Macht, dass es aufhört! Bitte!

Ich bin alt. So richtig. Kurz vor der Menopause. Ach was, kurz vorm Ende. Das glaubt nun zumindest mein Browser, oder besser gesagt die kleinen Männchen1, die am anderen Ende des Internets sitzen und mir Werbung zuschicken.

Nachdem ich meine Prüfung, mit leichten Verletzungen, hinter mich gebracht habe, hielt ich es an der Zeit für Ablenkung Entspannung Erholung mal was anderes. Die befürchtete Sehnenscheidenentzündung ist übrigens aufgetreten. Deswegen tippe ich nun ohne Zeigefinger. Dass es eine Sehnenentscheidung ist, weiß ich ganz sicher. Entweder das oder Krebs, oder Schwangerschaft. Eins von denen kommt immer raus, wenn man seine Symptomatik der Suchmaschine anvertraut. Im Krankheitsfall ist das Internet Facharzt für jeden, noch so ausgefallenen, medizinischen Bereich (aber insbesondere anscheinend, Onkologie und Gynäkologie) und Mutti zugleich. Denn ich bekomme nicht nur meine Diagnose, sondern in den folgenden Tagen und Wochen auch immerzu, mehr oder weniger, unauffällig platzierte Ratschläge und Hinweise auf Dinge, die mein Leben Leiden verkürzen sollen. Genauso unauffällig wie Mamas Rat früher: „So gehst du nicht aus dem Haus! Du warst erst krank, zieh dir eine Mütze auf.“ Statt einer Mütze, verfolgen mich nun Pop-Ups und Einblendungen, die mich auf Rheumamittel hinweisen und mindestens genauso schmerzhaft sind, wie meine KriegsPrüfungsverletzung. Konnte man die Mütze noch, kaum war man aus der Haustür und außer Sichtweite, in der Tasche verschwinden lassen, verfolgen mich die Werbeeinblendungen bis in die hintersten Winkel des Netzes. Egal wohin ich mich virtuell bewege, sie sind da. Beim Einkaufen, wenn ich meine Post lese, wenn ich mir die Zeit mit „der Zeit“ vertreibe.  Ich weiß, das ist nur gut gemeint. Aber es reicht.

Leider habe ich dann auch noch einen zusätzlichen Fehler begangen, der die Agenten von Amazon und Co. (ja, die nennt man wirklich Agenten! Fragt meinen ehemaligen Mewi-Prof!) in ihrer Annahme bestätigt hat, dass ich eine alte und folglich kränkelnde, dem Tode nahe, Frau bin. Ich habe mir ein Buch bestellt. Aber statt einem, das meinem tatsächlichen Alter angemessen wäre, wie, wie…was liest meine Generation überhaupt? Achja, irgendwas mit Vampiren. Statt einer trübsinnig-traurigen Liebesgeschichte über Blutsauger, die ihre Identitätskrise dadurch ausdrücken, dass sie das, was sie ausmacht verweigern, nämlich das Blutsaugen, um zu signalisieren, dass sie sich nach Anerkennung in einer kalten, cinegraphisch hell-blau-gefilterten, eindeutig unwirklichen, weil zu großen Teilen noch mit Wald bewachsenen, Umgebung sehnen, habe ich mir das neue Buch von Jörg Maurer bestellt. Das Problem dabei ist nur, dass ich eigentlich nicht zur Zielgruppe gehöre. Jörg Maurer schreibt (herrliche!!!) Alpenkrimis. Sowas liest man aber – das hat die Marktforschung bewiesen (BEWIESEN!) – nur wenn man über vierzig ist, ein mittleres Einkommen hat und mit der Region, in diesem Fall dem Ländle rund um die Zugspitze, vertraut ist. Außer den Werken von Jörg Maurer habe ich auch keine Alpenkrimis im Regal, nicht einmal sonstigen Krimis. Aber nun verfolgen mich Titel wie „Alpengrollen“, „Tod in Garmisch“ und „Alpendöner“. Davon abgesehen, dass ich auch keine Döner mag (wieder untypisch für meine Zielgruppenzugehörigkeit), haben Sehnenscheidenentzündung und der neuste Fall von Kommissar Jennerwein dazu geführt, dass „meine“ digitale Welt nun von Produkten und Dienstleistungen für alte Menschen dominiert wird. Liebe Männchen am Ende des Internets, ich mag das nicht! Bitte hört auf! Ich bin kein SilverSurfer (ja, das nennt man wirklich so! Fragt meine ehemalige PR-Kollegin!), ich habe kein Geld, das ich in Sparfonts für meine Enkel investieren kann,  ich will auch keine Kaffeefahrt nach Usedom machen, ein Doppelgrab mit Haustiergrabstelle für Püppi, Waldi oder Schnuffi, will ich auch nicht reservieren lassen und Pornos mit Menschen über 50 will ich schon garnicht sehen!!! Ich bin einfach nur wehleidig und mag komische Bücher.

Leider glaube ich, dass mein Aufruf hier nicht akzeptiert werden wird. Ich kann im Internet nicht auswählen, wer ich bin. Diese wichtige Frage ist viel zu kompliziert für mich kleine Konsumentin, deswegen kümmern sich ja die Agenten der kleinen Männchen, um mich. Vielleicht sollte ich mich dem fügen, und, und… in die Alpen ziehen. Gibt’s denn auf der Zugspitze DSL?

  1. Bevor jetzt Einwände zum Thema Geschlechtergleichstellung kommen und ich mit Fragen bespamt werde wie: Warum sind es denn keine Weibchen? Warum soll auch hier eine patriarchisch organisierte Macht agieren? Warum? Warum? Warum? Na, na, na???? eine Kurze Aufklärung: Das Maß an Penetranz und die absolute Missachtung meiner eigentlichen Vorlieben und Wünsche, mit der diese „Macht“ vorgeht, lässt keinen anderen Schluss zu.

3 Gedanken zu “Macht, dass es aufhört! Bitte!

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