Was Frauen wollen – Annäherungen über das Ausschlussverfahren

Statt Dates sammelt Pick-Up-Artist Julien Blanc grade Einreiseverbote; weil er ein Oberarschloch ist und gewalttätig. Derweil muss sich Massenmörder Charles Manson zwischen personalisierten Servietten und Tischkarten entscheiden. Seine Hochzeit mit einer attraktiven, jungen Frau, hat Onkelmaike dazu bewegt, über die Gründe nachzudenken und zu schreiben, die zu so einer Zusammenkunft führen und sieht vor allen die Unverfügbarkeit als entscheidendes Kriterium.

Ich frage mich, durch diese Häufung der Fälle motiviert, ob wir grade gesamtgesellschaftlich die nächste Stufe von „Frauen wollen Arschlöcher“ erreichen. Nehmen wir uns dazu die These als solche vor: „Frauen wollen Arschlöcher.“ Ich bin eine Frau und als Teilnehmerin am sozialen Alltag häufiger als es mir lieb ist, umgeben von Arschlöchern (, die sich mir in beiden Geschlechtern präsentieren. Ich spreche von beiden Geschlechtern, weil ich glaube, dass man nicht Frau und Mann und Arschloch zugleich sein kann. Bei der unmöglichen Dreifaltigkeit muss also ein Geschlecht wegfallen oder das Arschlochsein, sonst geht die Rechnung nicht auf. Das ist Mathematik, das könnt ihr gerne nachrechnen. Wenn ihr nicht auf das gleiche Ergebnis kommt, hab ihr was falsch gemacht.)

Kommen wir zurück zur Problemstellung. Als Frau komme ich also fast täglich in Kontakt mit Arschlöchern und kann darum empirisch belegen, das ich mich zu diesen Personen nicht hingezogen fühle. Nicht einmal, wenn sie gut aussehen, obwohl ich mir wirklich Mühe gebe oberflächlich zu sein. Mich regen derartige Begegnungen nur dazu an, mich zu Hause einsperren zu wollen und der kalten, gemeinen Welt den Rücken zuzukehren. Man könnte nun die Vermutung aufstellen, ich sei eine Ausnahme. Ähm, nö. Ich bin durchschnittlich alt für eine Frau meines Alters, durchschnittlich groß für eine Frau meiner Größe und darum auch durchschnittlich hingezogen zu Arschlöchern. Das ist absolut repräsentativ.

Woher kommt aber dann dieses Vorurteil mit dem wir hier zu kämpfen haben? Vielleicht selbst vom Objekt im Satz, dass diese Lüge propagierte, bis sie zur unhinterfragten Redewendung wurde, so wie die Sache mit dem Teller aufessen. All jenen, die ihr diesem Scherz aufgesessen seid: Eure Essgewohnheiten haben keinen Einfluss auf das Wetter. Im Stille-Post-Modus wurde aus einem dummen Spruch ein noch dümmerer. Eigentlich hat man früher angeblich nur gesagt, dass es morgen wieder was Schönes gibt, wenn man aufisst und wenn nicht, dann eben nicht, dann gibt’s das selben eben nochmal, aufgewärmt – was ja eigentlich widerlegt, dass das heutige schön war, wenn man es aufgewärmt nicht nochmal essen will… aber Logik ist ein anderes Thema.

Was könnte also eigentlich hinter dem Ausspruch gestanden haben? Was könnten Frauen eigentlich wollen? Welches tatsächliche Thema liegt dieser Verwechslung zu Grunde? Hat sich da auch jemand nicht dialektfrei ausgedrückt und sagte eigentlich: Frauen wollen antike Schlösser? War das so? Ich würde eins nehmen. In Südfrankreich gerne, oder sonst irgendwo, wo es warm ist. Nicht Neuschwanenstein. Das ist zu kitschig und ich bin nicht gerne auf Fotos.

Aber denken wir noch einen Absatz länger darüber nach. Schauen wir nochmals auf das Subjekt im Satz, auf mich. Man sagt meiner Spezies ja gerne nach, dass wir unsicher in Bezug auf unser eigenes Verlangen zu sein haben. Dann ist es natürlich ein freundliches entgegenkommen, wenn man uns sagt, dass Frauen Arschlöcher wollen. Demnach ist das ganze  nur ein Angebot, das ich gerne mit „Nein, danke“ ausschlage.

Neu ist alt ist neuer ist älter ist hauptsache sexy

Manchmal beschleicht mich die Angst wir stecken in unseren eigenen Endlosschleifen. Dass der Alltag redundant ist, zeigt sich an so unvorteilhaften Kausalverkettung wie Samstag, Sonntag, Montag, usw. Aber auch darüber hinaus, kommen wir manchmal nicht voran, weder als Individuen noch als Spezies. Ein Trugbild im Hamsterrad ist dabei etwas, mit dem ich berufsbedingt beschäftigen muss: Zielgruppen. An einem durchschnittlichen Tag Montag gehen mir mindestens 9 Zielgruppen-Analyse durch den Kopf und manche auch über die Tastatur durch den Rechner. Ich bin so darauf getrimmt, dass ich die Menschen in der Bahn in Konsumgruppen einteile, je nachdem was sie lesen, essen oder anhaben. Andere Leute vertreiben sich die Zeit mit Kreuzworträtseln, ich mir mit Marktsegementierungen. Das wird durch Magazine, die sich selbst Fachliteratur nennen (KEIN Qualitätsmerkmal!!), angeheizt und in denen immer wieder die Rede von „neuen“ Zielgruppen ist, die irgendwer ganz Leichhardt-gleich entdeckt werden, wie bislang unbekannte Volksgruppen, auf unbetretenen Kontinenten.

Das führt im Übertragenen zu einer chronischen Markenikratitis. Wie sich bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung das Organ selbst verdaut, wird auch eine immer gleiche neu-entdeckte Zielgruppe mit immer gleichen neuen Produkten bis hin zum Exitus überfüttert.

Das ist so, damit Menschen, wie ich auch am Warenzyklus teilhaben können. Denn es gibt viel mehr Menschen, die mit Marketing ihr Geld verdienen, als es zu bewerbende Neuheiten gibt. Ich wünsche mir aber ganz ganz ehrlich NEUES, spannendes, nie dagewesenes, nicht nur zum Anfassen und Aufessen, sondern auch zum Lesen. Darum bin ich sehr traurig, dass ich es in diesem Jahr nicht zur Frankfurter Buchmesse geschafft habe und nun nur Artikel finde, in denen angepriesen wird, wie wunderbar sich Self-Publishing-Autor_innen selbst vermarkten, wie sie die angeblich nächste Daseinsstufe erreichen: Mensch – Marke – und irgendwann kommt das MIRvana, wo sich alles nur noch um sich selbst dreht bis in alle Endlosigkeit.

Ich feiere die Tatsache, dass jede und jeder, der eine Geschichte erzählen möchte, dies nun tun kann als tatsächliche Chance für die Entdeckung von neuen Welten! Ich begrüße die Profitgeilheit Amazons mit offenen Armen, weil ich hoffe, dass trotz aller Lust auf Cash, vielleicht auch ein bisschen Raum für Kunst ist, weil der Hippie in meinem Herzen sich einredet, dass nun Menschen schreiben, die es eben nicht für eine Zielgruppe tun, sondern weil sie etwas sagen wollen. Ich finde aber nur Beiträge in den großen Nachrichtenspalten, in denen beschrieben wird, wie erfolgreich sich die neue Autor_innengeneration vermarketet, indem sie eben den Zahn der Zeit treffen, genau das liefern, was, die neuen Zielgruppen lesen wollen. Sie liefern das wovon ich heute noch nicht weiß, dass ich es morgen haben wollen werde, die Objekte, die ich mir ans Ende der Strecke meines Hamsterrads hängen kann. Die Zeit ist ziemlich zahnlos und neue Zielgruppen gab es noch nie und wird es auch nie geben. Es gibt Menschen, denen etwas gefällt oder nicht und es gibt Menschen, die bereit sind für etwas Geld auszutauschen oder eben nicht. Alles, was ich zu den Autor_innen, zu denen ich nun selbst auch gehöre, grade lese, besorgt mich sehr. Denn ich kann mit dem Erwartungsdruck etwas liefern zu müssen, dass ja eigentlich gar keiner will, nicht umgehen, zumindest nicht privat. Wenn man mir dafür ein gutes Gehalt zahlt natürlich schon, darauf bin ich getrimmt.

Vielleicht lese ich aber auch nur die falschen Zeitungsdomains. Hat jemanden einen Tipp oder einen alternativen Erlebnisbericht für mich, etwas für die Zielgruppe Immerabgelenkt?

Aufruf zur Ehrlichkeit oder Wenn Schildkröten vögeln

Aktualisiert: Jetzt mit Beweisvideo! Weil, was nicht auf Youtube ist, ist nicht passiert! 

Fast täglich entdecke ich neuen Handlungsbedarf, um unsere Gesellschaft vor selbst herbeigeführten Katastrophen zu bewahren. Wollte ich all dem nachzukommen, was im Argen liegt, ich müsste noch öfter mein Berufsfeld wechseln, als ich es sowieso schon tue. Auf meiner neusten Visitenkarte stände: Hobby-Pädagogin. Wobei ich mich weniger auf die Kinder als viel mehr auf die Erwachsenenerziehung spezialisieren möchte. Echt mal liebe Eltern, hört auf den Blagen so einen Scheiß zu erzählen!

Mir ist bewusst, dass man die Kleinen, denen als Verkörperungen von Jugend symbolisch Unschuld und Naivität zugeschrieben werden, so lange vor der Realität der Welt behüten möchte, aber euer Bullshit ist dafür kein Mittel. So hörte ich erst gestern nahe eines Pferdestalles folgenden Dialog:

Kind: „Ihhh, hier stinkt es!“

Mutter: „Ja, das ist weil die Pferde sich nicht den Popo abwischen.“

Was soll aus diesem Kind mal werden? Wird es später einmal Toilettenpapier für Pferde erfinden und Huftieren Daumen an züchten?

Auffällig ist, dass Mütter und Väter dann beginnen zu lügen, wenn es in die niederen Regionen der Anatomie geht. Nur wenige Tage vor dem Pferde-Erlebnis, stolperte ich in einen Schildkrötenzoo inkl. Schildkrötenzüchtungsinstitut. Diese Pflicht nahmen die Tiere sehr ernst. Ich hatte einen langweiligen Spaziergang erwartet mit gelegentlichem Betrachten unterschiedlicher Exemplare, die in der Sonne liegen. Meine Vorurteile gegenüber Schildkröten wurden den Tieren nicht gerecht. Tatsächlich wurde in fast jedem der hübsch gestalteten Gehege aufs Heftigste gepoppt. Und das nicht immer nur zu zweit. Und das nicht leise! So eine vögelnde Schildkröte möchte man nicht zum Nachbarn haben!

Diesem animalischen Treiben sah nun nicht nur ich zu, sondern auch eine Kleinfamilie mit einem Mädchen um die 7-8 Jahre. Während die junge Dame dem Spektakel kritisch zusah und in ihrem Gehirn nach möglichen Erklärungen für das Verhalten der Tiere suchte, erläuterte die Mutter bereits: „Die oberen Schildkröte ist so müde und will sich von der unteren tragen lassen. Deswegen stöhnen die auch so.“ Als ob, liebe Mutter. Der Vater hielt das Geschehen derweil begeistert mit der Kamera fest.

Auf die zu den Geräuschen gehörenden Stoßbewegungen gingen sie nicht ein, aber am nächsten Gehege hörte ich sie ihre Lüge wiederholen: „Guck mal, die sind auch gaaaanz müde.“ Die Schildkröten wurden aber überhaupt nicht müde. Kaum fertig mit einer Partnerin sprangen sie prompt auf die nächste, auch zu mehreren. Beeindruckende Ausdauer für jemanden, der nur ein paar Blättchen Salat zum Frühstück hatte.

Vielleicht reagiere ich auch so erzürnt auf diese Märchen, weil ich mich erinnere, wie ich selbst als Kind meiner Mutter auf den Leim ging. Auch dies war eine Pferdegeschichte. Wir standen am Zaun einer Koppel und sahen einem Hengst zu, den unsere Anwesenheit oder einfach nur seine eigene Phantasie ganz offensichtlich erregte. Statt zu erklären, dass die körperliche Erweiterung, die da unter dem Bauch des Pferdes sichtbar wurde, ein Indikator für das Geschlecht des Pferdes war, log meine Mama: „Das Pferd bekommt grade ein Baby.“ Wäre ein anderes weibliches Exemplar des Tieres anwesend gewesen, hätte das langfristig so passieren können. Auch dann wäre aber die Formulierung „machen ein Baby“ besser gewesen. So aber dachte ich meine Kindheit über Pferdebabys sehen aus wie Penisse. Man sollte Kindern nicht so einen Scheiß erzählen. Und wenn man es schon nicht aussprechen kann, dann kann man es wenigstens zugeben. Was soll denn sonst aus diesen Menschen werden? Die Schildkröten waren nicht müde! Aber sie hätten gerne eine Zigarette für danach gehabt!

Astralarbeitskraft aka Wenn man nicht merkt, dass man tot ist und einfach weiterarbeitet

Ein tragischer Unfall hat sich in meiner Arbeitswelt ereignet und ich war das Unfallopfer. Das war so dramatisch, wie es sich anhört. Ich wurde gestern einfach (aus-)gelöscht. Bisher habe ich mir das in der Form vorgestellt, dass mich der (Geistes-)Blitz trifft oder ein abstürzendes Ufo. Orks und Zombies kamen in meinen Auslöschalbträumen auch schon vor, aber wenn ich die Wahl hätte, wäre mir irgendwas ohne Zähne lieber. Glücklicherweise war ich nur digital tot und bin schon heute wiederauferstanden. Da war unsere Technikabteilung flotter als der Gottvater. Was genau passiert war? Ich schildere die Ereignisse:

Ich, Projektmanagerin im Marketing, 29 Jahre, kam gegen 8Uhr ins Büro, machte das Fenster auf und meinem Computer an. Für einige Stunden arbeitete ich so vor mich hin, öffnete Dateien, schloss Dateien, schrieb hier was hin, setzte da ein Bild ein und marketingelte so vor mich hin.

Die Geschichte wird erst wirklich spannend, wenn man nun erfährt, was zur selben Zeit anderenorts passierte. In der IT-Abteilung kam ebenfalls jemand ins Büro, öffnete vielleicht auch das Fenster, schaltete auf jeden Fall seinen Computer an, öffnete Tabs und schrieb Emails und IT-lerte so vor sich hin. Irgendwann stolperte er über eine Nachricht, die liebe Frau Ungänz doch bitte zu löschen, weil sie nicht mehr in einer genannten Abteilung beschäftigt ist. (Anmerkung dazu: Ich habe vor einigen Wochen die Abteilung gewechselt. Ich bin noch im selben Unternehmen, aber in einer anderen Abteilung, aber mit demselben Namen, in meinen Benutzerdaten… ich hab ja nur gewechselt und nicht geheiratet.) Der pflichtbewusste IT-Mensch kam also dem Wunsch nach und löschte mich. Zurück zu meinem Büro: Mein PC fährt sich fest, ich starte neu und kann mich nicht mehr einloggen. „Benutzername oder Kennwort unbekannt“ hat in etwa den selben Informationswert wie der Karnevalsausruf „Helau“. Ja hallo, ja nö, ja super, ja dann geh doch mal einer ans Telefon, ja dann leck mich doch, ja dann geh ich eben heim!

Meinen Kollegen wurde dann auf digitaler Nachfragen gesagt, man habe mich gelöscht, weil ihr mitgeteilt wurde „Frau Ungänz ist von uns gegangen.“ Holy Shit. Ich dachte nur ich käme nicht mehr an meinen Computer. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich gestorben war! Und alle meine Kollegen und Freunde haben die Fähigkeit des kleinen Jungen aus the Sixth Sense. Ich bin von lauter übernatürlicher Kompetenz umgeben! Und diese Helden mit Superkräften haben nichts besseres mit ihrem Leben anzufangen als Büroarbeit? Wir brauchen hier mehr Hollywood!

Aber später, noch bewältige ich mein Ableben. Der Schock sitzt noch jetzt tief, selbst nach meiner digitalen Reinkarnation. Und so viele Fragen sind ungeklärt: Muss sich ein Poltergeist an Arbeitszeiten halten? Welchen Anspruch auf Urlaub haben die Toten und zählt das als Behinderung? Kriege ich zu Halloween ein Extra-Weihnachtsgeld? Und ab wann darf ich dann in Rente?

Vielleicht sollte ich meinen Arbeitsbereich zu „Mysthic Marketing“ umbenennen. Die Learnings dieser Experience für die Nachwelt: Astralstatus geht auch ohne Astralkörper, also nicht zu viel Stress in die Bikinifigur investieren. Und: Ich brauche schon wieder neue Visitenkarten…

Die problematische politische Verlaufsform

Da ich mich aktuell hauptnebenberuflich (wobei montags mehr haupt und ab dienstags zunehmend daneben) mit Politik beschäftige, müsste man annehmen, dass ich den deutschen Staatsapparat allmählich besser verstehe. Leider ist es damit aber so, wie mit dem Tunnel, von dessen Ende einem das Scheinwerferlicht einer Bahn entgegenleuchtet: Die Situation wird nicht unbedingt besser, nur weil man Näher gehn Licht läuft. So bleibt eins der großen Mysterien, die mich seit jeher bis ins Mark erschüttert haben, die Entstehung und Intention von Wahlkampfplakaten. Für alle von euch geliebten Blogleserinnen und Bloglesern, die nicht mehr vor die Tür gehen oder wenn doch, dann dabei nur auf ihr Handy gucken, statt nach vorne: Das sind flache, eckige Dinger, mit runden Gesichtern und Sätzen in unterschiedlichen Schriften, in nochmals unterschiedlichen Schriftgrößen, die meist an irgendwelchen Ampeln hängen, die selbsternannte Straßenkünstler als ihre ganz eigene Leinwand verstehen und mit so überkreativen Sachen wie Hitlerbärtchen, Teufelsohren oder Penissen bekünsteln. Wirklich schlimm ist das meistens nicht, denn ein Großteil dieser Plakate ist auch in rohem Zustand desaströs.

Erst im letzten September verkündete eine Studie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen Wahlkampfplakate für obsolet und in Youtube-Videos interpretieren selbsternannt lustige Leute die „wahre“ Bedeutung dieser Werke, kommen aber leider zu keinem befriedigenden Ziel.

Wenn man etwas nicht erklären kann, dann muss man schauen, wie es früher war und wozu es sich entwickelt hat! Das ist eine der Weisheit, die in meinem geisteswissenschaftlichen Studium gelernt habe. Und wenn ich das Wahlplakat einer solchen chronologischen Untersuchung unterziehe, fällt mir tatsächlich eine Signifikante ins Auge: Der aktuelle Trend zum Farbverlauf. Farbläufe passieren, wenn jemand die Gradient Funktion in Photoshop entdeckt und dadurch das Gefühl bekommt mit wenigen Klicks kreative Kunstwerke erstellen zu können. Dabei spreche ich aus Erfahrung. Auch ich selbst (!!) bin schon dem Farbverlauf aufgesessen, bis der Exzess mich in eine Retro-Batik-Gestaltung trieb. Und erst dann gesteht man sich ein: Ich habe ein Problem!

Und so beobachte ich die politischen Verlaufungen mit begründeter Skepsis: Die SPD färbelt von Rot ins Violette. Die Piraten von Orange ins Gelbe und bei der CDU hat scheinbar jemand im Kunstunterricht der 5.Klasse aufgepasst, als erklärt wurde, dass Schwarz keine Farbe ist. Hier startet der Farbverlauf nämlich SPD-Rot und wird dann Piraten-Gelborange. Und apropos gelb, die FDP tut so, als hätten sie einen Farbverlauf, der aber nur ein weißer, diffus gesetzter Fleck ist, den sie vermutlich für ein „Highlight“ halten.

Die wichtigste Frage dabei ist: Hat das alles etwas zu bedeuten? Höchstwahrscheinlich nicht, aber man kann ja trotzdem mal drüber reden/bloggen.

Bis dass der Tot die Tinte ausbleichen lässt

immerabgelenkt_tattoo_be_happyEs gibt viele Möglichkeiten, sein Inneres nach Außen zu kehren, fern ab von Bulimie und Brechreiz-Erkrankungen.  Als Symbole für die Repräsentation des Ichs funktionieren Frisur und Kleidung und Körperbemalung. Die Indianer, die man eigentlich nicht Indianer nennen sollte, taten es, genauso wie Urvölker Afrikas, die man auf gar keinen Fall als Afrikaner bezeichnen sollte (denn wir sind ja auch nicht einfach Europäer oder Germanen oder oder…oh, verlassen wir das Glatteis lieber schnell, bevor jemand fällt und sich den Arm bricht…), und heute tun es irgendwie alle: Tinte auf Haut ist längst kein Merkmal für maritime Berufsausübung mehr. Wichtige Worte wie „life your dreams“ oder komische Bildchen sind gesellschaftsfähig. Und auch ich überlege im Moment ernsthaft, ob ich mir nicht ein paar weise Worte eintätowieren lassen sollte. Man vergisst ja so viel! Und ich werde auch nicht jünger und mit jedem neuen Jahr kriecht die Alzheimer-Diagnose näher und warum dann nicht direkt auf die Haut schreiben, was man nicht vergessen darf? Den Namen des Liebsten zum Beispiel oder Worte, die daran erinnern, wer man eigentlich mal werden wollte, damals, als man noch voller Ideale war.

Mein persönliches Problem mit Tattoos ist nur: Ich bin so schrecklich wechselhaft. Immerabgelenkt ist nun wirklich kein zufälliger Titel. Die Bloggerin Zartbitterdenken bezeichnete mich mal als „ADHS-Eichhörnchen“ und ich fühlte mich von dieser Titulierung sehr sehr geschmeichelt. Eichhörnchen sind schließlich süß! Nichts so süß wie Mini-Ziegen, aber immerhin! Apropos Mini-Ziegen, jedesmal wenn ich darüber nachdenke, ob ich mein Leben nun als Bloggerin, Autorin, PR-Beraterin, Kommunikationstante oder Webtexterin verbringen möchte, denke ich: „Irgendwann züchte ich Ziegen!“ Ich bin unentschlossen. Das ist nicht schlimm. Das ist Teil meiner Persönlichkeit. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich schwanke wie ein Schiff kurz vorm Kentern. In allen Lebensfragen. Ehrlich! Besonders vor der Eistheke. Schokolade? Vanille? Doch was gesundes, wie Jogurt? Oder Stracciatella? Oder Erdbeere? Nein, doch Schokolade. Oder? Oder?…Oder????? Oh gott, ich will ALLES! Und nichts davon. Wenn ich mich nicht entscheiden kann, dann entscheide ich einfach komplett dagegen. Ein schönes, dickes NEIN. Nein, eigentlich will ich kein Eis. Eigentlich will ich lieber eine Pommes. Japp, so bin ich, war ich immer. Das ist nicht schlimm. Das ist Individualität.

So eine Tätowierung ist auch was Individuelles. Doch leider auch etwas, das eine Entscheidung verlangt. Ich will eine. So weit ist meine Entschiedenheit schon. Aber was? Das ändert sich stündlich. Heute ist es noch das Copyright C auf dem Po, morgen der Satz „Scheib’s auf“ auf dem Arm und übermorgen will ich doch lieber ein Mischtier aus Rotkehlchen, Puma und Papagei auf dem Bein. Aber ein Tattoo ist was für die Ewigkeit. Wenn ich mir also eins stechen lasse, dann muss ich damit leben oder in naher Zukunft ins Gras beißen. So dachte ich zumindest! Und dann, dann meldete mir Amazon, dass es Permanent Tattoo Klebefolien zum Selberbedrucken gibt. Kein Schmerz und vor allem KEINE Entscheidung! Wunderbar! Ich druck mir jetzt: „ich will ein Tattoo aber nicht damit-Leben“ Aufkleber! Viva la Homeprinter! 

Kauf dir deine Meinung!

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Die New York Times hat sie schon vor langer Zeit hochgezogen, die Money-Mauer genannt Paywall. Bestimmte Inhalte und Artikel gibt’s nur gegen Bezahlung. Das ist irgendwie gemein und zugleich total nachvollziehbar. Denn früher, damals, in einer anderen, fernen Zeit (!!!) vor dem Internet, hat man für die Tageszeitung am Kiosk auch ne Mark oder sogar mal mehr hinlegen müssen. Der Tausch von Zahlungsmitteln gegen Güter war ein akzeptiertes System. Dann kam das Internet und auf einmal wollte alle alles umsonst haben. Mal ehrlich, die Zahlungsbereitschaft im Internet ist noch geringer als im All-Inklusiv-Urlaub.

Online Content ist das neue Leitungswasser und sollte darum einfach aus dem Hahn kommen, dann darf es ja auch was kosten, aber eben nicht pro Duscheinheit. Denn das führt zu Geiz und Geiz führt zu Dreck. Man kann sich das Internet ja durchaus als Informationsdusche vorstellen.

Wenn Content Konsumgut wird, über dessen Charakter die Nachfrage entscheidet, verändert das die Inhalte. Die Wasser- bzw. Informationsqualität nimmt ab, denn die, die am anderen Ende des Rohrs sitzen, wollen ja möglichst viel Geld verdienen und die unter der Brause wollen möglichst wenig zahlen, aber ganz lange duschen.

Die schmutzigen Ausmaße dieses Dilemmas zeigen sich am Beispiel Bild.de. Denn statt dem üblichen Schund zwischen den normalen, überkompakten Meldungen über tatsachlich Relevantes aus dem Weltgeschehen, setzt auf der Onlinepräsenz von Bild seit der Installation der Paywall die Inflation des Bullshits ein. Die superlativierten Megameldungen, die man zumindest im Ansatz als „informativ“ einordnen könnte, scheinen nun ganz verschwunden, stattdessen gibt es nur noch verwässertes Promiblabla, Geschichten, die so belanglos sind, dass sie kein seriöses Medium kaufen wollte und die Bild-Online darum jetzt als „Exklusiv-Story“ verramschen kann.

Soviel ich mich über den bisherigen Extrem(journal)ismus des Blattes aufgeregt habe, die völlig verkürzte oder auch mal schlecht recherchierte Informationsübermittlung regte mich doch bisher wenigstens dazu an, mir eine Meinung zu bilden… jetzt bilde ich mir eine (gar nicht sehr nette) Meinung zum Bild der Nachfragenden dieser Art von Content. Denn irgendwer scheint’s ja doch wieder zu kaufen… und damit zu wollen und damit zu vermehren.

Wenn Privates öffentlich wird… gibt’s Krawall

Einen großen Anteil meiner Energie verwende ich darauf, Probleme zu lösen. Die von anderen Leuten für Geld oder lustige Unterhaltungen bei Wein und meine eigenen, einfach so, als Discount for myself. Und aktuell hat Juliane ein großes Problem. Sie kann in der Wohnung, in die sie im April einzog, nicht schreiben. Ein weiterer Umzug wäre eine Lösung, aber dafür fehlt das Budget. Also muss eine kostengünstigere Lösung her: Schreiben an anderen Orten. „Könnte ja auch inspirierend sein!“ redete ich mir ein. Jajajajajaja, super Idee. Echt toll. Jetzt sitze ich im Café in Köln und höre der streitenden Familie neben mir zu. Immerhin geht das Cafékonzept auf. Die Besucher fühlen sich scheinbar wie zu Hause. So sehr, dass über Taschengeld und Schulnoten miteinander streiten.

„Eine drei in Mathe“, sagt Papa Streithammel gerade. Und ich fürchte, er ist stolz. Japp, da kommt die Bestätigung: „Ach, eine vier ist doch auch in Ordnung,“ und schiebt nach „ich war ja mal gut in Mathe.“ ,Also dann vier plus oder wie?‘ würde ich gerne Fragen. Aber ich will nicht fragen. Ich will schreiben! Vielleicht sollte ich mir ein anderes Café suchen? Oder eine andere Geschichte schreiben? Eine über Eltern, die ihre Teenie-Kinder im Kaffee bloßstellen, sie anschreien, sie sollen sich mal einen Job suchen…. an öffentlichen Orten.

Privatsphäre ist ein Indikator für Wohlstand, oder für Spießertum, je nachdem an welchem ideologischen Ufer man steht. Leider wirken die beiden Generationen am Nachbartisch weder arm, noch wie Hippies. Der Grund für ihre öffentliche Konfliktaustragung resultiert also kaum aus dem Mangel an Rückzugsraum. Vielleicht ist Caramell Frappuchino Latte und Low-Fat-Blueberry-Muffin aber auch die neue Armenspeisung. Zugegebenermaßen weiß ich wenig über die tatsächliche Lebensweise prekarisierter Bevölkerungsschichten. Die Gruppe neben mir hat Einkaufstaschen dabei, viele. Diese Allegorie ist tricky. Denn dies kann sowohl für Obdachlosigkeit, wie auch Konsumgeilheit stehen. Schön eigentlich, dass diese beiden sozialökonomischen Extreme doch etwas verbindet: Die Akkumulation von Tüten mit Logos drauf ist der kleinste, gemeinsame Nenner.

Die Unterhaltung am Nebentisch wird ruhiger, man unterhält sich über’s Skifahren. Damit geht einher, dass die Stimmung sich insgesamt abkühlt. Gut, gut. Dann können die ja jetzt bitte gehen und die Inspiration Platz nehmen!

 

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Stumm zum Star oder zum Subalternen

Ich wusste ja immer, dass ich zum Star geboren bin (und zur Königin, wie wir vor kurzem feststellten…), aber aktuell darf ich mich ganz offiziell in eine Reihe mit den bestesten Schauspieler_innen Hollywoods stellen. Was Clara Bow, Max Linder und ich gemeinsam haben, außer Schönheit und Intellekt? Wir alle geben keinen Ton von uns. Bei der lieben Clara und Mister Linder ist das dadurch bedingt, dass sie längst unter der Erde liegen, bei mir durch eine Erkältung. Gestern Nachmittag wurde ich zum Stummfilm. Am Schwarz-weiß-Modus wird noch gearbeitet, der Donner kommt ja auch vor dem Blitz.

Zu Stummfilmzeiten erntete man noch Ruhm und Anerkennung für non-verbale Kommunikationsversuche, heute nur verwirrte Blicke und noch mehr Fragen. Menschen darauf hinzuweisen, dass man nicht sprechen kann, dass kein Ton rauskommt, ist sehr hilfreich. Und mit sehr hilfreich meine ich: bringt gar nix und macht alles nur noch schlimmer.

Selbstverständlich beantworte ich die zweite und dritte und siebenhunderteinundzwanzigste Aufforderung zur Interaktion mit fließendem Singsang, wenn ich die erste mit der Anmerkung schloss, dass Sprechen mir gerade weh tut!!! Mannmannmannn.

Wieder mal müssen sich die Entrechteten anpassen, um am Diskurs partizipieren zu dürfen. Dass Spivak und Bhabha ausgesprochen haben, dass genau das so nicht okay ist, voll und überhaupt nicht, bringt mir da auch nix. Und ohne Stimme kann ich mich nicht wehren. Oder nein, falscher Tempus! Ich habe ja noch Computer und Internet und HIER habe ich eine Stimme, hier hört ihr mich! Das ist schön. Sehr schön. Befreiung durch Digitalität! Das ist tatsächlich die fucking neue bessere Welt! Und hier wird alles besser! Glaube ich! Sicherlich! Vielleicht spricht da auch nur das Erkältungsmedikament aus mir. Das kann ich im Netz online bestellen, was beweist… Dies. Ist. Die. Fucking. Neue. Bessere. Welt! Darauf hebe ich mein Tee-mit-Honig-Glas! Prost! Und jetzt bitte keine Fragen mehr.

Die ProkrastiNATION ist im Amt. Naja, noch nicht so ganz. Aber ich bin schon mal die Königin.

Ein bisschen napoleonisch fühle ich mich schon, nachdem mich Suchanfragen zu meiner Person in den vergangen Tagen zur Königin des Internets gekrönt haben. Die ersten Stellen meines Hofstaates sind auch schon besetzt. Es ist erstaunlich, wie schnell das ging. Wenn wir mit dem gleichen Tempo weiterwachsen, gehört uns bald nicht nur das Internet, sondern, sondern… ich brauche noch jemanden, der mir sagen kann, was es da draußen in der Welt außer dem Internet noch gibt…. Falls es da noch was gibt…. Aber besinnen wir uns für den Moment auf das Hier und Jetzt! Denn feierlich verkünde ich: Unsere monarchische Nation hat eine Flagge! Trommelwirbel!

Hätten wir eine Hymne, könnten wir die jetzt singen, während die Fahne am Mast, den wir auch nicht haben….irgendwie fehlt’s doch noch an einer ganzen Menge … hochgezogen wird. Aus Mangel an Monarchie-Equipment gucken wir also alle einfach nur so auf die Flagge.

Nochmal Trommelwirbel bitte und Fanfaren!

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Advent, Advent, die Erde brennt….bald

Im Dezember 2012 spaltet sich die Glaubenswelt in zwei Lager. Auf der einen Seite stehen jene, die an den Weihnachtsmann, die Ästhetik kitschigen Tannenbaumschmucks und die freudebereitende Funktion von öden Grußkartensprüchen glauben. Auf der anderen jene, die der Überzeugung sind, dass all eben genanntes Blödsinn ist, die aber den Weltuntergang für eine reale Zukunft erachten. Am 21.12.2012 geht die Zeitrechnung letzterer zu Ende, während erstere noch drei Kläppchen im Adventskalender übrigen haben. Das ist mega unfair. Ich finde, dass beide Seiten ein Recht auf Vorfreude haben.

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Um eben auch den Weltuntergangsadvent gebührend vor zu feiern, eröffne ich hiermit, ganz offiziell, den Adventgeddon.  Ich übe schon mal auf meiner Ukulele die Melodie zu „Xmal werden wir noch wach, heisa, dann ist Ruhe im Schacht“ und „Kommet ihr Zombies“ und „Fröhliches Ende über all“ und ganz viel weiteres Liedgut für diese Zeit zu spielen. Dazu puste ich jeden Sonntag ein paar Lichter aus und ihr, ihr dürft nicht nur mitmachen, ihr bekommt auch den immerabgelenkt-Adventgeddon-Kalender, mit 21 kleinen Beiträgen auf immerabgelenkt.de, die Vorfreude auf den letzten aller Tage mache.

Und heute, am 01.Dezember geht’s los, mit folgendem wunderbaren Song:

Zombie Crush von Groovie Ghoulies

Was? Was? Wasabi?…. In Schokolade???

Kaum zurück vom Exkurs in den Becherkult, bin ich jetzt in meinem Supermarktlieblingsgang gelandet, zwischen den Regalen mit Gummibärchen und Schokolade. Ja, ich steh auf so Saccharose-Sachen. Schokoschuldig! Absolut! Und nach der Currywurst im Becher hatte ich gedacht, ich wär auf alles gefasst. Wer daran vorbeikommt und weiter durch die Regale pilgert, der ist mit allen Diätlimos gewaschen hatte ich gedacht. Aber nein, die Herren und Damen aus Aachen haben es doch tatsächlich geschafft mich nochmal zu schockieren. Zwei Schocks bei einem Einkauf sind neuer Rekord. Denn im Regal stand, neben Chili-Schokolade, die ich für so ziemlich das Ende der Essbarkeit hielt, Wasabi-Zartbitter. Bitte? Bitter.Schokolade.mit.Wasabi. Schoki mit dem grünen Mega-Meerrettich, den man in Sojasauce verquirlt (oder in Fischsoße..im Fall einer Sojaallergie), der Hulk-gespielt-von-Edward-Norten-mäßig scharf ist. Ja, Edward Norten ist hot! Allerdings verteil ich diesen Ordern auch schon ab dunkelhaarig, sportlich….dennoch! Weg von den Männern und zurück zum liebsten Zuneigungsersatz: der Schokolade. Mit Wasabi. Die mich in einen ernsten Zwiespalt wirft. Denn beim ersten Bissen kommt alles, was man nicht von Schokolade erwartet…Meerrettich pur und ein bisschen Schärfe. Aber dann gewöhnt man sich plötzlich an diese Perversion und findet’s sogar ein bisschen geil….ganz langsam. Immermehr.

Okay, ich führ das jetzt nicht weiter aus. Nicht so lange es noch hell draußen ist. ABER das Zeug fängt an mir zu gefallen. Was mich verwirrt, denn sie ist sonst gar nicht mein Typ. Ich steh sonst ganz klassisch auf den guten alten Kinderriegel. Aber das, das ist anders und dennoch gut. Ändert sich jetzt mein gesamtes Weltbild?? Ich muss den Schock noch verdauen…dann fälle ich mein Urteil. Vielleicht finde ich ja auch noch zu meinem alten, bewährten Schokobeuteschema zurück. Oder ich dreh ganz durch.

Immer und überall am bechern

Wenn ich dieser Tage durch den Supermarkt bummele, begegnen mir mit steigender Frequenz Lebensmittel, die in Bechern verpackt werden. Jogurt ist dabei noch die harmloseste Variante dieses Trends.  Bei Keksen im Becher wird’s schon komischer. Zwieback im Becher wundert mich dann kaum noch. Hackbällchen im Becher dafür sehr. Suppe im Becher kann ich nachvollziehen. Mein Verständnis hört aber bei Currywurst im Becher auf.

Das Skurrile an den Bechern ist aber vor allem ihre Größe. Denn diese Verpackungen gleichen auf wundersam unheimliche Weise den klassischen Coffee-To-Go-Bechern, die Menschen wie ich, und da oute ich mich, mit angewinkeltem Arm, den Mitmenschen entgegen zeigend  die eigene Pseudo-Busyness und Dekadenz der Welt präsentierend, vor sich her tragen, während sie von Bahn zu Büro oder Büro zu Poststelle oder Poststelle zu Bahn oder Bahn zu Café von Café zu Sportstudio oder sonstwohin, wo man auch Kaffee kaufen kann, bummeln. Aber der Becher muss mit, denn er ist der Pokal der Kosmopoliten, selbst wenn das Alltagsreich nur einen Umkreis von zwei Kilometern umfasst. Der To-Go-Becher setzt mich von den Gammlern und Rumhängern ab, ist Trophäe  dafür, dass ich es geschafft hab. Ich hab irgendwo zu sein! Ich bin unterwegs! In Bewegung! Bewegung ist gut, selbst wenn der Weg steil bergab geht. Das ist latte, solange ich meinen Macchiato hochhalte.

Während das Tragen von koffeinhaltigen Brühgetränke schon exzentrisch ist, frage ich mich sehr, was die Motive von Fleischfertigwaren-to-go-Trägern sind? Und jetzt sagt nicht, es ging um Hunger! DIESE Art der Lebensmitteldarstellung hat so wenig mit Ernährung zu tun wie Mode mit Wärmefunktion.  Ich verstehe den Becher als Accessoire. Aber nicht, wenn er nach Lammhaxe oder Gänsebraten riecht. Das ist so, wie wenn man Schokolade mit Chili isst. Man erwartet etwas geliebtes Bekanntes aber wird statt befriedigt, einfach nur verstört.

Experimentelle Heilungsversuchungen im Selbstversuch

Ich bin mal wieder krank, nicht als psychischer Dauerzustand, sondern akut, physisch, im Körper. Aua-Krank. Und aktuell ist der Hals der Mainfloor der viral-bakteriellen Infektionsparty. Heiter toben sich die Erreger dort aus und tanzen unter meiner Uvula, als wär’s ne Discokugel. Und was mach ich? Ich kippe fassweise Tee mit Honig runter und erforsche dabei die Super- und Biomarktbandbreite des Bienenraubgutes. Wenn diese Erkältung irgendwann überstanden ist, kann ich mir Honig-Sommelier in die Vita schreiben, so gut kenne ich mich inzwischen aus mit dem süßen Klebesaft, den ich im normalen Alltag nicht anrühre. Vielleicht ist es aber auch meine Aversion im Gesundheitszustand, die mich den Honig besonders genau untersuchen und erschmecken lässt. Ja, das klingt doch schon nach Expertise, oder?

Und wirklich, die Vielfalt von Honig steht der von Whiskey, Rum oder Wein in nichts nach. Aktuell verkoste ich Italienischen Kastanienblütenhonig. Während die Nase hier ganz eindeutig an Kastanien erinnern, die ja so wunderbar zur Jahreszeit passen, also eigentlich eine perfekte Wahl, könnte man denn meinen, entfaltet dieses Wabenprodukt im Geschmack eine starke Torfigkeit und Nuancen, die an Rauch erinnern. Also entweder hat der Imker bei der Arbeit gepafft, oder die Bienen haben sich öfter mal ein Raucherpäuschen gegönnt. Zur Halsschmerzheilung passt das Zeug aber auf keinen Fall. Igitt. Ganz böse.

Was mir auch auffiel, als ich denn gestern vor dem Regal im Rewe umme Ecke stand, war die Verpackungs- und Farb- und Konsistenzvielfalt. Honig ist eine mir bisher völlig verschlossen gewesene Subkultur!

Und in einen Tasmanischen Scheinulmenhonig hab ich mich sogar ein bisschen verliebt. Vielleicht wirkt Scheinulme aber auch irgendwie berauschend, der Name verspricht es zumindest. Und das psychedelisch gestaltete Metalldöschen, in dem dieser Bienensirup daherkommt, verstärkt den Eindruck eher noch. Der Preis lässt auch eher auf Droge schließen… Aber er ist es wert! Die Konsistenz ist…oh pardon..war, denn ich hab ihn schon fast leergelöffelt, dieses süßen Klebstoffs war fest, Farbe trüb und der Geschmack war extrem süß, selbst in kleinen Mengen (was mich dennoch nicht davon abgehalten hat, ihn an einem morgen aufzulöffeln), sehr leicht und floral, und dennoch gehen die einzelnen Noten nicht im Tee unter, wie das bei Mainstreamhonigen der Fall ist, die in diesen Plastiktubenstehdrückdingsdumsbehältern kommen. Ein bisschen ist es so, als würde man an Dschungelblümchen lecken. Was eigentlich keine wirklich appetitliche Vorstellung ist, aber eben so schmeckt’s und es ist grandios!

Geholfen hat bisher nur leider noch kein einziges meiner Degustationserlebnisse. Mein Hals ist geschwollen und mein Kopf brummt wie’n Bienenstock. Und gleich muss ich raus, um neuen Honig zu kaufen…

So wird’s kommen?

Erotische Literatur gab’s auch vor dem ersten Band über die unglaublich naive Studentin, die einen unglaublich reichen und gutaussehenden Mann kennenlernt, mit dem sie unglaublich unglaublichen Beischlaf vollzieht. Dennoch diskutiere ich, seit diese Liebesgeschichte unglaublich weit oben auf den Bestsellerlisten steht, weltweit (!!!), öfter den je über Sexpraktiken in der Öffentlichkeit.

Angefangen hat das, dass ich und meine Freundinnen als Abbilder oder Vorlagen (wie immer man das sehen möchte) von Carrie und Co. aus Sex and the City posierten und in aller Öffentlichkeit intimenDetails miteinander abglichen, schon lange vor der populären Buchreihe. Neulich erst fand ich ein Briefchen aus Schultagen zwischen einem meiner alten Büchern, indem meine liebste Sitznachbarin und ich über künstlerisch miese, aber doch eindeutig verständliche Skizzen versuchten, uns dem Mythos „Größe“ anzunähern. Und Form. Und Behaarungsgrad. Und Winkel. Bei Winkeln wird’s wirklich spannend. Das fanden auch Kellner und Cafébesucher, um uns herum, als wir begonnen hatten die Unterhaltungen von transkribierten in orale Kommunikationsakte zu verlagern. Plötzlich hörten alle zu, als wir „16??? Sechzehn ist ja wohl voll Durchschnitt!“ „Ja, aber zu dritt zählt anders, dann darf man 1 Jahre abziehen!“ und ähnliches durch den Raum riefen. Dann kam das Internet und damit Pornografie frei Haus, an der wir aber gar nicht interessiert waren.  Weil es fucking unsexy ist Bilder von Genitalien in Großaufnahme auf dem Bildschirm zu sehen und die Dialoge…na, zu den Dialogen sag ich lieber nix.

Wobei, die Dialoge, die wir führten und auch heute noch führen, ich und Freundinnen, auch nicht vor literarischer Kreativität strotzen. Und neuerdings hört auch keiner in unserem Umkreis mehr auf zu sprechen und hört heimlich zu. Weil alle denken, wir würden uns über Bücher unterhalten. So weit ist es schon!  Wird es dann demnächst ganz normal werden sich mit Freundinnen UND Freunden über den neusten Porno, wie über den neusten Bond auszutauschen? „Die Kameraführung beim Anal, die war echt innovativ.“ Werden wir dann so diskutieren? Werden Pornos dann als etabliertes und akzeptiertes Unterhaltungsformat zur Primetime laufen? Und vor allem, ist das dann noch geil?

LAUTER!!!

Früher, so vor 15 Jahren auf dem Schulhof in etwa, hörten Brillenträger Sätze wie „Ihh, guck mal die Brillenschlange“. Heute hören sie „Guck mal der süße Typ mit den Nerd Glasses, meinst du, der ist allein hier?“

Die Brillenvertreibende Lobby hat scheinbar keine Kosten und Mühen gescheut und es tatsächlich vollbracht Gläser im Gesicht zu einem Kennzeichen für Coolness, Hippness und sogar Sexappeal zu machen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung. Vermutlich dauert es nur noch 2-3 Werbepausen bis es üblich wird zur Anerkennungsbekundung die Brille zu ziehen. Und dann. Dann steh ich blöd da! Denn mit meinen Augen ist alles in Ordnung. Immernoch. Ja, ich hatte über diese Ungerechtigkeit schon mal gemeckert….hier und auf twitter und auf facebook. Aber es besteht ja auch enormer Leidensdruck!!

Was dafür scheinbar bei mir so allmählich im Arsch is, ist mein Gehör. Beim Kaffeekaufen ereignete sich nämlich vorgestern folgende Szene:

Ich: „Und dann noch 4 Stangen davon und 2 Stangen von dem blauen.“

Verkäufer: „Wenn Sie 25 nehmen, dann kann ich Ihnen…“ Und dann nuschelte er irgendwas Unverständliches und das auch noch viieeeel zu leise.

Ich: „WAS??“

Verkäufer: „Ach, ja, schon gut.“ Und gut peinlich zu Boden und packt meinen Kaffee ein.

Ich wieder: „Was? Aber was denn??? Was passiert dann?????“ schreiend durch den Laden.

Verkäufer: „Ja, schon gut. Ähm“, wird rot und guckt peinlich auf die Kasse,“ das macht dann zweiundfünfigEurozwanzig.“

Ich, lauter, weil ich ihn noch weniger verstehe: „Aber WAS war denn nun?? Ich will das wissen!!! Waass???“ Langsam haben sich alle weiteren im Laden umgedreht und starren mich an. Der Mann mir gegenüber reicht mir derweil meine Tüte und schiebt mich aus dem Laden. Ich schreie weiter, ich will wissen, was ich bekommen hätte!!! Das werden mir Informationen vorenthalten! Was wäre wenn??? Ich sehe das Schnäppchen an mir vorbeiziehen! Alles nur, weil ich taub werde!

Wieder draußen gucken mich die coolbebrillten Kinder vor’m Starbucks verwirrt an und ich keife: „Zu meiner Zeit haben wir noch an Bushaltestellen rumgelungert!“ Dann packe ich meinen Kaffee und gehe. Und jetzt… jetzt hoffe ich, dass Hörgeräte ganz bald cool werden. Und das Internet hat mir mal wieder Hoffnung geschenkt, denn auf den Seiten von Designaffairs, fand ich diese Hammerhörhilfe:

Das Problem dabei ist nur….meine Ohrlöcher sind viel zu klein. Mann, ich und die Coolness, wir kommen einfach nicht zusammen. Nicht mehr in dieser Welt.

Kein Treffer beim Spiel ‚Piraten versenken‘

Aus der Serie „Dinge von denen ich nie dachte, dass ich sie schreibe“:

Das passiert mir jetzt schon zum zweiten Mal. Dass sich ein Medium meine Sympathie verspielt. Dabei kann ich so treu sein, und mich der Leichtgläubigkeit in vollen Zügen hingeben, wenn man mir die Meinung denn charmant genug präsentiert. Und ich geb schlechter Berichterstattung auch meist noch Mitleidspunkte. Naja, da war kein Inhalt drin und neu war’s auch nicht, aber der Kommentator bei RTL 2 hat so ne sympathische Stimme, da kann ich nun nicht komplett Anti sein. Komme ne 3- geb ich ihm noch. Ja, so bin ich, liebe große Medien. Ihr müsst es schon richtig verkacken, damit ich mich abwende. Das erste Mal war’s die Cosmo und ich war knapp volljährig und post-pubertär prüde und las den Satz „Analsex ist der neue Blowjob“, als ich beschloss: Sechs. Setzen. Tschüss. Durchgefallen.

Heute ist es die Vice. Dabei sind die bisher selbst mit LSD-induzierten Artikeln bei mir durchgekommen. Aber ab heute nicht mehr. Denn ich wurde enttäuscht. Noch mehr als von den Sextipps der Cosmo, mit denen Frau angeblich unwiderstehlich, schlank und erfolgreich werden sollte. Denn da riet Johannes Niederhauser den Piraten: Löst euch auf. Zumindest im Titel. Das klang erst mal unterhaltsam und erfolgsversprechend, aber offenbarte sich dann als ähnlich am Thema-vorbei wie der Analsex-ist-der-neue-Blowjob-Artikel aus der Cosmo, in dem darum gehen sollte den Mann für’s Leben zu finden. Denn Niederhauser hat’s verkackt. Und das in dieser Situation. Mannmannmannn. Die Piraten, die doch eh schon tief am Boden liegen, schon halb beerdigt, ruhend im Nimmerland, da nochmal drauf zu hauen, ist nun nicht die allergrößte Herausforderung, der sich die Vice-Redaktion hätte stellen können. Niederhauser hätte nur die Lippen zusammenziehen und einmal draufspucken müssen. ABER….stattdessen…und als ich den Artikel las, machte ich eben jene Handfläche-zur-stirnführende-Bewegung, die man sonst von Fussball-live-Übertragungen kennt, er schießt ein Eigentor. Weil er anstatt auf einer beliebigen der vielen Verfehlungen der pseudo-politischen Schiffsregatta herumzutreten, die eine wählt (die EINE), die keine war. Nämlich, die Kritik am zdf.neo-Busengrabscher. Denn in den Augen des Redakteurs war das ja nur ein „angeblicher“ Akt. Ob abgesprochene Szene oder nicht, lieber Johannes, fremden Frauen an die Brüste packen ist nicht okay. Sogar die Herren von ZDF haben das eingesehen und sich für ihre Unbedachtheit entschuldigt. Ja selbst denen hab ich daraufhin verziehen. So bin ich. So leicht hat man es mit mir!

Und ich hab selbst nach dieser Dummheit noch weiter gelesen. Doch es wurde nur noch schlimmer. Da wurde falsch zitiert und unbegründete rumgemeckert. Hättest du das „schön“ präsentiert, hättest du mich auf deiner Seite gehabt. Du hattest mich ja quasi schon beim Titel! Aber so stehste allein auf der Planke.

Sechs. Durchgefallen. Tschüss liebe Vice.

Tatort: Kühlschrank oder In welche Kühlzone gehört die Leiche?

Genau DIESES Entrée, wie im Video oben, müsst ihr euch grad vorstellen. Immerabgelenkt fliegt im Kühlschrank durch die Luft, der Kühlkasten landet und ich rolle raus. Tada! Applaus, Applaus, danke, danke, und damit herzlich willkommen zu den Kühlschrank Dialogen, hier auf immerabgelenkt.de.

Und bevor wir, mit einem spannenden Exemplar beginnen, das mir anonym zugesandt wurde, steigen wir doch erstmal ein, in die Materie Absorptionskältemaschine.

Was MUSS man (unbedingt!!!!) wissen, über das Ding daheim?

  1. Stunde Physikunterricht bei immerabgelenkt: Der Kühlschrank funktioniert nach dem physikalischen Gesetz: Stecker rein. So. Stunde vorbei. Pause.
  2. Stunde Geschichtsunterricht: Wann gab es die ersten Kühlschränke? Kann die Frage jemand beantworten? Keine Meldungen? Keine Freiwilligen? Ja da, ja bitte. Ja geh auf’s Klo. Mannmannnmann…weiß denn keiner die Antwort? Ja gut, dann eben nicht, dann lest das nach und nächstes Mal schreiben wir einen Test darüber! So. Stunde vorbei. Pause.
  3. Stunde: fällt aus, wegen Ablenkung….Denn mich beschäftigt grad Folgendes viel, viel mehr: Frauen in Kühlschränken. Japp, das gibt’s wirklich. Dazu gibt’s nämlich nen eigenen Wikipedia-Eintrag. Gut, der Weihnachtsmann hat auch nen eigenen Wikipedia-Beitrag….dannndann…???….juchheee!…gibt es den Weihnachtsmann doch! Wie wunderbar! Ich schreib gleich mal nen Wunschzettel.

Aber erst mal zurück zu den Ischen in der Eisbox. Der unausweichlichen Kausalkette „Verwirrt mich => muss ich mir angucken“ folgend, fand ich mich kurz darauf in der Comicwelt wieder. Es gibt sogar ein „Frauen in Kühlschranken-Syndrom“, las ich nun. Und nein, damit ist nicht die Routine gemeint alle Fünf-Minuten in den leeren Kühlschrank zu gucken und auch nicht die Angewohnheit alles gerade Gekaufte aufzuessen, noch bevor man es in den Kühlschrank stellt. Nein, nein, viiiieeeel comic-komplexer. Das Frauen im Kühlschrank-Syndrom bezieht sich auf einen comictypischen (Typisch!!! aha!!)-Handlungsverlauf. Eben den, dass da ne tote Torte im Kühlschrank liegt. Und das soll die Funktion haben (und jetzt wird’s fies) Frauen als schwache, machtlose Opfer darzustellen. Der Held (männlich) kämpft gegen den Superschurken (männlich) und die Frau, ja die, die ist in die Küche gesperrt, auf Eis gelegt, in ihre (Kühl-)Schranken gewiesen.

Ahahahaha… Daraus schließe ich im Rückschluss, dass ich mir, am Tag an dem ich ne Leiche in meinem Kühlschrank finde, ein Superhelden-Kostüm umwerfen werde und dies zu meiner Hauptprofession erkläre. Die Power of Massdistraction hab ich ja jetzt schon.

Und damit zum Gast der heutigen Sendung:

Was für einen Kühlschrankbesitzer/ Was für eine Kühlschrankbesitzerin, haben wir hier? Superman oder Magneto, vielleicht? Oder doch Catwoman?

Kommentieren, analysieren und intepretieren Sie JETZT liebe Leserinnen und Leser!

Nach dem Werbeblock trage ich die Ideen und Interpretationen dann zusammen. Aber erstmal die Werbung:

 

“Beziehungsstatus: Verliebt in facebook”, das Buch der immerabgelenkt-Autorin ist jetzt DA!!! Und kann hier http://bit.ly/QBuN2e und in jeder Buchhandlung umme Ecke bestellt werden.

Kulinarische Freizügigkeiten

Während sich das In-Fremde-Kühlschränke-gucken gerade von der Marginalie zum Trend mausert, dominiert eine anderen Bildkategorie seit langem die Kanäle sozialer Vernetzung: Fotos von Essen, kurz vor dem Verzehr. Wie Friends-Charakter Joey Tribbiani, so muss ich gestehen, bin ich kein(e) Freund(in) des Essenteilens, zumindest nicht auf facebook. Im Bistro immer gerne, wenn meine Gabel dafür auch auf andere Teller vorstoßen darf. Aber online hab ich’s noch nie gemacht. Denn das fotografische Essenteilen über facebook finde ich obskur. Und ich hasse es mit dem Essen warten zu müssen, wenn es erst mal vor mir steht. Vielleicht sind meine Gründe für die Trendverweigerung auch einfach nur Hunger und Ungeduld. Sollte ich’s also doch auch mal probieren?

Denn tatsächlich führen die Essenfotos auf facebook eine lange künstlerische Tradition fort. Schon im 17. Jahrhundert hatten Bilder von Essen (und Blümchen) ihre eigene Kunstkategorie: Das Stillleben. Van Beyeren malte um 1650 einen Humor mit Fruchtbeilage. Noch bevor van Gogh seine berühmten Sonnenblumen (1888) erschuf, pinselte er 1884 einen Topf mit Kartoffeln. Manet stand auf Fischgerichte und Cezanne schmiss Essen gern quer über den Tisch.

Die facebook-food-fotos sind also in berühmter Gesellschaft. Und schaffen vielleicht sogar noch Gemeinschaften. Vielleicht glaubt der Postende, er esse so nicht allein. Sieht man auf einem Profil Bilder von Essen, dann hat man die erste Gemeinsamkeit gefunden. Du isst, ich esse,…wollen wir nicht FreundInnen werden?

Ist es das?

Ganz überzeugt bin ich nicht. Wer fertig zubereitetes Essen postet, versucht doch, sich von der besten Seite zu zeigen, saftig und garniert. Oder nicht? So nett angerichtet isst man im Alltag doch nicht. Mein Misstrauen bleibt und ich halte am Blick in den Kühlschrank fest. Kalt und roh isst einfach ehrlicher. Ich bleibe dabei: Kein Futter für facebook.

Und eine Neuigkeit zum Desert: MEIN BUCH IST DA!!! So richtisch!! Das erste gedruckte Exemplar kam heut mit der Post. Falls ihr auch eins wollt, einfach bestellen und nicht vom „nicht lieferbar“-Quatsch abschrecken lassen.

Und Buecher.de hat es inzwischen auch…vielleicht sogar auch im Kühlschrank.

Frigidäre Offenbarungen

Futterschnute und Anhora sind auf meine nicht-ganz-so-geheime Leidenschaft aufmerksam geworden: meine Neugier in Bezug auf Nahrungsmittel, mein Fetisch gerne in fremde Kühlschränke zu gucken. Während andere dabei sind Goethe’s Gedichte, den Wetterbericht oder den Beziehungsstatus des Angebeteten zu interpretieren, widme ich mich der Wissenschaftsanalyse des Mediums Kühlschrank.

Kühlschränke und ihre Inhalte sagen mehr aus über Menschen als alle Facebook-Profilangaben, Browserverläufe und Daten, die im Perso stehen, zusammen. Denn am Kühlschrank kann man sowohl demographische Informationen als auch Interessen, Vorlieben, Konsumverhalten und was nicht noch alles ablesen. Das meist schlichte, eckige Ding in der Küche offenbart die wahren inneren Werte, zeigt was reingeht in eine Person und was man zwar mit gutem Willen gekauft aber dann zusammen mit allen athletischen Vorsätzen doch im Gemüsefach vergammelt lässt.

Das geschulte Auge erkennt sie sofort; die Kühlschranke von Singles, Menschen in Beziehungen oder Familien mit Kindern, Menschen mit zu viel Geld aber zu wenig Zeit für gute Ernährung, Menschen, die nie zu Hause sind und jene, die heut Abend zur Party geladen haben.

Und wie oft kauft der Kühlschrankbesitzende so ein? Ein Blick auf die Haltbarkeitsdaten von Jogurt und Co verrät das Konsumverhalten.

Fitnessjunkie oder Genussmensch? Milchprodukte mit ihrer Palette an Fettgehaltsstufen geben Auskunft.

Selberkocher oder Essengeher? Trinker statt Esser? Es gibt keine Schranken, wenn es darum geht, was man alles aus Kühlschränken ablesen kann. Und wie eben auf der Mensch vor dem Schrank kein statisches Objekt mit immer gleichen Gedanken und Wünschen ist, so verändert sich das beleuchtete Bild ständig weiter. Man könnte ganze Biographien schreiben, bebildert mit Aufnahmen der Lebensmittellagerstätte.

Und nicht nur das. Man ist ja nicht nur passiver Rezipient, der in das eckige, kühlende Küchenmöbel glotzt, sondern kann interaktiv mitgestalten. Die Milch kommt hier hin, der Käse da oben und welches, war nochmal die Zone für die Gummibärchen? Apropos Gummibärchen, man könnte den Kühlschrankinhalt natürlich auch mal farblich ordnen. Mein kleines Aufräumherz kommt ins rasen.

Und weil, wie mir Futterschnute und Anhora zeigten, ich nicht die einzige Betroffene bin, gibt’s ab jetzt regelmäßig Fremder-Kühlschrankgucken auf immerabgelenkt.de, so lange, bis mich die KühlschrankbesitzerInnen verklagen, weil ich ihre intimsten Küchenecken ins Internet stelle… Kühlschrankgucken ist halt gefährlich, Extremsport quasi.

Ich gestehe, dieser Kühlschrank ist mir nicht ganz fremd. Aber dennoch nicht meiner und immer wieder spannend. :-)
Ich gestehe, dieser Kühlschrank ist mir nicht ganz fremd. Aber dennoch nicht meiner und immer wieder spannend.