Schreiben am Computer aka mißHANDlung

Wer schonmal bei Nacht durch eine Wald nahe Region gefahren ist und ein Reh am Straßenrand sah, – oder schlimmer noch, mitten auf der Straße, direkt vor sich, Meter vorm Auto, Zentimeter davor, auf der Kühlerhaube, Totalschaden – der kann sich den Blick vorstellen, der sich auf meinem Gesicht im Moment einschleicht, wenn ich die vielen Word-Dokumente öffne, die einmal meine Masterarbeit werden sollen. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht, starre ich paralysiert und regungslos auf den hellen Bildschirm. Ich sehe nur noch Seiten mit Wörtern und Zeichen, aber keinen Inhalt mehr und ich kann nicht agieren. Ich kann keine sinnvollen Sätze mehr am Computer bilden. Blind und blockiert starre ich doof auf meine bisherigen Seiten und warte darauf, dass sie mich überrollen. Darum greife ich inzwischen auf Zettel und Stift zurück und tippe hinterher nur alles ab. Das geht noch. Das mache ich gerade auch. Jawohl. Auch diesen Satz, in dem ich sage, dass ich das gerade abtippe, dabei schreibe ich es ja noch per Hand. Aber meine Computerschreibblockade hat mich auf einige markante Unterschieden zwischen Tippen und Handschrift aufmerksam gemacht, die einfach nicht von der Hand zu weisen sind.

1. Autokorrektur

Ich merke förmlich wie mein Gehirn Höchstleistungen vollführt, während ich die Zeilen per Hand schreibe, die mir mein Computer beim Tippen abnimmt. Im Hintergrund koordiniert mein Gehirn nicht nur die Bewegung meiner Hand und Augen, sondern auch jeden einzelnen Buchstaben. Denn die Buchstaben werden sich nicht auf magische Weisem, wie in Word, in der richtigen Position einfinden. Verrückt aber Fakt, ich glaube tatsächlich ich denke gerade mehr.
2. Groß- und Kleinschreibung
Solange ich in deutscher Sprache schreibe, würd ich NIEMALS (!!! NIE!!), auf die Idee kommen, die Groß- und Kleinschreibung einfach zu ignorieren. Beim chatten oder kurzen Emails an Freunde achte ich da weit weniger darauf. Denke ich computerschriftlich also vielleicht wirklich weniger als mit der Hand?
3. Individualität der Handschrift
Gab es nicht mal die Tradition bzw. einen ganzen Berufsstand für das Deuten von Handschriften? Das ist nun wohl obsolet. Aber war es je relevant oder angebracht, jemanden dafür zu Rate zu ziehen, welche Sorte Mensch wohl Herzchen als i-Punkte benutzt? Und ganz verschwunden ist die Individualisieren auch nicht. Handschrift 2.0 bedeutet, Herzchen neben das Wort zu setzen oder eine bestimmte Schriftart zu wählen. Ich behaupte mal es gibt eine Verbindung zwischen Herzchen-i-Punkt-MacherInnen und Nutzern von Comic Sans. Also verrückt aber Fakt, man kann am Computer genauso dämlich sein, wie mit der Hand.

4. Papier
Ich gebe es zu. Ich bin auch eine dieser Personen, die alles immer direkt anpacken müssen, ein Fummelmensch. Man kann mit mir in kein Geschäft gehen, ohne dass ich sofort Stoffe, Möbel, Menschen, Tiere und was noch haptisch attraktiv wird anfummele. Da ich aber auch hochgradig paranoid bin und noch im Moment des Anfassens, daran denke wie viele Menschen mit wie vielen Keimen, Bakterien, Viren, Aids, Ebola, Syphilis, Parasiten und und und, da wohl schon ihre Flossen dran hatten, habe ich zum Fummelzwang einen Waschzwang entwickelt und taumele zwischen anpacken-waschen-anpacken-waschen-anpacken-waschen. Irgendwo in meinem Unterbewusstsein kämpfen mein fummelgeiles ES und mein hygienebessenes Über-Ich gegeneinander an. Aber das Ich in der Mitte mag nunmal haptische Eindrücke. Und auch die sind beim Schreiben am Computer ganz ganz anders. Klar ist jede Tastatur eine Erfahrung für sich, aber Papier!!! PAPIER. Nochmal ganz langsam: P.A.P.I.E.R!!!!!! In glanz und matt, all den schönen Nuancen von Weiß, oder sogar buntes Papier und die Papierstärke (!!!). Die Leichte eines 80g/m2 Blatt oder doch lieber das solide 120er… das Gefühl kann kommt beim Computer erst, wenn man alles ausdruckt und fließt so einfach nicht in den Schreibprozess ein, wie beim Handschreiben. Verrückt aber Fakt!!

5. Früher war halt alles besser aka ich bin alt
Achja, das schöne Handschreiben. Ich schreibe immer noch mit Kugelschreiber in meinen geliebten kleinen Moleskine und merke zwischen als der Euphorie und lieber zur Handschrift, dass mir langsam echt die Hand weh tut. Aua. Ich glaub ich krieg nen Krampf. Autsch. Verrückt aber Fakt: Tippen statt Handschrift führt zu weniger Denken, weniger Fühlen und weniger Aua. Ich schalt jetzt mal den Computer an und tippe das hier ab.

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