweinehund gesucht

Ihr habt es gemerkt. Sehr wahrscheinlich indem Ihr Eure Handflächen wie Benedict Cumberbatch in seiner Rolle als Sherlock unter dem Kinn aneinandergepresst habt und für eine Weile in die Luft, aus dem Fenster oder die von schleichender Alopezie heimgesuchte obere Gesichtshälfte eines unbekannten Gegenübers in der U-Bahn starrtet. Dann habt ihr eins und eins zusammengezählt und Handy oder Tablet weggelegt und wusstet, dass es nur einen Grund dafür geben kann, dass die immerabgelenkt so lange nichts mehr gebloggt hat.

Nach dem letzten Buch wollte ich mit dem weitermachen, was ich immer mache: Weitermachen.

Als ich mir vor zwei Jahren beim Snowboarden den Arm verrenkt habe, saß ich mit zur Unbeweglichkeit festgetapter Schulter zwei Tage, nachdem mich der Rettungsdienst im Schlitten vom Gipfel transportiert hat, wieder im Lift nach oben. Das berühmte Hybridtier namens Schweinehund habe ich schon vor Jahren dazu abgerichtet sich selbst zu schlachten, in Portiönchen zu verpacken und bewahre es seitdem in kleinen Portionen im Tiefkühler auf. Wenn es sonntags ganz still in meiner Nachbarschaft ist und nicht alle 10 Minuten eine Bahn vorbeifährt, mache ich mich in meiner Wohnung bereit für die Zombie Apokalypse. Nicht, weil ich der Ruhe nicht traue. Ich finde Ruhe super, solange Ruhe mir Raum zum Reden gibt, während andere die Klappe halten. Wenn Ruhe aber bedeutet, dass ich auch nicht weiß, was ich sagen soll, dann wird mir ganz schwindelig.

Und genau das quält mich gerade. Das schreiben funktioniert gerade nicht so einfach, wie bisher. In den letzten Jahren hatte ich mehr Gedanken gleichzeitig in meinem Kopf, als zehn Finger in der Zeit zwischen Aufwachen und bewusstlos ins Bett fallen, in eine Tastatur hauen konnten. Nach Fertigstellung meiner Bücher war da immer noch mehr, dass ich hineinpacken wollte. Das auf Unendlichkeit angelegte Blogschreiben kam diesem Reflex entgegen. Aber jetzt sitze ich Minutenlang vor einem plötzlich zu grell auf meiner Netzhaut reflektierenden Bildschirm und denke „Achja. Naja. Hm. Also. Ich könnte ja. Ach nee. Achja“ oder einem Tweet und mir fehlen 140 Zeichen. Und dann gehe ich zum Kühlschrank, nehme die Tupperbox mit dem Schweinehund-Schnitzel in die Hand und überlege, ob Pommes oder Bratkartoffeln besser dazu passen.

Vor Kurzem habe ich mir ein Wochenende genommen… ach, seien wir ehrlich und hören wir auf Tatsachen zu verdrehen…mir WURDE ein Wochenende genommen, von meinem Computer… das ich nutzte um alles, was ich mal angefangen oder skizziert mir überlegt oder vielleicht sogar komplett zu Ende geschrieben, aber niemals jemand anderem zu lesen gegeben habe, zu sichten, aufzuräumen und zum Teil auch zu löschen. Ich zweifle nicht daran, dass Schreiben über Kurz oder Lang etwas ist, das ich wieder tun werde, das ich tun muss. Aber im Moment verfolgt mich der Gedanke: „Ist schon okay so.“

Und auch Ihr scheint euch an Schweinehundeschulter und –Koteletts überfressen zu haben, denn einer der häufigsten Suchbegriffe, die in meiner Statistik auftauchen ist die Formulierung:

„Braucht den Tag noch jemand, oder kann der Weg?“

Weniger häufig gesucht, aber auch schön, finde ich übrigens: „Barbie Kinderarbeit“. Ich glaube nicht, dass Barbie hier übernehmen kann, aber ja, dieser Tag kann jetzt weg. Und morgen starre ich nicht mehr in die Luft oder auf Menschen mit vermutlich erblich bedingten Haarproblemen und schreibe an neuen Geschichten. Außer wenn’s regnet. Wenn’s regnet sind alle Vorsätze außer Kraft und ich kann im Bett bleiben und Schweinhund-Bacon frühstücken.