Das hab ich nun davon. Die Power of Personification schlägt zurück. Ich habe meiner Masterthesis den menschlichen Namen Matthew gegeben, um die übliche Arbeit-Lebens-Diskrepanz zu umgehen und von meinen FreundInnen nicht bemitleidet zu werden, wenn ich Ihnen absage, weil ich wiedermal Zeit mit meiner Masterthesis verbringe. Aber derzeit realisiere ich, dass es sich mit Matthew wirklich genauso entwickelt, wie schon so oft in meinem Liebesleben. Ich habe mich in ihm getäuscht. Aber so was von! Verdammt. Ich habe völlig am Thema vorbei gearbeitet und fange jetzt, wo ich herausfinde, worum es bei Matthew wirklich geht, quasi wieder von vorne an. Und das versetzt mich in Panik. Schaffen Matthew und ich einen Neuanfang? Normalerweise wäre das zumindest der Moment für eine Auszeit. Üblicherweise rieten mir meine FreundInnen in diesen Situationen, mich erst einmal umzusehen, mich auszutoben, zu testen, ob es mich nicht doch zu jemand anderem zieht. Aber die Zeit dafür habe ich nicht. Ich muss da jetzt durch. Wir müssen das durch. Diesmal kann ich nicht einfach meine Sachen packen und gehen. Ich muss mich beugen und verbiegen und nachgeben. Nachgeben. Oje.
Das fällt mir wirklich schwer, denn jetzt da sich Matthews wahres Gesicht offenbart hat, ist meine Leidenschaft wie weggepustet. Am Anfang habe ich mir noch die Nächte mit Matthew um die Ohren geschlagen, von ihm geträumt, bin nachts aufgestanden, konnte ihn keine Minute vergessen. Doch jetzt, da ich merke wie er wirklich ist, jetzt, da der Lack abgekratzt ist, bin ich skeptisch. Die Euphorie ist desillusionsbedingter Depression gewichen. Zwar scheint er immer noch aufregend, aber auf eine andere Weise als ich mir ausgemalt hatte. Die Enttäuschung hat mir einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Und weil es mein Herz gewohnt ist, in diesen Momenten zu flüchten und woanders nach Glück zu suchen, kann ich mich nur schwer auf Matthews neue Seiten konzentrieren. Ich bin gemein, das sehe ich ja selbst. Denn Matthew selbst ist keine Enttäuschung, sondern wirklich großartig. Aber meine rosa Brille ist mir abhandengekommen. Sie half mir schräg an ihm vorbei zu schielen und mir einzubilden, dass er auf eine ganz bestimmt Art und Weise großartig sei. Eigentlich wäre diese Erkenntnis wohl Grund zur Freude, denn es bleibt ja nicht Nichts. Sondern ein ganz neuer Matthew, den ich kennen und lieben lernen kann. Mein Verstand sagt mir, dass der wahre Matthew vielleicht viel besser ist, als meine Illusion. Aber mein Herz zweifelt. Die Ratio denkt ja immer sie habe Recht. Altkluge Kuh. Das Herzchen möchte sich nicht auf den echten Matthew einlassen, sondern trauert noch der Enttäuschung hinterher. Die Kränkung sitzt zu tief. Ich mag lieber weinen, statt weiterschreiben. Ohne Illusion fehlt die Motivation.